Bauwelt

Einmischung – wie deutsche Städte die soziale Mischung fördern

Segregation

Text: Harlander, Tilman, Stuttgart; Kuhn, Gerd, Stuttgart

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Einmischung – wie deutsche Städte die soziale Mischung fördern

Segregation

Text: Harlander, Tilman, Stuttgart; Kuhn, Gerd, Stuttgart

Durch die Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände und die zahlenmäßige Reduzierung von Sozialwohnungen wurden deutsche Städte wesentlicher Instrumente beraubt, um die soziale Mischung ihrer Bewohner aktiv zu steuern. Welche Möglichkeiten bleiben Kommunen und Wohnungsunternehmen zur positiven Einflussnahme? Welche Städte setzen auf welche Mittel? Und auf welcher Ebene lohnt es überhaupt, sich einzumischen: im Quartier, im Block oder sogar im Haus? Ein Überblick.
Kommunen und Wohnungswirtschaft fühlen sich überwiegend einer integrativen Politik der sozialen Mischung verpflichtet. Doch verfügen sie auch über geeignete Instrumente, diese durchzusetzen? Und wie gehen verschiedene Städte mit den verschiedenen Steuerungsmöglichkeiten um?
Diskriminierung oder Pragmatismus? Zuzugssperren und Quotierungen
Ein früher Versuch, eine soziale Mischung auf Quartiersebene zu erreichen, waren sogenannte Zuzugssperren – d.h. das Verbot des Zuzugs in ein Quartier für eine bestimmte, schon „ausreichend“ vertretene Bevölkerungsgruppe. Eine Bund-Länder-Vereinbarung von 1975 legte fest, dass Städte und Landkreise, deren Ausländeranteil mit 12 Prozent doppelt so hoch lag wie der Bundesdurchschnitt, zu „überlasteten Siedlungsgebieten“ erklärt und mit einer Zuzugssperre belegt werden konnten. Die Maßnahme war, wie „Die Zeit“ schrieb, nach dem 1973 verhängten Anwerbestopp ein zweiter Schritt, um „mit dem Zustrom von Ausländern fertig zu werden“. Trotz der Härten beim Nachzug von Familienangehörigen und der prinzipiel­­len rechtlichen Probleme (Kollision mit dem Recht auf freie Wahl des Wohnsitzes) hatten bis Anfang 1977 55 westdeutsche Städte eine derartige Sperre verhängt. Doch sie erwies sich vor allem wegen der zahlreichen Ausnahmegenehmigungen für einzelne Branchen, Regionen und Nationalitäten – weniger als die Hälfte der zuzugswilligen Ausländer fiel unter die Regelungen – als nicht praktikabel; außerdem wurde sie durch illegalen Zuzug unterlaufen. Bereits 1977 hob der Bund die
Zuzugsregelungen wegen des unverhältnismäßig großen bürokratischen Aufwandes – bezeichnenderweise nicht wegen ihres diskriminierenden Charakters! – wieder auf. In  Berlini wurde die Zuzugssperre für Kreuzberg, Tiergarten und Wedding allerdings erst 1990 außer Kraft gesetzt – wohl als Zugeständnis an die „Überfremdungsängste“ der Zeit, wie die Sozialwissenschaftlerin Sibylle Münch vermutet.
Obwohl Zuzugssperren nicht mehr angewandt werden, sind in den Kommunen bis heute Quotierungen durchaus üblich. Sie legen, mehr oder weniger offen, Grenzen fest, bis zu denen kommunale bzw. ehemals gemeinnützige Wohnungen mit Menschen aus besonders benachteiligten Gruppen belegt werden. „Mehr oder weniger offen“, da derartige Quotierungen rechtlich problematisch nah an einer gesetzlich verbotenen Diskriminierung aufgrund von ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht, Alter oder Behinderung vorbeischrammen. Erreichen sollen sie eigentlich das Gegenteil: ihnen liegt das Bemühen zugrunde, auf pragmatische Weise die ebenfalls rechtlich geforderten „ausgewogenen“, „sozial stabilen Bewohnerstrukturen“ zu schaffen und monostrukturierte Gebiete zu vermeiden. Das Problem dieser unbestimmten Rechtsbegriffe liegt darin, dass sich „ausgewogene Bewohnerstrukturen“ streng genommen „weder zu Programmen und Maßnahmen operationalisieren noch als meßbarer Effekt evaluieren“ lassen, so der Sozialforscher Peter Bartelheimer. Die Gratwanderung zwischen integrativer Mischungspolitik und diskriminierender Ausgrenzung ist also in der Praxis schwierig und konfliktreich.
Entsprechend umstritten ist das bekannteste Beispiel für eine solche Quotierung, der sogenannte „Frankfurter Vertrag“, der 1999 in Kraft trat (nach Vorläufern seit 1974). Der Vertrag ist eine Kooperation von Kommune und Wohnungsunternehmen in  Frankfurt.  Er soll auch nicht (mehr) öffentlich geförderte Wohnungen für eine „sozial verträgliche Belegungspolitik“ nutzbar machen. Die Wohnungsunternehmen dürfen die Bewerber für diese Wohnungen zwar selbst auswählen, sie verpflichten sich aber, „vorrangig sozialwohnungsberechtigte Bewerber zu berücksichtigen sowie auf die Erhaltung/Schaffung einer ausgewogenen Mieterstruktur zu achten“. Als „sozial verträgliche Belegung“ gilt dabei eine Mischung von 30 Prozent Ausländern, 15 Prozent Sozialhilfeempfängern, 10 Prozent Aussiedlern, 25 Prozent Bewerbern aus dem umgebenden Stadtteil und 20 Prozent freien Bewerbern. Allerdings wird angesichts einer Ausländerquote von 24,6 Prozent für die Gesamtstadt (2011) etwa die 30-Prozent-Quote für Ausländer in zahlreichen Häusern und Siedlungen deutlich überschritten. Sie kann daher für die Unternehmen nur ein grober Anhaltspunkt sein. Ohnehin werde, erklärte etwa Thomas Dilger, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte Frankfurt am Main1 im Interview, das Mischungsziel „nicht nach vorgegebenen Richtlinien, sondern auf pragmatische, einzelfallbezogene Weise umgesetzt“. So liege der Migrantenanteil in den Wohnungen des Unternehmens bei über 30 Prozent, bei Neuvermietungen sogar bei ca. 50 Prozent.
Einen großen Schritt nach vorne macht das 2010 vom Frankfurter Magistrat verabschiedete neue „Integrations- und Diversitätskonzept“. Anders als von Kritikern des Mischungsideals häufig unterstellt, sollen hier ethnische und soziale Unterschiede nicht eingeebnet werden. Ganz im Gegenteil wird eine Balance von „Integration und Diversität, von geteilter Gemeinsamkeit und individueller Vielfalt“ angestrebt. Das soll u.a. erreicht werden mit einem effektiven Diversitätsmanagement und indem die Beteiligungsrechte und -möglichkeiten der Betroffenen ausgeweitet werden.
Quotierung light: die Belegungssteuerung
Auch in  Stuttgart  wird versucht, durch die Belegungspolitik der städtischen Wohnungsgesellschaft SWSG2 Segregation entgegenzuwirken: 80 Prozent der Mieter eines Wohnblocks sollen EU-Bürger sein, maximal 20 Prozent dürfen aus Drittländern stammen. Damit sollen, so der von CDU, FDP, DVU und Freien Wählern 2003 eingebrachte Antrag, „einseitige und somit integrationshemmende Belegungsstrukturen vermieden werden“. Dies entspricht den Zielen des mehrfach national wie international ausgezeichneten Stuttgarter „Bündnisses für Integration“, das Ghettoisierungsprozesse und ethnische Segregation vermeiden bzw. sozial gemischte Bevölkerungsstruk­turen herstellen will. Eine konsequente Umsetzung der geforderten Belegung ist allerdings bei der Mieterstruktur der SWSG – etwa die Hälfte der Mieter sind Ausländer, viele davon Türken – schon allein von den Zahlenverhältnissen her in der Praxis schwierig.
Für die meisten Wohnungsunternehmen ist ohnehin nicht die ethnische Segregation das brennendste Problem. Erst wenn sich ethnische und soziale Segregation überlagern, so eine häufig geäußerte Ansicht, entstehen echte Problemquartiere. Dann allerdings, dies hebt Bernd Hunger vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW hervor, dürfe die Wohnungswirtschaft nicht allein gelassen werden – dies wäre eine „völlige Überforderung“. Aus der Sicht des GdW komme – durchaus auch im Sinne ökonomischer unternehmerischer Interessen – der Pflege „funktionierender Nachbarschaften“ bzw. der Erhaltung des „sozialen Friedens“ im Quartier eine Schlüsselrolle zu. Allerdings könne es für die „richtige“ soziale Mischung keine allgemein gültigen Mischungsverhältniszahlen o.Ä. geben: „Das muss lokal ganz unterschiedlich betrachtet werden.“
Ob in einem Wohnungsunternehmen Fragen der ethnischen, sozialen oder generativen Mischung im Vordergrund stehen, wird vor Ort sehr unterschiedlich gewichtet. In  München  z.B. hat sich in den letzten Jahren, wie Hans-Otto Kraus, Geschäftsführer der GWG München3, berichtete, die Frage ei-nes gelungenen Miteinanders von Jung und Alt in den Vordergrund geschoben (jenseits der Daueraufgabe, mit einem erschwinglichen Wohnungsangebot für „breite Schichten“ zum „Erhalt des sozialen Gleichgewichts in der Stadt“ beizutra­gen). Dies betreffe nicht nur die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine kinder- und familienfreundliche Entwicklung, sondern – mit Hilfe der Stadt München – auch neue, auf die Wohnbedürfnisse älterer Menschen zugeschnittene Wohnformen wie etwa Demenz-Wohngemeinschaften.
Am falschen Ende gespart: die Krise des sozialen Wohnungsbaus
Mischung im Wohnen ist nur dann möglich, wenn nach Größe, Ausstattung und, vor allem, nach Preis geeignete Wohnungen für alle Schichten der Stadtbevölkerung zur Verfügung stehen. Die größte Hypothek für eine effektive Mischungspolitik liegt im unaufhaltsamen Rückgang des Sozialwohnungsbestandes. 1987 gab es noch etwa vier Millionen Sozialmietwohnungen, um 2000 hatten sie sich bereits auf ca. zwei Millionen halbiert und werden 2012 durch das Pestel-Institut nur noch auf etwa 1,5 Millionen geschätzt. Das Dilemma ist in jeder deutschen Großstadt drastisch spürbar. Je nach kommunalem Engagement stehen diesem Schwund manchmal verschwindend geringe Neubaukontingente gegenüber. Sie können den Verlust in keiner Weise kompensieren. In  Stuttgart etwa entstanden zwischen 2008 und 2010 gerade einmal 170 neue Sozialmietwohnungen.
Auch der in Deutschland ab Ende der neunziger Jahre um sich greifende Handel mit großen „Mietwohnungsport­folios“ ließ die Handlungsspielräume zahlreicher Gemeinden weiter schrumpfen. Insgesamt wurden zwischen 1999 und 2011 bei 332 Verkäufen von großen Wohnungsbeständen rund zwei Millionen Wohnungen verkauft; etwa jede fünfte stammte aus Beständen von Kommunen oder Wohnungsunternehmen mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung.
Das zentrale Motiv lag im Ausgleich überschuldeter Gemeindehaushalte. Bezeichnenderweise konzentrierten sich die Transaktionen daher auf das Ruhrgebiet und nord- und ostdeutsche Städte. Die bisherigen Erfahrungen sind überaus kritisch. Zwar konnten, wie in  Kiel,  einzelne Haushalte konso­lidiert werden. Es wurde aber auch auf schmerzhafte Weise klar, dass die Erwerbsstrategien großer Finanzinvestoren eben doch nicht mit dem kommunalen Interesse am Erhalt eines stabil preiswerten und sorgfältig instand gehaltenen Mietwohnungsbestandes für untere Einkommen kompatibel sind – trotz anders lautender Zusicherungen. In einem Erfahrungsaustausch des Deutschen Städtetags hierzu klagten die Städte u.a. über „erhebliche Mieterhöhungen, das Fehlen von Ansprechpartnern für die Städte und Mieter, rückläufige bzw. ausbleibende Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie die sinkende bzw. fehlende Bereitschaft, sich an Maßnahmen zur Quartiersaufwertung zu beteiligen“. Oft wurden die Bestände auch weiterverkauft, zum Teil mehrfach.
Doch es regt sich Widerstand. Der Verkauf von knapp 48.000 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft in  Dresdeni  an den Investor Fortress löste eine große öffentliche Diskussion aus; die Privatisierung der Wohnungsbestände  Freiburgsi  2006 wurde durch einen Bürgerentscheid verhindert. Das wachsende kritische Medieninteresse hat größere Wohnungsverkäufe politisch sehr viel schwerer durchsetzbar gemacht. Allerdings sind sie in jüngster Zeit erneut wieder auf die Tagesordnung geraten, z.B. bei der durch die EU-Kommission geforderten Veräußerung der Wohnungsbestände der Landesbanken in Bayern und Baden-Württemberg.
Eine dringende Notwendigkeit: belegungsgebun­dene Wohnungen
Die Schere zwischen dem vor allem in Wachstumsregionen drastisch sinkenden Angebot und der Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum öffnet sich immer weiter. Dabei steigt die Zahl von Haushalten mit Niedrigeinkommen und Transferleistungsbezug laufend. 2009 mussten allein rund 12 Prozent aller Haushalte unmittelbar finanzielle Hilfen für ihre Wohnraumversorgung in Anspruch nehmen: Vier Millionen „Bedarfsgemeinschaften“ bezogen Unterkunftsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, eine weitere Million Haushalte Wohngeld. Die Zahl armutsgefährdeter Personen insgesamt (Armutsquote 2009: 15,6 Prozent) liegt noch viel höher.
Anfang der neunziger Jahre brachte der Deutsche Städtetag eine Quote von 20 Prozent belegungsgebundener Wohnungen am jeweiligen kommunalen Wohnungsbestand in die Diskussion, um die Wohnungsversorgung der wachsenden Gruppe einkommensschwächerer Menschen zu sichern. Inzwischen würde man angesichts der immer weiter divergierenden Wohnungsmärkte wohl nicht mehr eine pauschale, sondern eine nach den örtlichen Verhältnissen differenzierte Quote empfehlen. 20 Prozent wären heute eine nur noch von wenigen Kommunen zu erreichende Zielgröße. Aber auch unter Pragmatikern wird häufig eine Schwelle von zehn Prozent genannt, die nicht unterschritten werden sollte. Nach einem durch die Stadt München 2010 dokumentierten Städtevergleich lag  München  mit 10,5 Prozent belegungsgebundener Wohnungen 2008 gerade (noch) oberhalb dieses Grenzwertes, während  Nürnberg  und  Stuttgart  diese Marge schon weit unterschritten hatten. Ohne Gegensteuerung wird sich hier die gefährliche soziale Sprengkraft noch erhöhen.
Ohne Zweifel hat das Thema soziale Wohnraumförderung auf kommunaler Ebene in den vergangenen Jahren wieder mehr an Bedeutung gewonnen. Dies hat nicht zuletzt mit dem ge­nerellen und grundlegenden Umbau der Wohnungspolitik im letzten Jahrzehnt zu tun. Die Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderung wurde im Zuge der Föderalismusreform von 2006 vom Bund auf die Länder übertragen, die seitdem für die Gesetzgebung und Finanzierung dieser Aufgabe zuständig sind. Der Bund leistet bis 2013 Kompensationszahlungen an die Länder in Höhe von 518,2 Millionen Euro jährlich, über etwaige Finanzhilfen bis 2019 wird noch verhandelt. Angesichts wachsender Wohnungsnotstände in den Kommunen fordern der Deutsche Städtetag und die einschlägigen Verbände mit allem Nachdruck, dass der Bund die bisher geleis­teten Zahlungen über 2013 hinaus in unveränderter Höhe fortführt.
Die Föderalismusreform schloss an die Reform des Wohnungsbaurechts von 2001 durch das Wohnraumförderungsgesetz an. Dieses fasst die Versorgung von unterstützungsbedürf­tigen Haushalten durch Neubau, Modernisierung und den Ankauf von Belegungsrechten zusammen. Neben den Ländern werden auch die Gemeinden sehr viel stärker als zuvor in die Wohnraumversorgung einbezogen. Während sich mit diesen Reformen die Gestaltungsspielräume auf kommunaler Ebene auf der einen Seite grundsätzlich vergrößerten, haben sich auf der anderen Seite die finanziellen Spielräume verschlechtert.
Aktive Mischungspolitik durch „Förderquoten“?
Quer durch die Republik ist nach Jahren wohnungspolitischen Stillstands gegenwärtig ein deutliches Bemühen zu verzeichnen, den sich verschärfenden Problemen durch verstärkten Neubau öffentlich geförderter Wohnungen, Ankauf von Belegungsrechten und Erhalt eines möglichst großen Bestands an preiswerten Wohnungen entgegenzuwirken.
 Hamburg  etwa hat sich in der Ende 2011 geschlossenen Vereinbarung „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ zwischen dem Senat und den Wohnungsunternehmen zum Ziel gesetzt, „durch die Anhebung der Programmzahlen im geförderten Mietwohnungsbau die Zahl der Neubaumietwohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen deutlich zu steigern“. Die Zahl geförderter Neubaumietwohnungen soll von 1200 auf 2000 jährlich erhöht werden. Neu ist, dass sich mit solchen Zielen, wie Baustaatsrat Michael Sachs unterstreicht, zunehmend sozialräumliche Mischungsziele verknüpfen: „Wir wollen Sozialwohnungen nicht nur dort, wo die Armen eh schon wohnen. Jedes größere Bauprojekt soll in Zukunft aus 30 Prozent öffentlich gefördertem Wohnraum bestehen.“ 
Zu der neuen Sensibilität für soziale Fragen im Wohnen gehört auch die erhöhte Aufmerksamkeit für die Entwicklung von Segregation in den verschiedenen Stadtteilen. Der Frankfurter Wohnungsmarktbericht 2010 vermerkt zwar befriedigt, dass  Frankfurt  in einem Vergleich der Segregationsindizes von 45 Städten durch das BBSR 2008 nach Heidelberg die zweitgeringste ethnische Segregationsrate aufwies, konstatiert aber demgegenüber ein besorgniserregendes Ansteigen sozialer Segregation, nach der „Empfänger von Leistungen nach SGB II verstärkt in Gebieten mit überdurchschnittlichem Bestand an Sozialwohnungen“ wohnen. Zur sich gegenwärtig entwickelnden Frankfurter Mischungspolitik gehört, wie Stadtrat und Planungsdezernent Edwin Schwarz bekräftigte, dass im neuen Stadtquartier „Europaviertel“ mit geplanten 3500 Wohnungen auf dem Gelände des ehemaligen Frankfurter Rangierbahnhofs ein Anteil von 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau verwirklicht werden soll.
 München  als Stadt mit den höchsten Immobilienpreisen und dem größten Nachfragedruck auf den Wohnungsmärkten ist zugleich die Stadt, die bereits seit langem und mit besonderer Konsequenz immer dann, wenn neues Baurecht geschaffen wird, die Umsetzung einer „Förderquote“ von 30 Prozent (bei städtischen Grundstücken sogar von 50 Prozent) für den preisgünstigen, geförderten Miet- und Eigentumswohnungsbau fordert. Mit Hilfe des Instruments der „Sozialgerechten Bodennutzung“ SoBoN (siehe Stadtbauwelt 195) wurden zwischen 1994 und 2009 Baurechte für ca. 31.000 Wohnungen, darunter 8500 geförderte Wohnungen geschaffen. Der Erhalt der „Münchner Mischung“ und eine „aktive Gegensteuerung“ zu den über den Markt vermittelten drastischen Entmischungsprozessen haben hohe Priorität. Ende 2011 kündigte OB Christian Ude die „Wohnungsbauoffensive 2012–2016“ an, die das bisherige Maßnahmenspektrum noch erweitern soll. Danach sollen die Förderquoten auf städtischen Flächen und im Rahmen der SoBoN, insbesondere in Umstrukturierungsgebieten, durch das Angebot eines Ankaufs von Grundstücken durch die Stadt oder ihre Wohnungsgesellschaften auf bis zu 50 Prozent erhöht werden können. Außerdem sind künftig für Genossenschaften und Baugruppen auf städtischen Flächen feste Anteile zwischen 20 und 40 Prozent der neuen Wohnungsbauprojekte vorgesehen.
Seit dem Frühjahr 2011 hat auch  Stuttgart  durch Gemeinderatsbeschluss mit dem „Stuttgarter Innenentwicklungsmodell“ (SIM) eine Förderquote eingeführt. Sie soll der „Sicherung einer sozial ausgewogenen und städtebaulich qualifizierten Bodennutzung in der Innenentwicklung“ dienen und sieht bei neuen Wohnbauprojekten ab fünf bzw. 15 Wohneinheiten eine Quote von 20 Prozent gefördertem Wohnraum vor. Das Instrument war politisch und in Teilen der Wohnungswirtschaft stark umstritten und soll nach einer zweijährigen „Pilot- und Dialogphase“ unter Beteiligung der Stuttgarter Bau- und Immobilienwirtschaft evaluiert werden.
Inzwischen haben zahlreiche Städte – u.a. Heidelberg, Regensburg, Nürnberg, Freiburg, Aachen – ähnliche „Förderquoten“ eingeführt. Sie variieren in der Höhe (in den genannten Städten zwischen 15 und 30 Prozent) und nach den Anteilen für Miet- oder Eigentumsförderung bzw. nach der Förderung von Wohnungen für einkommensschwache Zielgruppen oder Mittelschichten und „Schwellenhaushalte“.
Mischung – im Quartier, im Block, im Haus?
Die Frage, die Städtebauer und Sozialforscher dabei seit langem und immer wieder beschäftigt, ist: Auf welcher städtebaulichen Maßstabsebene, in welcher städtebaulichen „Körnung“ ist die allseits erstrebte „Mischung“ am sinnvollsten, am wirkungsvollsten? Und in welchem Verhältnis sollen dabei heterogene und homogene Strukturen zueinander stehen – im Quartier, im Block, im Haus?
Einer der wichtigsten Beiträge zu diesem Thema wurde schon 1961 in den USA von dem Sozialforscher Herbert J. Gans unter dem Titel „The balanced Community: Homogeneity or Hete­rogeneity in Residential Areas?“ publiziert. Gans wägt die Vor- und Nachteile von Homogenität und Heterogenität ab und kommt zu dem Schluss, „ihre extremen Formen“ seien „gleichermaßen unerwünscht“. Als Ergebnis definiert er ein „Ideal“, in dem „ausreichende Homogenität“ gegeben sein sollte, um Konflikte zu verhindern und positive Beziehungen mit den Nachbarn aufzubauen, und zugleich „genügend Heterogenität, (...) um auch einer gewissen Vielfalt Raum zu geben“. Doch wisse „zurzeit (...) niemand, wie man diese Lösung operational definieren soll“.
Auch wenn sich die gesellschaftlichen und wohnungspolitischen Rahmenbedingungen seit 1961 zum Teil grundlegend verändert haben – über diese Frage wird heute noch gegrübelt. Die Grenzen aller städtebaulichen Mischungspolitik hat Herbert J. Gans jedenfalls schon damals auf gültige Weise benannt, wenn er davor warnte, gesellschaftliche Ungleichheit allein durch eine Verbesserung der baulichen Umwelt und ein „Durcheinanderwürfeln“ der Gesellschaftsschichten „ausbügeln“ zu wollen. 2011 kam eine umfassend angelegte Schweizer Studie zu der Frage „Soziale Mischung und Quartiersentwicklung“ zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen. Die Sorge um Teilhabe, um Wahlmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt, um das „soziale Profil eines Gemeinwesens“ und um soziale Mischung sei in einer demokratischen Gesellschaft ein „Muss“. Auf der anderen Seite gelte es aber auch „anzuerkennen, dass ein sozial durchmischtes Quartier keine Lösungen für Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung bietet und da-mit auch nicht die negativen Begleiterscheinungen sozio-ökonomisch segregierter Quartiere zu beseitigen vermag“. Ob ein segregiertes Quartier auch zu einem Ort der sozialen Ausgrenzung und damit der erzwungenen Segregation werde, entscheide sich „weit weniger an seiner Bevölkerungsstruktur als an den Teilhabemöglichkeiten in den gesellschaftlichen Teilsystemen wie Schule, Bildung, Arbeit, Wohnen, Freizeit etc.“ In der Praxis sei soziale Mischung „eine Frage der Maßstäblichkeit“. Je größer das Gebiet, desto größer sei auch die soziale und politische Akzeptanz sozialer Mischung. „Je kleinräumiger hingegen das Gebiet, desto problematischer wird nicht nur die Umsetzung, sondern umso fragwürdiger wird auch das Postulat der sozialen Mischung.“
Kommunen und Wohnungswirtschaft experimentieren hierbei auf ganz unterschiedlichen Maßstabsebenen:
Im Quartier...
Hamburg, hierauf wurde bereits hingewiesen, justiert gegenwärtig seine Mischungspolitik nach. In der  Hamburger HafenCity,  derzeit Deutschlands größtes Stadterweiterungsgebiet, kamen in den ersten Bauabschnitten – zusammen mit ei­nem Anteil an Baugemeinschaften und Baugenossenschaften – fast ausschließlich Anbieter von hochpreisigen Eigentums- und einigen Mietwohnungen zum Zug. Der damalige „Wohnungsbaubeauftragte der Freien und Hansestadt Stadt Hamburg“ Michael Sachs führte diese Entwicklung 2010 auf den anfänglich noch fehlenden „wohnungspolitischen Willen zum Bau von Sozialwohnungen“ zurück: „Man wollte da keine Sozialwohnungen“, und im Endeffekt habe dies zu einer einsei­tigen Belegung und „Konzentration der besser Verdienenden“ geführt. Inzwischen habe man dies korrigiert und strebe – ne­ben einer feinkörnigen Nutzungsmischung – einen höheren Anteil preisgünstiger Wohnungen an. Im Quartier am Lohsepark werden nun erstmals auch geförderte Sozialwohnungen entstehen. Diese Korrektur war überfällig: Noch 2010 kritisierte der „Zukunftsrat Hamburg“, ein parteiübergreifender Verband mit Mitgliedern vom Deutschen Gewerkschaftsbund bis zur Architektenkammer, in einer von den Medien aufmerksam rezipierten Studie die HafenCity unter dem Gesichtspunkt sozialer Nachhaltigkeit als hoch defizitär. Insgesamt bewertete er das bis zu diesem Zeitpunkt gebaute Quartier ausdrücklich als „Reichenviertel“ und kritisierte vor allem die „starke Einseitigkeit der Anwohnerstruktur“, nachdrücklich wurde eine stärkere soziale Mischung der Bewohnerschaft empfohlen.
Geht es in der HafenCity um eine Ergänzung des Anwohnerspektrums aus Mittel- und Oberschichten durch weniger einkommensstarke Gruppen, hat sich die  IBA Hamburg,  wie ihr Geschäftsführer Uli Hellweg im Interview unterstrich, bei ihrem „Sprung über die Elbe“ gerade umgekehrt die Aufwertung bislang stark vernachlässigter, armer Stadtteile wie Wilhelmsburg und Veddel zum Ziel gesetzt. Sie stimuliert dabei – im Sinne stärkerer sozialer Mischung – den Zuzug auch einkommensstärkerer Schichten. Die durch die IBA in der Zwischenpräsentation 2010 vorgestellten rund 50 Projekte reichen von der Aufwertung öffentlicher Räume über eine kreative Quartiersentwicklung und energetische Maßnahmen bis zu neuen Modellen integrativen Wohnungsbaus, zu einer Bildungsoffensive sowie zu praktischen Beschäftigungs- und Ausbildungsprojekten für Jugendliche.
Auf Quartiersebene die richtige Balance zwischen ei­nem „Zuwenig“ und einem „Zuviel“ an öffentlich gefördertem Wohnraum zu finden, gehört zu den schwierigsten Herausforderungen gegenwärtiger kommunaler Mischungspolitiken. In  München-Riem,  einem der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas, überschritt man zunächst im neuen Stadtteil, im Bemühen um hohe Sozialwohnungsanteile, mit bis zu 72 Prozent gefördertem Wohnungsbau in einzelnen Teilgebieten das richtige Maß. Nach massiver öffentlicher Kritik wurde 2006 korrigiert: Künftig sollte auf städtischen Flächen eine Marge von 50 Prozent gefördertem Wohnungsbau (davon 30 Prozent einkommensorientierte Förderung) nicht mehr überschritten werden.
Im Block...
Trotz der bekannten Neubauprojekte auf Konversionsflächen – die Hauptaufgaben, auch was den Erhalt sozialer Mischung betrifft, liegen im Bestand.
Die Stadt  Tübingen  hat 2004 im Quartier  „Stuttgarter Straße“  ein besonders ambitioniertes, sozial integratives Mischungsprojekt auf Blockebene gestartet, das den sozialen Brennpunkt umfassend aufwerten soll. Hier hatte sich nach dem Abzug der französischen Truppen in den um drei Höfe gruppierten Garnisonswohnblöcken vor allem aufgrund einer falschen Belegungspolitik ein „Problem-Mikrokosmos“ aus kinderreichen Familien mit geringen Einkommen, Flüchtlings­familien, Asylbewerbern und Spätaussiedlern gebildet, der durch hohen Vandalismus, Vernachlässigung der Freibereiche und den schlechten Zustand der nicht renovierten Wohnungen charakterisiert war. Das Aufwertungskonzept sah die Mischung unterschiedlicher Einkommens- und Bildungsgruppen vor, aber – auf der Basis eines partizipatorischen Planungs- und Beteiligungsprozesses – auch den Erhalt kultureller und ethnischer Vielfalt sowie die Sicherung eines ausreichend großen Bestandes an preiswertem Wohnraum. Die Beteiligten entschieden sich dafür, jeweils innerhalb der Höfe durch einen Mix an unterschiedlichen Architekturen, Wohn- und Eigentumsformen stark gemischte Bewohnerstrukturen zu realisieren. Der Bauprozess ist noch nicht endgültig abgeschlossen, aber die bisherigen Ergebnisse zeigen, wie der verantwortliche Planer der Stadt für diesen Bereich, Markus Staedt, resümierte, dass Baugemeinschaften mit ihrer „hohen Integrations- und Innovationskraft“ mehr und mehr zu „wichtigen Partner“ der Städte auch bei der Herstellung gelungener sozialer Mischung werden können.
Eine aktive, ja „offensive Mischungspolitik“ (Wohnbau Lörrach) wurde auch zum zentralen Instrument der Stabilisierung eines hochstigmatisierten Neubaugebiets aus den neunziger Jahren in  Lörrach Stetten-Süd.  Nach dem Konkurs ei­nes privaten Investors übernahm 2006 die Wohnbau Lörrach4 128 Wohnungen in einem Gebiet, das durch eine extrem einseitige Belegungspolitik mit Spätaussiedlern, durch verhaltens­auffällige Jugendliche, Brandstiftungen u.Ä. einen außerordentlich schlechten Ruf hatte. Innerhalb weniger Jahre gelang es, das Gebiet zu stabilisieren: durch durchgreifende Moder­nisierungsmaßnahmen, eine behutsame, auf gemischte Nachbarschaften zielende Belegungspolitik, die Aufwertung des Wohnumfeldes, ergänzende Infrastruktureinrichtungen (Bau von Gemeinschaftsräumen, Kinderkrippe etc.) und die Förderung zahlreicher sozialer Aktivitäten (Sprachförderung, offene Kinder- und Jugendarbeit etc.), aber auch durch den (ergänzenden) Neubau von hochwertigen Mietwohnungen.
Der eigentliche Schlüssel zum Erfolg liege, so Willi Brunen, Leiter des Sozialmanagements der Wohnbau Lörrach, ne­ben der Bereitschaft, Geld in die Hand zu nehmen, in einer „konsequenten Bewirtschaftungspolitik“. In Lörrach steht ein eigener „Aktionsfonds“ für die Unterstützung von Bewohneraktivitäten zur Verfügung. Neben den Maßnahmen des Sozialmanagements kommt, so Brunen, insbesondere den Hausmeistern eine Schlüsselrolle zu, die als „Ansprechpartner vor Ort, als ‚Frühwarnsystem‘, Helfer in der Not, Sicherheitsbeauftragte, Konfliktmananger und Animateure“ fungieren.
Im Haus...
In der Praxis vor Ort kann also – und dies steht durchaus in erkennbarem Gegensatz zur Skepsis der meisten Sozialwissenschaftler – auch eine kleinteilige Mischung, sogar auf der Maßstabsebene des einzelnen Hauses, zu einem Instrument erfolg-
reicher Mischungspolitik werden.
Dies war auch die Erfahrung der Wohnbau Lörrach im Rahmen der Aufwertung eines weiteren Gebietes „mit besonderem Erneuerungsbedarf“, der aus den 1960er/70er Jahren stammenden  Siedlung auf dem Oberen Salzert in Lörrach  mit einem hohen Sozialwohnungsanteil. Die Siedlung und insbesondere vier Hochhäuser, in denen sich die Wohnungen mit langfristigen Belegungsbindungen konzentrierten, befanden sich vor Beginn der Restrukturierungsmaßnahmen 1999 im Zustand eines fortschreitenden baulich-sozialen Niedergangs. Kein Bewohner sollte durch die Sanierung und die damit einhergehende Aufwertung verdrängt werden. Deshalb nutzte man die hohe Fluktuationsrate, um die Sozialstruktur zu verbessern. Einen besonderen Mischungsakzent setzte der Bau von insgesamt vier hochwertigen, im Mietpreis im Vergleich zu den übrigen Mietwohnungen im Haus etwa doppelt so teuren Penthousewohnungen auf zwei der Hochhäuser – ein Unterfangen, dem in der Fachwelt mit großer Skepsis begegnet wurde. Doch das Verfahren unter intensiver Beteiligung der Bewohner hat sich bewährt, und die Penthousewohnungen sind „unter einkommensstarken Angehörigen der sogenannten ‚kreativen Klasse‘ besonders begehrt“. Auch in diesem Fall war die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg das konsequente Quartiers- und Sozialmanagement, dessen Symbol im Gebiet Salzert das für zahlreiche Aktivitäten genutzte neue Gemeinschaftshaus wurde. Eine „funktionierende“ kleinteilige soziale Mischung im Haus bedarf also in aller Regel eines übergreifenden, sozial stabilisierenden Quartierszusammenhangs, vor allem aber der gestaltenden und in einen partizipatorischen Prozess eingebundenen Betreuung durch das jeweilige Wohnungsunternehmen.
 Zusammenfassend lässt sich resümieren, dass es in der Frage der sozialen Mischung auf Haus-, Block- oder Quartiers­ebene keine endgültigen Antworten gibt – und wohl auch nicht geben kann. Gemeinden und Wohnungsbaugesellschaften experimentieren in wachsendem Maß mit unterschiedlichsten Projekten. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass „Mischung“ in der Regel umso mehr Fingerspitzengefühl, Einsatz und vor allem Bereitschaft zur aktiven Beteiligung der Bewohner auf Seiten der Projektentwickler erfordert, je feinkörniger und kleinteiliger sie konzipiert wird. Allen Beispielen erfolgreicher Mischung lag – und liegt – engagiertes kommunalpolitisches Handeln zugrunde sowie ein sozialpolitisch und städtebaulich-wohnungspolitisch motivierter Wille zu aktiver Mischungspolitik, die die vorhandenen Instrumente ausschöpft – manchmal auch schon verbunden mit Ansätzen einer neuen Beteiligungskultur.

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