Bauwelt

„Es geht um den ästhetischen Genuss“

Interview mit Sergei Tchoban

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

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Foto: Michaela Schöpke

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„Es geht um den ästhetischen Genuss“

Interview mit Sergei Tchoban

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

Sergei Tchoban im Gespräch über das Museum für Architekturzeichnung
Herr Tchoban, wenn sich ein Kollege für Ihr Büro bewirbt – ist es für Sie wichtig, dass er zeichnen kann?
Ich halte Zeichnen nicht für den einzigen Weg zur Architektur. Aber es lässt doch erkennen, wie intensiv sich jemand zu dem Beruf hingezogen fühlt, welche Art von Architektur er mag. In die heute üblichen, aufwendigen Darstellungstechniken spielt immer der Zeitgeist mit hinein. Beim Zeichnen kommt dagegen die jeweilige Persönlichkeit zum Vorschein.
Hat Zeichnen mit Fleiß zu tun, oder ist es eine Frage von Talent?
Fleiß allein wird nie reichen, wenn da nicht eine tiefe Neigung zu dieser Form des Ausdrucks vorhanden ist.
Im Katalog Ihrer Ausstellung im Frankfurter DAM findet sich der Satz: „Bei mir sind die Zeichnungen und meine Arbeit als Architekt zwei Wege, die sich trennen.“
Man kann ja als Architekt nie alle seine Träume und Visionen umsetzen. Da bietet das Zeichnen eine zusätzliche Ebene, auf der Phantasie sich weiter austoben darf. Nicht umsonst hat sich in der langen Baukulturgeschichte die Architekturzeichnung als eigenes Kunstgenre etabliert – mit manchmal starkem Hang zur Selbstständigkeit, ja zur Abstraktion, wenn man an die Entwürfe der Konstruktivisten denkt. Die bedeutendsten Zeichner haben übrigens wenig oder gar nichts gebaut – Piranesi ist dafür das beste Beispiel.
Sammeln Sie mit wissenschaftlichem Ehrgeiz, oder aus reiner Freude am einzelnen Blatt?
Es geht um den ästhetischen Genuss. Selbst aus größeren Konvoluten habe ich nur solche Highlights gewählt, die mich persönlich begeistern. Ich finde es übrigens bemerkenswert, dass, bei guter Pflege, gezeichnete Visionen länger überdauern können als Bauwerke selbst.
Ihre realisierten Bauten geben sich oft erzählerisch. Ihr Museum haben Sie mit Zeichnungsfragmenten regelrecht umkleidet. Sind Ihnen die klassischen Codes der Architektur zu unsinnlich?
Gute Architektur sollte bei der Annäherung immer noch neue Facetten eröffnen. Da hat die Moderne einiges verlernt. Erzählerische Momente verlangen ja auch besondere Sorgfalt im Detail, gerade deshalb tragen sie zur längeren Wertschätzung eines Gebäudes bei. Man braucht sich nur hier auf dem alten Fabrikgelände um­zuschauen: Lauter detailverliebte Backsteinfassaden – jede Menge Futter fürs Auge.
Da spricht Architektur über Material, womöglich über ihre Statik. Sie haben dagegen Gewerbebauten mit Figurinen geschmückt, am Berliner Alexanderplatz eine komplette Fassade mit einem Döblin-Zitat beschriftet. Ihre Häuser erzählen ganz bildhaft von ihrem Ort. Droht da nicht Populismus?
Unsere Museumsfassade soll darauf anspielen, dass am Beginn jeder Baumaßnahme eine künstlerische Idee steht. Wir wollen einen Dialog mit dem Betrachter anstoßen. Populistisch wird solch ein Dialog doch erst, wenn er ohne Intelligenz oder Witz abläuft. Und natürlich gibt es auch hier noch eine „verborgene“ Bedeutung: Was Sie da sehen, sind u.a. Details von der ersten Zeichnung, mit der ich meine Sammlung begann – ein Blatt von Pietro di Gonzaga, frühes 19. Jahrhundert. Das haben wir gescannt und vergrößert, wobei das Abenteuer darin bestand, die feinen Unschärfen des Originals adäquat in die Matrize für den Betonguss zu übersetzen.
Wird Ihre Sammlung hier nun als Dauerpräsentation gezeigt?
Sie wird hier ihre Heimstatt haben, aber das Haus ist ausdrücklich für Gastpräsentationen gedacht. Wir planen drei Ausstellungen pro Jahr, Gespräche gab es schon mit der École des Beaux Arts in Paris, dem MoMa und natürlich dem Schtschussew-Museum in Moskau. Unsere konservatorischen Bedingungen sind besser als in den meisten Altbauten, in denen solch sensible Kollektionen normalerweise bewahrt werden. So können wir jetzt von Piranesi wirklich die kostbaren Originale zeigen, während sie im Sir John Soane’s Museum in London normalerweise im Depot bleiben müssen.

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