Architekten scheuten die Forschung, befindet Frei Otto im Buch „Form follows Nature“. Die Ausstellung zum unlängst erschienenen, vom Architekten Rudolf Finsterwalder herausgegebenen Band (Rezension s. Seite 35), die derzeit in der Berliner Galerie Aedes zu sehen ist, scheint an genau dieser These anzusetzen, sie einerseits widerlegen, sie andererseits mit dem ihr eigenen Lockruf untermauern zu wollen.

Fast fühlt sich der Besucher in ein Kabinett des Naturkundemuseums versetzt. Zwei schlichte Stahlregale stehen sich gegenüber, in ihnen einsortiert, und zwar so sorgsam wie von Forschern, unterschiedliche Modelle: zu Entwürfen von Frei Otto im vorderen, zu Studien von Rudolf und Maria Finsterwalder im hinteren Regal. Neben den Regalen steht jeweils ein Tisch mit einem Hocker, darauf eine Art Karteikasten, in dem sich jedes Modell numeriert, bezeichnet
und erläutert findet. An der Seitenwand aufgespannt, runden Bilder des Künstlers Carsten Nicolai, die den geometrischen Gesetzen des Funkensprühens nachgehen, die Ausstellung ab.
Ihr Reiz liegt, jenseits ihrer präzisen Konzeption, vor allem im Gegenüber der Modelle; sie zeigen das Konstruieren nach der Natur in zwei unterschiedlichen Stadien des architektonischen Schaffens. Während Frei Ottos Modelle vornehmlich realisierte Projekte und ihre konstruktiven Details reflexiv darstellen, stehen bei den Finsterwalders Studien im Vordergrund, die den Anfang eines Entwurfsprozesses markieren, der, wie im Fall der Kirche für Olevano Romano, noch nicht in eine Realisierung gemündet ist: Einblick in ein Archiv und Einblick in eine Werkstatt also sind bei Aedes gewährt.