Bauwelt

Gartenkunst in Deutschland

Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart

Text: Reimers, Brita, Berlin

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Gartenkunst in Deutschland

Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart

Text: Reimers, Brita, Berlin

3,4 Kilogramm „Gartenkunst in Deutschland“, ein in jeder Beziehung gewichtiges Buch, das einen Meilenstein in der Geschichte des Gartens darstellt, indem es dem Gegenstand zu erneutem Ansehen verhilft.
Lange in der Bedeutungslosigkeit versunken, ist seit einigen Jahren ein Gartenboom zu beobachten, der sich möglicherweise aus einem Gefühl des Mangels angesichts unseres naturfernen Lebens erklärt. Von Marketingstrategen geschickt aufgegriffen, werden Gärten zum Event degradiert, und es erscheint eine Flut von Gartenbüchern und -zeitschriften, die kaum die Bezeichnung populärwissenschaftlich verdienen. Die öffentliche Hand setzt dem in ihrer Freiraumplanung kaum etwas entgegen, wobei knappe Kassen die freundwilligste Erklärung bieten. Umso gravierender, dass ein halbes Jahrhundert nach dem Standardwerk von Hennebo/Hoffmann „Die deutsche Gartenkunst“ jetzt ein umfassendes Handbuch erschienen ist, das vom kunst­historischen Institut der Universität in Düsseldorf ausgeht.
Den Zeitraum von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart berücksichtigend, basiert das Gesamtkonzept des Überblickwerkes auf einer transdiziplinären Darstellung. In 29 reich bebilderten Beiträgen, klar gegliedert in 8 Kapitel, stellen Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen den aktuellen Wissensstand dar und zeigen Perspektiven und Desiderate der Forschung auf. Auch wenn über die Hälfte der Autoren Kunsthistoriker sind, schreiben auch Landschaftsarchitekten, Literatur- und Musikwissenschaftler, eine Agrarwissenschaftlerin und ein Historiker.
Die ersten Kapitel entwirren den bis heute häufig synonym benutzten Begriffswald von Gartenkunst, Gartenbau, Gartenbaukunst, Gartenkultur, Landschaftsarchitektur etc. und zeigen, wie schwer man sich tat, den aufgrund seiner lebendigen Vegetation ephemeren Gegenstand zu den Künsten zu zählen, so dass er auch in der Kunstgeschichte ein Schatten­dasein führte, wie die dürftig und lückenhaft bestückten Regalbretter der Bibliotheken auf den ersten Blick offenbaren. Eine adäquate kunsthistorische Betrachtung der Pflanzenverwendung fin­det sich darunter gar nicht. Das holt Clemens Alexander Wimmer jetzt mit seinem Beitrag nach, während Brunhilde Bross-Burkhardt über die Biodiversität in Parks und Gärten schreibt. Eine neue Unterscheidung der beiden grundlegenden Gartenformen, des Barock- und Landschaftsgartens, schlägt Stefan Schweizer vor, wenn er sie aus der Perspektive des Raumes betrachtet. Andere Autoren behandeln die Professions- und Institutionengeschichte, die Sozial- und Wirtschafts­geschichte und die Pflanzen-, Technik- und Wissenschaftsgeschichte des Gartens. Es geht um Bauwerke, Skulpturen, Schriftzüge und ikonografische Gartenprogramme sowie den Garten in der Philosophie, der bildenden Kunst, Literatur, Musik und im Film.
Mit der Verschiebung des Aufgabenfeldes zugunsten öffentlicher Anlagen mit ihrer sozialen Funktion und städtebaulichen Relevanz hat sich der Begriff der Gartenkunst in Landschaftsarchitektur verwandelt. Durch Industrie- und Stadtbrachen ergeben sich heute neue Tätigkeitsfelder für Landschafts­architekten, wobei das wachsende ökologische Bewusstsein neue Visionen verlangt. Der sich in den letzten Jahren markant verstärkende theoretische Anteil des Studienganges erscheint als Ausdruck eines zunehmenden Selbstbewusstseins des Faches. Insofern ist das vorliegende Buch nicht nur grundlegend und notwendig für die gegenwärtige und zukünftige Praxis, sondern auch ein fundierter Anknüpfungspunkt zu weiterer Theoriebildung. Und vielleicht wirft man dann doch mal einen Blick über die westliche Grenze, wo Erben des großen Gartenkünstlers André Le Nôtre, Landschaftsarchitekten wie Pascal Cribier oder der auch theoretisch arbeitende Gilles Clément, die bildende Kraft der Natur respektieren und im Dialog mit ihr poetische Werke schaffen – ephemer, ohne abgeschlossenen Werkcharakter und ohne eindeutigen Urheber. Von ihnen könnte man auch eine dem lebendigen Gegenstand adäquate Buchgestaltung lernen.

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