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„Gibt es ein Recht auf Wohnen in München?“

Neun Architekten im Bauwelt-Gespräch

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Geipel, Kaye, Berlin

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Diskussion am 13. Julil 2012 auf dem Dach der TU München
Foto: Andrea Altemüller

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Diskussion am 13. Julil 2012 auf dem Dach der TU München

Foto: Andrea Altemüller


„Gibt es ein Recht auf Wohnen in München?“

Neun Architekten im Bauwelt-Gespräch

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Geipel, Kaye, Berlin

Der boomende Immobilienmarkt spaltet die Stadt – auf der einen Seite diejenigen, die eine Wohnung besitzen, auf der anderen Seite diejenigen, die eine Wohnung suchen. Ist München diesem Markt ausgeliefert? Vor allem: Ist die strukturelle Innovationskraft der gemischten Stadt am Ende? Welche Rezepte gibt es für eine Situation, die vom knappen Gut Wohnung geprägt ist?
Architekten sind nur Akteure unter vielen, aber sie stehen mittendrin. Wir haben neun Architektinnen und Architekten, die sich mit Wohnbau beschäftigen, zum Streitgespräch an einen Tisch gebeten und ein ungeschminktes Bild der Produktionsbedingungen erhalten. Die Technische Universität bot uns auf dem Dach ihres Hauses einen Ort mit Blick ins Weite.

Das Thema „Wohnungsnot“ bestimmt in München die Schlagzeilen bis hinein in die Boulevardpresse. Wie konkret werden Sie in Ihrer Rolle als Architekten mit den Fragen des bezahlbaren Wohnens konfrontiert?


Johann Spengler | Unser Büro macht viel im Sozialen Wohnungsbau. Wir haben aber jetzt auch an der entgegen gesetzten Ecke des Spektrums eine Reihe von Häusern mit sehr teuren Wohnungen geplant. Da war es für uns schon eine Umstellung, dass wir nun Wohnungen planen, mit Kaufpreisen von bis zu 15.000 Euro pro Quadratmeter, von denen jeder im Büro weiß, so etwas wird er nie in seinem Leben bewohnen. Früher hat man beim Entwerfen ja daran gedacht, wie man gerne selber wohnen würde. Heute stellen wir fest, dass wir für eine Klientel arbeiten, deren Bedürfnisse und Ansprüche komplett andere sind.
Karin Schmid | Wir erleben den Wohnungsbau als sehr stark determiniert. Einerseits bauen wir Wohnungen, die weit vor Baubeginn, vom Blatt weg, zu einem sehr hohen Anteil abverkauft sind und man zu einem frühen Zeitpunkt bereits mit den Sonderwünschen der Käufer konfrontiert ist. Dem steht das fürsorgliche Denken des Wohlfahrtsstaates im geförderten Wohnungsbau gegenüber, wo alles genau festgelegt ist, und die Programme knapp und sehr stark vorgeschrieben sind.

Die Schere und der Markt

Andreas Hild |
Es ist aber nicht so, dass die Programme im hochpreisigen Wohnungsbau weniger vorgeschrieben wären. Und zur Frage, dass ich als Architekt für Leute, für Situationen baue, in die ich selbst nie komme: Das ist doch relativ normal! Insofern habe ich mit dieser Sozialromantik, die Johann Spengler da hochhält, eigentlich keine Mühe. Eine Bauaufgabe beinhaltet für mich eine Problematik, eine Fragestellung, die an uns als Büro herangetragen wird, und die wir auf möglichst professionelle Weise abhandeln. Wenn ich immer Schwierigkeiten hätte, teure Wohnungen zu bauen …

Karin Schmid |
Das sehe ich nicht so. Es ist doch so, dass die Schere im Wohnungsbau in den letzten Jahren immer weiter auseinander geklafft ist. Wir sind damit konfrontiert, dass wir uns zu diesen Standards ganz oben und ganz unten auf der Skala verhalten müssen.

Andreas Hild | Ich weiß nicht, welche Bauten das Büro Steidle zurzeit im geförderten Wohnungsbau realisiert. Wenn man KomPro/A oder B (Erklärung S. 37) baut, heißt das ja auch nicht, dass man darin wohnen wird, sondern wie man innerhalb der Vorschriften ein Optimum erreicht.

Johann Spengler |
Wir machen auch KomPro/C-Wohnungen. Das sind Wohnungen für diejenigen, die direkt von der Straße kommen, die auf der Straße gelebt haben. Es gibt da eine sehr komplexe Einordnung in die verschiedenen Förderprogramme. Sozialromantik hin oder her, das schmerzt einen schon bei der Arbeit, wenn man sieht, wie hier bloß noch kategorisiert und eingeteilt wird.

Matthias Castorph | Der Arzt muss auch nicht alle Krankheiten am eigenen Leib erfahren haben, damit er helfen kann. Mein Problem liegt vor allem darin, dass bei den geförderten Wohnungen, wie bei den freifinanzierten, „der Patient“ überhaupt nicht mehr sichtbar wird. Und das hängt mit dem Boom zusammen. Wenn heute in München vom Blatt weg 90 Prozent aller angebotenen Häuser sofort verkauft sind, dann spielt das, was gebaut wird, keine Rolle mehr. Das Geschäft ist ja schon passiert. Verkauft werden die Bilder.

Peter Scheller | Dazu kommt, dass sich der Markt in München grundsätzlich verändert hat. München ist eine Residenzstadt, also mit einem klaren Zentrum und mit viel Umland. Die Stadt ist traditionell eine Mietwohnungsstadt. Früher gab es die sogenannten Renthäuser; Metzger und Schreinermeister haben sich für ihr Geld ein Grundstück gekauft und ein Haus gebaut, wo vierzig Wohnungen zur Miete drin waren, und das war die Altersversorgung. Das hat sich in den 70er- und 80er-Jahren total verändert. Weil das Kapital auf dem Markt nicht mehr sicher ist, geht es in Wohn- und Hauseigentum, die Renditen steigen. Und dadurch ist der freie, nichtgeförderte Mietwohnungsmarkt praktisch fast zum Erlie­gen gekommen beziehungsweise bei horrenden Preisen angelangt.

Andreas Hild |
Aber das hat auch damit zu tun, das es selbst für den Vertreter der Wohnungswirtschaft oder, wenn man so will, für den Kapitalisten ein Problem geworden ist, Mietwohnungen allein mit der Miete zu betreiben.

Peter Scheller | Der Grundstücksmarkt ist eben kaum mehr zu handlen – die Situation ist völlig festgefahren. Und die Bundesgesetzgebung reagiert nur noch scheinbar: Man macht Förderung für Mietwohnungsbau, man macht Abschreibungsmodelle für den Erwerb von Grundstücken. Die gibt’s aber nicht mehr, oder jedenfalls fast nicht mehr. Die Genossenschaften sagen, sie kommen überhaupt nicht mehr zum Erwerb von Grundstücken. Die können sich das einfach nicht mehr leisten.

Was für eine Mietpreispolitik bräuchte München denn?


Andreas Hild | Ich vermute, dass andere politische Parameter notwendig wären. Diese bestünden dann sicher aus einer Mischung aus Abschreibungsmöglichkeiten, einer mieterfreundlichen Gesetzgebung plus einer Abschreibung auf einen Grundstückswert, der natürlich hoch ist in München. In der Gesamtzusammenschau kann die Rendite für Mietwohnungen zumindest kurzfristig mit anderen Anlageformen offenbar nicht mithalten – außer vielleicht bei der einen oder anderen Pensionskasse, die sehr langfristig denkt.

Matthias Castorph | Das ist ja das Drama: Alle agieren nicht langfristig, sondern nur auf Sicht. Es gibt keine Firmen, die es langfristig machen wollen. Damit sind wir beim Thema der gemeinnützigen Genossenschaften und deren politisch gewollter Schlachtung vor vielen Jahren.

Die großen Klopper von Zürich

Herr Krucker, wie funktioniert denn der Münchner Wohnungsbau aus Zürcher Sicht?

Bruno Krucker | Ich werde oft auf die vergleichsweise erfolgreiche Situation in Zürich angesprochen. Man verkauft auch in Zürich die Wohnungen ab Plan. Das war schon immer so. Allerdings scheint mir die Regeldichte im geförderten Wohnungsbau in München wahnsinnig hoch. Dass die Stadt sogar einen Wohnungsmix vorschreibt, ist in Zürich unvorstellbar. Auch in Zürich gibt es zu wenige Wohnungen, und auch hier sind sie viel zu teuer, und niemand kann sie sich leisten. Und dennoch, es gibt in Zürich mehr Qualität. Wa­rum das so ist, wäre zu überlegen.

Wie sieht es denn aus mit den städtischen Grundstücken in Zürich?

Bruno Krucker |
Die Genossenschaften – in Zürich gehören etwa 30 Prozent der Wohnsubstanz Genossenschaften – sind viel stärker beteiligt. Und wenn die Stadt Land hergibt, kann sie das nicht einfach an einen Investor verkaufen, sondern das kriegen die Genossenschaften. Dass ist ein Riesenunterschied: Auf den letzten Grundstücken, die Zürich noch hat, entsteht immerhin genossenschaftlich geführter Wohnungsbau.

Andreas Hild | Und es entstehen dann die großen „Klopper“, also extrem hochverdichtete Häuser, die hier in München völlig undenkbar wären.

Bruno Krucker | Sie sind ein Stück großstädtischer als in München, sag ich mal. (Gelächter)

Mut zur Verdichtung

Große Klopper heißt dann auch andere großstädtische Typologien?


Bruno Krucker | … in München sehe ich weniger Mut zur Verdichtung, das ist nun mal so. In Zürich entsteht unter dem ganzen Druck eher mehr Qualität als weniger. In München argumentiert man, jeder kann noch so schlechte Wohnungen machen, weil sie sowieso verkauft werden. Dabei wäre das doch auch eine Chance für die Investoren. In Zürich baut man etwa Wohnungen, die sind vielleicht dreißig Meter tief, mit einfachstem Standard, da gibt es auch dunkle Räume: Die werden dann zum Beispiel von älteren Künstlern gemietet, die einfach gern viel Fläche haben, tagsüber schlafen und abends malen. Von einem solchen Modell könnte man auch in München einfach mal fünfzig bauen. Man findet doch in der Stadt immer fünfzig Leute, die genau solche Räume mieten möchten. In einer Hochkonjunktur müsste man mehr experimentieren.

Matthias Castorph | Aber dazu brauchst du Mut.

Andreas Hild | Ich weiß nicht, wie das mit dem Zusammenhang von Hochkonjunktur und Experimentierfreude in der Schweiz wirklich ist. Das würde ich mir sehr genau anschauen. Wenn ich sehe, wie hier in München Grundstücke verkauft werden, dann muss sich einer, der ein Grundstück kauft, finanziell so weit aus dem Fenster lehnen, dass er einfach kein Risiko mehr eingehen kann. Das Problem ist, dass ein Rattenrennen um jedes noch so fragwürdige Grundstück in dieser Stadt stattfindet, wo sich Leute um das Doppelte überbieten. Wenn dann einer, der das Grundstück kauft, das Projekt startet, dann hat er die Nase nur noch knapp über der Wasseroberfläche. Und dann kommen wir daher und sagen, hey, du musst jetzt aber mal ein bisschen experimentell denken. Der kann gar nicht mehr denken.

Die Spielregeln des Monopolys

Johann Spengler | Beispiel Theresienstraße, das war ja so ein Grundstück, für das kürzlich einer 50 Millionen geboten hat, wo der zweite schon bei 35 Millionen abgewunken hatte. Da stellt sich natürlich die Frage, wie kann der das überhaupt schaffen?

An welchem Punkt dieses Monopolys kommen Sie als Architekten ins Spiel?

Johann Spengler | Bevor der Investor kauft.

Mit einem Vorentwurf?

Johann Spengler | Nein – ja, mit einer Beratung. Die kann manchmal weiter gehen und manchmal weniger weit. In München hängen alle irgendwie zusammen. Einer äußert einen kleinen Satz, er könnte das Grundstück an der und der Stelle verkaufen, und das wissen dann sofort alle. Man redet ja untereinander. In der Regel machen wir aber keinen Vorentwurf, in der Regel versuchen wir, eine städtebauliche Dichtenabschätzung abzugeben. Wir wissen aber genau, wenn das unser Bauherr kauft, werden wir uns nochmal einem Wettbewerb mit den anderen Kollegen unterziehen müssen. Das ist klar.

Andreas Hild | Beziehungsweise wir rechnen eine BGF aus, und der Bauherr rechnet dann etwas höher. Die Zahl, die er abgibt, ist dann noch etwas höher, damit er es auch sicher kriegt. Dann ist er bereits so unterfinanziert, dass er gar nicht mehr in der Kategorie„innovativ“ denken kann.

Peter Scheller | Er spekuliert eh schon in einen steigenden Markt hinein.
 
Florian Fischer | Man kann doch festhalten, der Markt regelt es jedenfalls nicht! Er bringt weder die entsprechende Anzahl an Wohnungen zustande noch eine Mindestqualität. Das heißt, es braucht Hebel. Wie ihr das am Tisch so schildert, die ihr viel mehr als ich in diesen Markt involviert seid: Keiner ist böse, keiner ist Schuld – in der Tendenz zumindest. Es sind also die Prozesse, die einfach so laufen.

Andreas Hild | Das sind die Produktionsbedingungen.

Florian Fischer |
Genau. Und an dieser Stelle kommt die Frage nach der Dichte ins Spiel. Das Ausloten von Dichten in der Stadt ist ja ein Hebel. Die Stadtpolitik könnte neue Dichten gewähren. Welchen Spielraum es da in München gibt, das ist genau das, was wir mit unserem Gutachten im Rahmen der „LaSie“ 1 untersucht haben. Klar gibt es beim Thema Dichte große Vorbehalte, wie weit man gehen kann. Aber wenn die Regeln klar sind, kann die Nachverdichtung auch dazu benutzt werden, dass die Stadt neue Qualitäten einfordert und mehr Geld für die soziale Entwicklung zur Verfügung hat.
Ein ganz anderer Punkt betrifft den Stadtraum: Es gab kürzlich eine interessante Studie eines jungen Wiener Architekten über den Wiener Block (Daniel Glaser, Freie Räume, Sonderzahlverlag, Wien 2011; A.d.R). Dort wird ganz offen und po­lemisch nachgewiesen, dass eine höhere Dichte gerade auch deshalb Vorteile bietet, weil sie „schlechte Lagen“ in der Innenstadt nach sich zieht: Es entstehen dunkle Bereiche. Das knüpft an Bruno Kruckers dunkle Wohnungen für Künstler an. Der Architekt müsste für solche räumlichen Situationen etwas Neues erfinden, und der Investor merkt dann vielleicht, ich kann etwas verkaufen, was gar nicht selbstverständlich ist. Das wäre doch ein wunderbarer Hebel. Auch für einige Bewohner wäre das sicher spannender, an einem besonderen Ort, in einer etwas dunkleren Wohnung zu wohnen, als immer nur diesem Klischee nachzujagen, wir wollen alle ganz oben wohnen und am besten einen Blick bis in die Alpen haben. Das ist doch ohnehin ein Zerrbild.

Atomisierung des Wohnungseigentums

Matthias Castorph | Ich muss Ihnen widersprechen, Herr Fischer. Ich glaube sehr wohl, dass der Markt das regelt. Vielleicht geht das nicht so schnell, wie es mancher gerne hätte. Wir haben ja heute nachgerade eine Atomisierung des Eigentums, und die Folgen dieser Entwicklung werden über kurz oder lang auf den Markt durchschlagen.

Andreas Hild | Diese Zersplitterung des Eigentums in der Stadt wird auf absehbare Zeit ein Riesenproblem werden. Das sehe ich genauso. Es gibt doch heute beispielsweise im Lehel (Stadtteil im Zentrum, A.d.R) kein Haus mehr, das noch einem einzelnen Besitzer gehört! Stattdessen müssen sich dreißig Parteien einigen, wenn sie ihr Haus sanieren.
In zehn Jahren wird sich das zu einer Katastrophe auswachsen und zwar flächendeckend. Anwalt müsste man werden, Mieteranwalt.

Matthias Castorph | Wir haben heute Eigentümergemeinschaften aus hundert Leuten. Heute wird ein Haus gebaut, in dreißig Jahren gibt es die erste Sanierung, in sechzig Jahren die nächste. In jedem Haus wohnen Leute, die Geld haben und es gibt andere, die ganz mühsam am Abzahlen sind. Daneben gibt es Erben, die kein Geld haben, über die normale Reparatur hinaus etwas zu machen. Daraus resultiert im Lauf der Zeit eine Art Verslumung, weil kaum mehr Unterhalt in das Gebäude gesteckt wird. Damit kriegst du zwangsweise einfachere oder schlechtere Wohnungen. Solche Entwick­lungen kann man in anderen Ländern beobachten. Und am Tiefpunkt kommt einer, der kauft das heruntergekommene Ding. Der hat dann Spielraum, und es gibt wieder Mietwohnungen.

Auf diese Selbstregulierung können wir aber heute doch nicht warten?

Matthias Castorph | Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass wir die Wohnungsnot nicht durch das Rezept der Dichte lösen. Solch eine Formel halte ich für zu einfach. Die Probleme sind doch viel komplexer. Jemand kauft heute 90 Quadratmeter für seine Familie. Wenn er älter wird, braucht er höchstens 60 – aber er hat keine Möglichkeiten, in eine kleinere Wohnung zu gehen. Früher, bei den Genossenschaften, die einen ganzen Block bewirtschafteten, konnte man im Quartier bleiben und einfach die Wohnung tauschen. Darüber müsste man wieder nachdenken. Dazu gehört auch die Frage, welche Haustypen das besonders gut können. Solche Lösungsansätze werden nachgefragt werden sobald die Leute massenweise auf dem Zeug hocken bleiben.

Lässt sich Qualität ins Vergabeverfahren zwingen?

München wächst und wächst. In den letzten zehn Jahren um 136.000 Einwohner, in den nächsten fünfzehn Jahren noch mal um geschätzte 150.000. Die Wohnungspolitik muss auf diesen enormen Bedarf reagieren. Eine wichtige Frage ist da, wie man diesen Bedarf nicht bloß quantitativ befriedigt – dann würden die Fehler der sechziger Jahre wiederholt werden – , sondern wie man ihn qualitiativ in den Griff bekommt. Dafür liegen ja Konzepte auf dem Tisch. Wie beurteilen Sie diese?


Andreas Hild | Eine auf den ersten Blick sinnvolle Idee lautet: über den Verkauf von städtischen Grundstücken im Rahmen des Vergabeverfahrens – Investorenwettbewerb – besondere Qualitäten zu erzeugen oder zu erzwingen, indem man die Konzepte miteinander vergleicht. Das ist eine marktgerechte Idee, die eigentlich wahnsinnig reizvoll klingt. Aufgrund der Vorschriften funktioniert sie aber nicht. Ein Beispiel: Alle, die hier am Tisch sitzen, haben wahrscheinlich schon an solchen Verfahren teilgenommen. Das ganze wird schließlich so kompliziert, dass mehr Anwälte als Planer bei diesen Wettbewerbsteams dabei sind. Die Erläuterungstexte werden von Juristen geschrieben, damit man überhaupt eine Chance hat mitzuspielen. Es ist sehr schwierig, dass die Stadt Grundstücke aufgrund von qualitativen Merkmalen verkauft. Meine Erfahrung ist, dass dies heute in Europa eigentlich unmöglich geworden ist. Übrigens ist das auch ein Grund, warum wir wehmütig nach Wien fahren und uns die alten Gemeindehöfe anschauen ...

Einfachere Verfahren?

Wie geht das in Zürich?

Bruno Krucker |
Ganz ehrlich, diese Diskussion hier ist für mich unvorstellbar – es ist unglaublich wie überreglementiert das in Deutschland läuft. Das beginnt bei der Gesamtbayerischen Bauordnung, die ursprünglich wohl eher für ländliche Gebiete gedacht war. In Zürich und generell in der Schweiz gibt es sogenannte Bauzonen, die Dichte und Anzahl der Geschosse regeln, zum Beispiel W3. Da gibt es ein Blatt, da lese ich als Architekt oder als Investor zum Beispiel B 3, da darf ich dreigeschossig bauen, Ausnützung 120 Prozent BGF. Und wenn ein Investor zu mir ins Büro kommt, kann ich dem in einer halben Stunde sagen, wie viel Quadratmeter er bauen kann. Ich bin nicht abhängig von irgendeinem Typen auf einem Amt, der mir etwas erzählt und dann eröffnet, unter gewissen Umständen könnte es auch ein Geschoss mehr sein. Eure Planungsunsicherheit hier ist für mich absurd; dass man nicht weiß, wie hoch und wie dicht man bauen kann. Das bremst doch die Dynamik.

Johann Spengler | Manchmal ist es auch eine Chance, wenn dir als Architekt etwas Gutes einfällt.

Bruno Krucker |
Die Chance wird aber ganz selten ergriffen. Es ist zu kompliziert, und es dauert zu lang. Wir haben vor vier Jahren einen Wettbewerb gewonnen, 200 Wohnungen. Das hängt seither in den Ämtern wegen dem B-Plan. So kann eine Stadt doch nicht funktionieren. Das muss in maximal neun Monate über die Bühne gehen.
Peter Scheller | Es gab ja in München so einen schlüssigen Plan, Theodor Fischers Staffelbauplan. Der galt von 1912 bis 1979. Dann kollidierte er mit dem Leitbild der 70er-Jahre-Planung, die Geltungsfrist lief aus, und man hat ihn aufgehoben.

Bruno Krucker | … Das mit der Höhe könnte man ja auch heute klar regeln. In Zürich haben wir im Wohnungsbau Gebiete, wo man dreigeschossig bauen kann, mit Reihenhäusern. Wenn jemand ein Grundstück hat, das größer als 6000 Qua­dratmeter ist, dann darf er bis sieben Geschosse bauen. Die Nachbarn können zwar dagegen sein, dann dauert es halt ein Jahr länger bis man bauen kann, aber es ist geregelt.

Matthias Castorph |
In der Schweiz gibt es doch viel mehr Rücksprache der Betroffenen.

Bruno Krucker |
Ja, aber es ist geregelt.

Mit anderen Worten, Bedenkenträger gibt es in Zürich genauso viele wie in München.

Andreas Hild |
Die Mechanismen, die von der Rechtsprechung befördert werden, laufen anders in der Schweiz. Quintus Miller, ein bekannter Architekt, dessen Eltern ein großes Hotel in Davos hatten, hat mir eine Geschichte erzählt. Vor dem Hotel gibt es Holzbänke. Ein deutscher Urlauber hat sich auf dieser Bank den Skianzug kaputt gemacht, weil da ein Spreißel raus stand. Der Deutsche hat den ganzen Laden verklagt und auch noch das Geld für den Urlaub wie­­der raus haben wollen. In der Schweiz kommt sofort jemand, sagt, das tut mir leid, und dann kommt noch einer mit einem Hobel für die Bank, und es kommt noch ein Dritter, und dann wird das genäht auf Kosten des Hauses, und damit hat sich die Sache.

Im Griff der Juristen

Johann Spengler | Das ist tatsächlich ein gesellschaftliches Problem. Wenn wir heute eine Wohnung übergeben, dann ist da immer ein Rechtsanwalt dabei.

Peter Scheller |
München ist besonders. Wer hier her kommt und eine Wohnung kauft, der hat für sich das Selbstverständnis, ich habe es geschafft. Das ist in Berlin anders. Wenn man in Berlin zuzieht, ist man eher Störenfried. Man hält erst mal die Füße still, bloß nicht zu große Liegestühle raus stellen, wenn man in der Kastanienallee sein Eigentum bekommen hat, sondern erst mal schauen, wie es so läuft. Und dann ist man plötzlich Teil von einem Kollektiv geworden, und alle passen auf, dass man nicht zu dicke auffährt. In München ist es genau andersrum. Wenn man nicht mindestens mit einem 7er BMW anfährt, dann heißt es, was ist denn da für ein Gratler eingezogen. Wenn der Druck des Elitären hoch ist, dann ist auch die Streitbereitschaft hoch. Davon ist auch die Stadtplanung betroffen, weil die nach Strich und Faden verklagt wird, bei jedem B-Plan. Ein Beispiel: Wir haben eine Nachverdichtung versucht, in einem Innenhof, und hätten wegen einem Quadratmeter, wo sich eine bestehende Gaube mit einem von uns geplanten Ding überlappt hätte, eine Befreiung gebraucht. Ein Quadratmeter! Es hätte sich für die Nachbarn nichts verändert. Es ging aber nicht, weil plötzlich ein Klagerecht für alle entsteht. Finger weg, ihr müsst umplanen, keine Chance!

Matthias Castorph |
Diese Atomisierung und Amateurisierung der Eigentümerinteressen führt dazu, dass du keine gemeinsame Stimme mehr hinbekommst. Jeder Einzelne kann prozessieren, es gibt eine Flut von Prozessen. Durch die WEG-Gesetze gibt es den Zwang zur Einstimmigkeit, und es lassen sich keine Mehrheiten mehr bilden.

Andreas Hild |
Dazu müsstest du das WEG-Gesetz ändern. Das WEG-Gesetz ist ein Bundesgesetz. Du glaubst doch nicht, dass wenn wir hier in München ein Problem haben, irgendjemand in Berlin ein Gesetz ändert. In Hannover brauchst du das nicht, da sind ja alle froh darüber.

Ein Gesamtplan für München

Wenn man das so hört, hat man das Gefühl, das Wohnungsproblem in München ist primär ein juristisches.

Doris Zoller |
Man kann es vielleicht so sagen: Dadurch, dass die Grundproblematik, wie kann man überhaupt noch in München wohnen, so enorm hoch ist, wird von Seiten der Stadtplanung penibel darauf geachtet, dass die Prinzipien überall gleich anwendbar sind. Das fällt uns mehr und mehr auf die Füße. Denn so einfach funktioniert die Stadt nicht. Jede Stadt hat verschiedene Quartiere, verschiedene Möglichkeiten. Eine Stadt muss aber Ziele haben für bestimmte Quartiere, und sie muss auch Ziele haben für deren Unterschiede.

Bruno Krucker |
Ja, und in diesem Sinn wäre es interessant, wenn es einen Gesamtplan für München geben würde, in dem auch die Dichten festgelegt werden, über die wir vorher geredet haben, die Bereiche mit erhöhter Dichte, die Bereiche, die geschützt werden, mit starker Durchgrünung usw.

Matthias Castorph | Das verhindert Art. 14 GG zum Eigentumsschutz – einfach Gesamtplanung geht nicht.

Bruno Krucker | O.K. Dann geht das halt nicht.

Matthias Castorph | Das Grundgesetz besteht überall, deswegen gibt es da nichts zu reformieren. Man könnte natürlich, wenn jetzt immer mehr Leute nach München kommen wollen, eine neue Frage stellen: Gibt es – so wie es nach Art. 14 ein Grundrecht auf Eigentum gibt – auch auf ein Recht auf Leben in München?

Rundfahrt durch die neuen Quartiere

Bruno Krucker | Wir sind Architekten. Deswegen würde ich mich lieber auf die Frage der Qualitäten in den Quartieren konzentrieren und den Zwang zur Vereinheitlichung, von der Doris Zöller gesprochen hat. Man muss da einfach nur mal außen herum fahren, Beispiel das neue Hirschgarten-Quartier. Ich hoffe, keiner von euch hat da was gebaut. Das ist wirklich auf einem ziemlich schlechten Niveau, was da in letzter Zeit entstanden ist.

Matthias Castorph | Interessant, was Sie sagen. Weil wir gerade einen größeren Wohnungsbau planen, haben wir mit dem Büro solch eine Exkursion gemacht. Wir haben den ganzen Tag nur diese Gebiete angeschaut. Wir wollten sehen, wie man heute bestimmte Details im Bauträgerwesen löst. Die Kollegen sind ja nicht doof, und wir müssen nicht alles neu erfinden. Was wir da gesehen haben, war ernüchternd. Offensichtlich ist das kein architektonisches Problem, sondern spiegelt das Problem des Marktes, ein Problem der Normen und des Regresses. Der Bauträger spürt das auch; die haben ja Angst vor dem Käufer. Jeder kauft eine Wohnung, die eigentlich zu teuer ist. Dann kommt er mit einem Rechtsanwalt und einem Gutachter und zahlt die letzte Rate nicht. Das heißt, die müssen das auch schon einkalkulieren. Jedes Detail, das am Schluss nicht 100 Prozent dem Gutachter standhält, wird einfach nicht gemacht. Das findet man bei all diesen Häusern, auch von namhaften Kollegen.

Bruno Krucker | Ich habe zunächst einmal eher die allgemeinen Dinge gemeint, die Fragen städtebaulicher Natur. Wie wohnt man im Erdgeschoss? Das ist ein altbekanntes Problem. Auch in der neuen Parkstadt Schwabing ist das sichtbar. Da haben die Leute neben dem Gehsteig noch einen halben Meter Höhenversprung als Distanz und da wohnen sie dann mit ihren Plastikstühlen.

Andreas Hild | Warum, weil die Wandhöhe geregelt ist oder warum?

Bruno Krucker | Weil das Verhältnis von Baukante und Straße unklar ist, entworfen ohne jede Idee. Irgendjemand hat so ein bisschen Bebauungsplan gemacht, und das ist dann durch tausend Stellen bei der Stadtplanung gegangen.

Matthias Castorph | Es verkauft sich halt super. Diese Erdgeschosswohnungen mit ihren vermurksten Vorgärten sind ja anscheinend das, was die Leute wollen. Wenn man da sagt, es gibt keine Gärten im EG, da können Sie sich mal anhören, was die Investoren sagen.

Welche Pilotprojekte?

Viel Lamento über die kaum zu durchbrechenden Zwänge. Es gibt doch in München ein paar Pilotprojekte, die aufzeigen sollen, wie man mit solchen Routinen anders umgehen könnte. Wie beurteilen Sie denn das „Kreativquartier“, das nach der Pleite mit der Werkbundsiedlung auf dem selben Grundstück entstehen soll ?

Verena Schmidt |
Wir haben ja als junges Büro bei diesem Projekt den ersten Preis gemacht. Dass unser Vorschlag so gut ankam, lag sicher auch daran, dass wir nicht negiert haben, dass es diesen starken Stadtentwicklungsdruck gibt. Wir haben unsere Strategie so aufgebaut, dass wir auf den brachliegenden Teilbereichen den Investoren die Möglichkeit geben, schnell und dicht zu entwickeln. In anderen Bereichen, dort, wo die Zwischennutzungen in den bestehenden Hallen angesiedelt sind, können wir den Druck rausnehmen und langsamer und prozessualer vorgehen. Dadurch, dass ein Großteil des Areals im Besitz der Stadt ist, sind hier gewisse Steuerungsmöglichkeiten gegeben, um experimentelle Formen des Wohnens und Arbeitens zu schaffen.

Matthias Castorph |
Ich wünsche dem Projekt wirklich alles Gute. Ich habe nur wenig Hoffnung. Ohne echte Änderung in der Verwertung von Eigentum oder Grundstücksbesitz kommen wir nicht weiter. Warum sollte ausnahmsweise in einem Quartier alles ganz anders werden, wenn die Rahmenbedingungen die gleichen sind. Es sind doch die gleichen Architekten, die im Hirschgarten oder beim Werkbund mitgemacht oder realisiert haben! Entweder gibt es diese Rahmenbedingungen und sie haben diese Konsequenzen, oder man muss sie konsequenter weise ändern.

Karin Schmid |
Aber die Frage ist doch, ob es einen politischen Willen gibt, an einer Stelle mit den Veränderungen anzufangen. Genau daran ist doch die Werkbundsiedlung
gescheitert.

Andreas Hild |
Der politische Wille delegiert das wieder an die Stadträte. Es ist nicht der politische Wille, es ist unser Wille und zwar – Bürgerwille. Was ist der Bürgerwille, was ist durchsetzbar in einer Stadtgemeinschaft auf Diskurs­ebene?

Sie sprechen von tausenden von Einzelinteressen, die „dem öffentlichen Interesse“ der Stadtentwicklung entgegenlaufen. Braucht es dann nicht gerade solche Projekte, von denen die Botschaft ausgeht: Seht her, das geht also auch anders?

Andreas Hild | Die Werkbundsiedlung wäre überhaupt kein Problem gewesen, wenn der Stadtrat gesagt hätte, hört zu, wir verlangen für unser Grundstück 20 Prozent weniger. Aber das ist ja unser aller Geld, das der Stadtrat da verwaltet. Da hätte man eine viel breitere Basis für die Entscheidung gebraucht.

Peter Scheller |
Im Kreativquartier an der Dachauer Straße geschieht ja jetzt so ein Prozess. Was die Vermarktung der Gesamtimmobilie anbelangt, da hätte es sicher profitablere Konzepte gegeben, die schneller vorangehen als der Siegerentwurf. Da ist die Stadt schon über die Hürde gesprungen und hat gesagt, o.k. dann realisieren wir das eine oder andere Prozent Rendite weniger. Das war die Rettung.

Doris Zoller |
Beim Kreativquartier geht es ja auch noch um was anderes: Kann die Stadt temporäre Prozesse generieren und in die Planung integrieren, oder kann sie das gar nicht mehr? Das ist zu beweisen, das steht hier auf dem Spiel. Kulturreferat und Planungsreferat müssen da jetzt zusammenarbeiten, weil das zu einem Aushängeschild der Stadt geworden ist.

München 2032?

Lassen Sie uns zum Schluss nach vorn blicken – München 2032. Wie sieht der Wohnstandort München in zwanzig Jahren aus? Was muss die Stadt tun, um nicht ein London oder ein New York II zu werden? Werden Sie dann überhaupt noch hier leben?

Johann Spengler | Ich werde mit Sicherheit noch in der Stadt leben, und ich glaube nicht, dass die Blase erst platzen muss, bevor es positive Veränderungen gibt. Ich glaube, dass es der Markt schaffen wird, sich selber zu regeln. Die SoBoN Regeln müssen erweitert werden. Das wichtigste wird sein, dass der viel zitierte Arbeiter auch in Zukunft in der Stadt wohnen kann. Man konnte das ja bereits beobachten, dass bei einigen völlig entfesselten Projekten massiv die Bremse reingehauen wurde. Meine Hoffnung ist, dass die Stadt den Weg, den sie jetzt auch mit der LaSie-Studie zur „Qualifizierten Verdichtung“ eingeschlagen hat, möglichst schnell umsetzt.

Bruno Krucker |
Meine Vermutung ist, dass die Widersprüche in der Stadtplanung noch zunehmen werden. Auf der anderen Seite steht in Deutschland so eine mutige Entscheidung wie der Atomausstieg – das ist von außen betrachtet wirklich unglaublich. Wenn man sich eine solche Entscheidung vor Augen hält, dann hinkt der Städtebau doch noch sehr hinterher. Ich werde mich jedenfalls auch in der nächsten Zeit darum bemühen, diese Verhältnisse zu verstehen. Und ab und zu als schlechter Kritiker dastehen.

Andreas Hild | Ich glaube, es werden noch viel mehr Leute in der Stadt oder zumindest sehr stadtnah wohnen. Wir werden wesentlich weniger neu bauen als bisher, und die Stadt wird die nötige Dichte nur dadurch auffangen können – auch im Sinne eines sinnvollen Gemenges – indem sie bestimmte Grundstücke dem spekulativen Markt entzieht. Sei es durch Erbpacht, sei es dadurch, dass sie selbst baut, sei es, dass sie andere Modelle entwickelt, die mit marktfernen Mechanismen Wohnraum schaffen.

Florian Fischer | Ich kann keine Prognose abgeben. Ich vermute, die Politik hinkt zurzeit immer noch hinterher. Jüngst hieß es ja, bei künftigen Grundstücksverkäufen würden von der Stadt 20 bis 40 Prozent an Genossenschaften abgegeben. Und es werden genau solche Modelle mit Qualitätsauflagen diskutiert, von denen wir gesprochen haben. Aber egal ob die Stadt wächst oder schrumpft, das wichtigste ist, dass wir wieder einen Diskurs führen, wie man die notwendige Qualität hinbekommt.

Doris Zoller | Was die städtebauliche Qualität betrifft: München hat im Lauf seiner Geschichte gezeigt, dass die Stadt immer auch für Überraschungen gut ist – plötzlich konnten Entwicklungen realisiert werden, die man überhaupt nicht erwartet hatte.

Verena Schmidt | Ich würde mir wünschen, dass sich die Frage, wie wir hier in zwanzig Jahren wohnen, wieder mehr an alle richtet. Es ist eine Aufgabe der Politik, unterschiedlichen Menschen zu ermöglichen, selbst zu Akteuren zu werden. Das kam gerade beim Wohnen zu kurz. Zum Beispiel sollten auch Baugruppen zum Zuge kommen und nicht nur die Investoren mit dem großen Geldbeutel. Vor allem hoffe ich, dass sich die Stadt ihre Nischen bewahrt und nicht weiter homogenisiert.

Peter Scheller | München hat sich immer teuer verkauft. Ich glaube, das ist eine ganz gute Qualität der Stadt. Ich meine das gerade nicht im Sinn von explodierenden Miet- oder Eigentumswohnungspreisen, sondern im Verständnis als Stadt. Was wir uns aber in den nächsten Jahren wieder erarbeiten müssen, ist das Nachdenken darüber, wie die Stadt sich künftig entwickelt und was uns das wert ist. Sonst sehe ich die Gefahr, dass München ein hochattraktiver Immobilien- und Finanzinvestitionsmarkt für verschiedene Nationalitäten wird, die hier wahnsinnige Summen Geld parken.

Matthias Castorph | Ich finde es eigentlich ganz gut, dass München auch mal Probleme hat. Wir haben ja sonst keine, außer dieser Wohnungsfrage. Ich glaube auch, dass es für das Wohnungsproblem in den nächsten Jahre nicht die eine Lösung gibt. Mit Appellen „die Politik muss“ oder „die Investoren müssen“ oder „die Architekten müssen“ kommen wir nicht weiter. Wir Münchner müssen uns wieder als Bürger verstehen und uns gemeinsam anstrengen, dann wird es wahrscheinlich ganz o.k. Und wenn München ganz o.k. wird, dann finde ich das gut. Es muss nicht immer Spitze sein.

Karin Schmid | Änderungen entstehen immer aus einem gewissen Mangel heraus. Das war nach dem Krieg, wo wir eine wirklich existentielle Wohnungsnot hatten, nicht anders, und das ist auch ganz aktuell zu spüren, wo der Druck auf dem Wohnungsmarkt ständig zunimmt. Wir sind jetzt plötzlich wieder gezwungen, über andere Strukturen und Prozesse nachzudenken. Das wird kommen, ich bin da optimistisch.
Fakten
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aus Bauwelt 36.2012
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