Bauwelt

Gold für London?

Editorial

Text: Schultz, Brigitte, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin

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Am Set des Films „The Games“, Hilary Powell, 2007
Foto: Federico Figa Talamanca

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Am Set des Films „The Games“, Hilary Powell, 2007

Foto: Federico Figa Talamanca


Gold für London?

Editorial

Text: Schultz, Brigitte, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin

Olympia ist zum Synonym für überdimensionierte Stadien, verwaiste Veranstaltungsareale und gentrifizierte Nachbarschaften geworden. Die Planer in London versuchen, den Teufelskreis zu durchbrechen. Von Anfang an konzentrierten sie sich auf die Zeit nach den Spielen. So sollen auch jene etwas vom Kuchen abbekommen, die das Megaevent nur vom Rand aus miterleben 
Die Briten waren uns lange einen Schritt voraus – seit Ende des 19. Jahrhunderts, als sich der Gartenstadt-Gedanke von London bis nach Hellerau ausbreitete, blickten deutsche Planer immer wieder neugierig bis neidvoll auf ihre Kollegen von der Insel. In den achtziger Jahren gab sich London alle Mühe, seinen fortschrittlichen Ruf zu ruinieren; durch die Politik der Regierung Thatcher, die ohne Not dem Markt das Feld überließ, aber auch durch Großprojekte wie die Docklands, die nach einer kurzen Zeit als leuchtendes Vorbild schon bald als „gründlich mißverstandene Herausforderung“ galten (wie die Stadtbauwelt 1988 titelte). In diesem Jahr will London die Welt davon überzeugen, dass sich seither einiges geändert hat: Für das städtebauliche Megaprojekt Olympia hat die Stadt eine Strategie entwickelt, die neue Maßstäbe bei der Planung von Großveranstaltungen dieser Art setzen soll.
Was von Olympia übrig bleibt
Wer dieser Tage durch London geht, hört immer wieder den Begriff „Olympic Legacy“, das „Olympische Erbe“. Gemeint ist die Zeit nach Olympia. Angesichts der Vielzahl verwaister Areale, die weltweit Zeugen des kurzfristigen Flächenhungers von Kultur- und Sportereignissen und von der folgenden Ratlosigkeit im Umgang mit ihnen sind, haben die Londoner Verantwortlichen das vielzitierte „Danach“ so früh geplant wie niemand zuvor bei einem sportlichen Großevent. Und nicht nur das: Sie haben die Spiele von Anfang an als Wunderkur für eine der ärmsten Gegenden Westeuropas konzipiert, den Osten Londons. Hier liegt der 200 Hektar große Olympiapark inmitten von Wohnvierteln, denen die Deindustrialisierung übel mitgespielt hat.
Während im Zentrum der Stadt ein Hochhaus nach dem anderen in der Skyline um Aufmerksamkeit buhlt, gibt sich der Olympiapark unspektakulär. Zwar durfte Zaha Hadid das Schwimmstadion entwerfen, ansonsten verzichteten die zuständigen Planungsgesellschaften aber auf große Namen. Viele Wettkampfstätten sind temporär und aus genormten Stahlteilen konstruiert, die nach den Spielen weiterverkauft werden. Abgesehen von großmaßstäblichen Ausrutschern wie dem gesichtslosen Olympischen Dorf, das gleich neben einer riesigen Mall platziert wurde, entstand eine im positiven Sinne pragmatische Architektur. Zum einen sollte wohl der Eindruck vermieden werden, staatliche Gelder würden für architektonische Extravaganzen aus dem Fenster geworfen, während soziale Programme immer radikaler gekürzt werden. Zum anderen wurde ein klarer Schwerpunkt gesetzt: Die Architektur ordnet sich dem Städtebau unter, Priorität hat die Einbindung des Olympiaparks in die bestehende Stadtstruktur.
Bemerkenswert ist, neben der geplanten Nachnutzung des Olympiaparks, die mit Zwischennutzungen die Kräfte des Markts im Zaum halten und den Park beleben will, vor allem der Umgang mit dem sogenannten „Fringe“, dem Rand. Hier arbeiten Architekten daran, die Viertel um den Park im Zusammenspiel mit der Bevölkerung aufzuwerten. Beauftragt wurden sie u.a. von der London Legacy Development Corporation (LLDC), die für das städtebauliche Erbe der Spiele verantwortlich ist. Eleanor Fawcett, Head of Design der LLDC, hat für uns einen Spaziergang um den Park zusammengestellt. Er führt zu Projekten, die schon jetzt zu besichtigen sind: Straßenmöbel, neue Wege und einzelne Gebäude – kleine Eingriffe, die ihre Wirkung im Zusammenhang entfalten. Sie sollen die Gemeinden um den Olympiapark stärken, die Eigenarten der Quartiere erhalten und nicht zuletzt einer Verdrängung entgegenwirken.
Mit ihrer Gestaltung wurden viele gute, zum Teil sehr kleine Londoner Büros betraut – eine Strategie, die Design for London, die Architektur- und Städtebauabteilung des Londoner Bürgermeisters, seit Jahren verfolgt. Fünf von ihnen haben wir besucht. Sie erklärten uns, wie sie von Hänsel und Gretel lernen, was sie unter der Formulierung „Stitching the Fringe“ verstehen und warum sie ein Haus für einen längst verstorbenen Dichter bauen. Wir sprachen mit ihnen über den Unterschied zwischen britischer und deutscher Planungsmentalität und über die Schwierigkeiten, einen drei Meilen langen Park anzulegen. Viele ihrer Projekte machen deutlich, dass guter Städtebau manchmal nahezu unsichtbar, ja sogar vergänglich sein kann – wobei Planer eher als Ermöglicher, denn als Gestalter gefragt sind.
Es ist der britischen Hauptstadt zu wünschen, dass sie die für Olympia entwickelten Konzepte weiterdenkt, auch bei der planerischen Reaktion auf die sozialen Unruhen 2011 und auf Crossrail, das größte Bahnprojekt Europas, das ab 2018 die Stadt von Ost nach West durchziehen wird. Wir meinen, diese Konzepte haben das Zeug zum Vorbild. Es ist wieder an der Zeit, sich von London inspirieren zu lassen.

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