Goldener Saal 2.0
Neugestaltung des Plenarsaals für den Landtag Mecklenburg-Vorpommern im Schloss Schwerin
Text: Paul, Jochen, München
Goldener Saal 2.0
Neugestaltung des Plenarsaals für den Landtag Mecklenburg-Vorpommern im Schloss Schwerin
Text: Paul, Jochen, München
Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat seinen Sitz seit 1990 im Schloss Schwerin. Bis 2015 soll das Parlaments im sogenannten Schlossgartenflügel einen neuen Plenarsaal beziehen – und damit als letztes der „neuen Länder“ einen modernisierten Tagungsort für seine Volksvertreter erhalten. Die Sieger des europaweit offenen Wettbewerbs schlagen vor, mit zeitgenössischen Mitteln die Anmutung eines vor rund hundert Jahren ausgebrannten Prunkraums wieder erlebbar zu machen.
Im Vergleich zu dem, was sich die Brandenburger bis 2013 in Potsdam vorgenommen haben – einen vollständigen Parlamentsneubau hinter den erst wieder zu errichtenden Fassaden des zerstörten Knobelsdorff’schen Stadtschlosses – muten die Schweriner Pläne bescheiden an. Aufgabe des im Herbst vergangenen Jahres ausgelobten Wettbewerbs war „lediglich“ der Umbau des heutigen Festsaals im Schlossgartenflügel zu einem zeitgemäßen Plenarsaal, die Neugestaltung der angrenzenden Bereiche wie Lobby, Empfangs-, Besucher- und Pressebereich sowie der Umbau des jetzigen Plenarsaals zum Konferenzbereich. Alles unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Vorgaben: Das 1844 bis 1857 von Schinkel-Schüler Adolf Demmler im Stil der französischen Frührenaissance errichtete Schweriner Schloss gilt als eines der bedeutendsten Baudenkmäler des Historismus in Europa, stand ab 1979 auf der Zentralen Denkmalliste der DDR und soll als Ensemble mit dem Alten Garten, dem Burg- und dem Schlossgarten in die UNESCO-Welterbeliste eingetragen werden.
Bitte keinen Luxus
Komplex war die Aufgabenstellung aber dennoch. Der neue Saal sollte den Abgeordneten „gute Arbeitsbedingungen und offene Kommunikationsstrukturen“ bieten, den Besuchern und der Presse gleichzeitig „Bürgernähe und Transparenz gegenüber demokratischen Debatten und Entscheidungsprozessen“ vermitteln und sie „einladen, das Landtagsgebäude als ihr Haus zu betrachten.“ Der letzte Punkt war dem Auslober aufgrund der chronisch angespannten Haushaltslage Mecklenburg-Vorpommerns besonders wichtig: Bloß keine Diskussionen über eine vermeintliche Luxussanierung.
Von allen 29 Teilnehmern lösten die Münchner Dannheimer & Joos Architekten die Gemengelage aus Funktionalität und Symbolpolitik am überzeugendsten. Ihr Entwurf erhielt das einstimmige Votum der Jury, die unter Vorsitz von Joachim Brenncke, dem Präsidenten der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern, tagte. Zentraler Gedanke der ersten Preisträger: Raumvolumen und Wandgestaltung des einst prunkvollen, bei einem Brand im Dezember 1913 zerstörten Goldenen Saals wieder erlebbar zu machen – in zeitgenössischer Formensprache.
Oval oder Kreis – was ist demokratischer?
Dazu reduzieren sie erst einmal den 1972 dort eingebauten Festsaal um den auf der Westseite abgegrenzten Presseraum auf seine ursprüngliche Länge und entfernen auch den 2006 dort eingebauten Aufzug. Der Entwurf übernimmt weitgehend die historischen Fußbodenniveaus, Raumgrößen, Wegebeziehungen und Sichtachsen. Die unterschiedlich dichte Lamellenstruktur der Wandverkleidung greift die ursprüngliche vertikale Gestaltung des Goldenen Saals mit Pfeilern, Pilastern und Kanneluren auf und lässt dabei die Farbgestaltung der hinter ihr liegenden Wände durchschimmern; die horizontale Gliederung soll durch unterschiedliche Lamellenbreiten erzeugt werden.
Als „Rechteck mit Seitentaschen“ wäre der Goldene Saal im Schweriner Schloss durchaus für eine Lösung à la Volker Staabs Bayerischem Landtag im Münchner Maximilianeum prädestiniert gewesen. Die drei gleichrangig platzierten dritten Preisträger entschieden sich denn auch für eine solche ovale
Anordnung der Sitzreihen: die Arbeitsgemeinschaft Architekturbüro Unverzagt und Freunde des Hauses aus Wiesbaden in Form eines gedrehten Ovals und einer in den Raum gestellten Freiform aus „wie Lamellen oder Stufen“ geschichteten Platten; Lepel & Lepel aus Köln hingegen entwarfen eine ausgesprochen strenge und zurückhaltende Lösung. Oliver Brünjes aus Saarbrücken, Architekt des dortigen Landtags, schlug einen „gestauchten Kreis“ und eine in den Augen der Jury zu dominante Wandscheibe im Rücken des Präsidiums vor.
Anordnung der Sitzreihen: die Arbeitsgemeinschaft Architekturbüro Unverzagt und Freunde des Hauses aus Wiesbaden in Form eines gedrehten Ovals und einer in den Raum gestellten Freiform aus „wie Lamellen oder Stufen“ geschichteten Platten; Lepel & Lepel aus Köln hingegen entwarfen eine ausgesprochen strenge und zurückhaltende Lösung. Oliver Brünjes aus Saarbrücken, Architekt des dortigen Landtags, schlug einen „gestauchten Kreis“ und eine in den Augen der Jury zu dominante Wandscheibe im Rücken des Präsidiums vor.
Aus dem Grundriss des Goldenen Saals leitet sich allerdings auch schlüssig die Anordnung der Sitzreihen des Plenums in drei konzentrischen Kreisen (mit dem Präsidium auf der Querachse des Schlossgartenflügels gegenüber der Lobby) ab, wie die ersten Preisträger Dannheimer & Joos sie entwickelt haben. Für die Münchner war das nicht nur eine architektonische, sondern auch eine symbolische Frage: Der Kreis erschien ihnen als perfektes Symbol für das Parlament als „höchstes Organ einer demokratischen Gesellschaft.“
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