Bauwelt

Große Pläne – der neue Kult des strategischen Plans

Text: Schönig, Barbara, Frankfurt am Main

Große Pläne – der neue Kult des strategischen Plans

Text: Schönig, Barbara, Frankfurt am Main

Der „Plan of Chicago“ wurde 1909 vom Commercial Club aufgesetzt, um dem Verkehrschaos und den erbärmlichen Wohnverhältnissen, die den Wohlstand der Stadt bedrohten, entgegenzuwirken. Zahlreiche realisierte Entwürfe wie der Grant Park, die Union Station oder die Michigan Avenue haben dem Plan Kultstatus eingebracht. Nun soll mit einem neuen strategischen Plan an die Erfolge von vor 100 Jahren angeknüpft werden. Im Blick stehen die autobedingte Zersiedelung und die ungleiche Verteilung von Wohnangeboten und Arbeitsplätzen. Heute wie damals zeigen sich in Chicago exemplarisch die Potentiale wie die Defizite großer strategischer Pläne.
„Make no little plans. They have no magic to stirr mens’ blood.“ Kein anderes Bonmot wird in Plänen in Chicago so oft zitiert wie dieser Satz, der dem Autor des Plan of Chicago, Daniel Burnham, zugeschrieben wird. Und kein anderer Satz entfaltet in diesem Kontext eine so suggestive Wirkung: Er beschwört ein visionäres stadtregionales Planvorhaben, das die politischen und ökonomischen Eliten der Stadt für eine Idee von Städtebau als kollektive Aufgabe begeisterte – mit anderen Worten für eine Art „strategischer Planung“, wie sie heute wieder in vielen Städten und Stadtregionen en vogue ist.

Strategische Planung gilt als Instrument, um der Komplexität aktueller Probleme der Stadtentwicklung gerecht zu werden. Sie beruht ebenso auf dem Prinzip der Integration wie der Exklusion. Strategische Planung zielt nicht auf räumlich und inhaltlich umfassende Planungsergebnisse, sondern nimmt einzelne inhaltliche oder teilräumliche Aspekte städtischer Entwicklung fachübergreifend ins Visier. Ebenso wenig zielt strategische Planung darauf, die gesamte Bevölkerung einzubinden. Sie integriert stattdessen ausgewählte Personen und Institutionen intensiv in den Planungsprozess, um Pläne zu schaffen, die den Konsens zentraler Akteure der Stadtregion repräsentieren. Die Verpflichtung der Beteiligten auf die gemeinsam formulierten Ziele ist ein wesentliches Ergebnis dieses integrativ-exklusiven Planungsprozesses, dessen inhaltliches Produkt keineswegs rechtsverbindlich wirksam wird. Strategische Planung mündet vielmehr in einen Katalog programmatischer, ressortübergreifender Ziele, die lediglich einen Rahmen abstecken für zukünftige Entscheidungen im Bereich der Stadt- und Regionalentwicklung, die mit Hilfe des Plans und anhand einzelner Leuchtturmprojekte in die Öffentlichkeit kommuniziert werden können.

Ob in Berlin (Stadtentwicklungskonzept 2020), London (London Plan 2004/2009), Paris (Le Grand Pari de Grand Paris, 2008) oder Chicago: Strategische Pläne werden in zahlreichen Metropolregionen produziert, um Herausforderungen wie dem Standortwettbewerb, dem Klimawandel und der Ressourcenknappheit, der Zersiedelung und sozialen Polarisierung mit programmatischen und langfristigen Zielen zu begegnen. Die Schlagworte dieser Pläne gleichen sich auffallend: Alle sehen eine stadtregional koordinierte, nachhaltige räumliche Entwicklung als unausweichlich, um langfristig die Lebensqualität und globale Wettbewerbsfähigkeit der Stadt bzw. Region zu erhalten. Die Pläne verbinden die suggestive Wirkung von Bildern und einzelnen, strategisch gewählten Projekten mit den diskursiven Praktiken des Planungsprozesses. Heute wie vor 100 Jahren zeigt sich Chicago in besonderer Weise dieser Idee des „großen Plans“ verpflichtet – nicht zuletzt darin offenbart sich die Wirkungsmacht des großen Plans von 1909. Doch heute wie vor 100 Jahren erweisen sich in Chicago auch exem­plarisch die Defizite großer strategischer Pläne.

Der Kult-Plan: Plan of Chicago 1909

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in Chicago, wie in vielen anderen Städten der USA, Fragen der Stadt- und Regionalentwicklung in erster Linie aus ökonomischer Perspektive betrachtet. Die Folgen der Industrialisierung und rasanten Urbanisierung – Verkehrschaos, unzureichende technische Infrastruktur, mangelnde Hygiene und erbärmliche Wohnverhältnisse – bedrohten die Funktionalität und Prosperität der Stadt. Nicht zuletzt aus diesem Grund beauftragten die Mitglieder des elitären Commercial Club of Chicago die Planer Daniel Burnham und Edward Bennett damit, einen integrier­ten Plan für Chicago und Umgebung zu entwerfen. Dieser sollte mögliche Linien der Entwicklung in städtebaulicher, landschaftsplanerischer und verkehrstechnischer Hinsicht vorzeichnen. Daniel Burnham bündelte die Ergebnisse des diskursiven Planungsprozesses, in den neben den Mitgliedern des Commercial Clubs auch Berater aus zivilgesellschaftlichen Vereinigungen, Verwaltung und Politik einbezogen wurden, in einer kohärenten Vision für die Stadtentwicklung Chicagos. 1909 übergab der Commercial Club den Plan of Chicago der Stadt als Geschenk, die ihn 1911 zum offiziellen General Plan of Chicago erklärte. Fortan trug die mit Honoratioren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft besetzte, 328-köpfige Chicago Plan Commission Sorge für die Verbreitung und Implementierung des Plans.

Der Plan of Chicago zielte darauf, das enorme Wachstum der Stadtregion zu ordnen und die Lebensqualität zu erhöhen. Berühmtheit erlangte er durch die monumentale Neuordnung des Stadtzentrums, das mit großen öffentlichen Bauwerken, Plätzen, Boulevards und Ringstraßen im Stil des City Beautiful Movement ergänzt werden sollte. Das Planwerk, das 90 Kilometer über das Stadtzentrum hinausreichte, enthielt jedoch auch ein regionales Park- und Naherholungsgebietssystem, eine regionale Straßenplanung, Entwürfe für suburbane Zentren sowie Pläne zur Reorganisation von öffentlichem Nahverkehr und Frachtverkehr. Zudem propagierte der Plan institutionelle Reformen auf regionaler Ebene. Vorschläge zur Lösung der drängenden sozialen Fragen, wie der Wohnraumversorgung, sparte das veröffentlichte Planwerk allerdings aus.

Ungeachtet dieses Versäumnisses geriet der Plan schnell zum Kult-Plan innerhalb der Stadt und weit darüber hinaus. Verantwortlich hierfür war nicht nur die bildmächtige Visualisierung durch Vogelschauen, die anstelle einer chaotischen, schmutzigen Großstadt eine – menschenleere – geordnete, grüne, übersichtliche Metropole vor den Augen der Betrachter entstehen ließ. Was dem Plan of Chicago mindestens ebenso Ruhm verschaffte, war der Prozess, durch den die mächtigen Akteure der Stadt diese Vision erarbeitet hatten und ihre Implementierung betrieben. Neben Hunderten öffentlichen Präsentationen und Zeitungsberichten realisierte die Chicago Plan Commission in ihrer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit einen Kinofilm, ein Schulbuch, Ausstellungen sowie Anleitungen für Predigten. Zahlreiche Projekte des Plans, deren Finanzierung von breiter öffentlicher Unterstützung abhing, wurden realisiert und prägen noch heute das städtebauliche Erscheinungsbild der Stadt: der Grant Park, der zentrale Bahnhof Union Station, der Ausbau der Michigan Avenue zur Prachtstraße und die Grünzonen entlang des Lake Michigan.

Der Plan of Chicago hat sich in das kollektive Gedächtnis der Stadt eingeschrieben und wird stets als Beispiel für die Wirkung „großer Pläne“ zitiert. Er steht zugleich dafür, dass Akteure aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Stadt gemeinsam räumliche Entwicklung zu gestalten vermögen. Dieses Verfahren ermöglichte die Implementierung von Planungsstrategien, die Stadt und Region für die Ära fordistischer Produktion rüsten sollten. Es erwies sich darin als äußerst effektiv, aber auch als überaus elitär und ausgrenzend gegenüber den Interessen der nicht-besitzenden Klassen.
Anknüpfend an die mit dem Plan of Chicago begründete Tradition eines visionären strategischen Plans haben zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure in Chicago im Laufe der letzten 20 Jahre strategische Pläne veröffentlicht, in denen Städtebau, Freiraum-, Regional- und Infrastrukturplanung integriert und Stadtentwicklung abermals zur kollektiven Aufgabe der städtischen und stadtregionalen Öffentlichkeit erklärt wurde. Wie vor 100 Jahren lassen sich diese Pläne auch heute als eine Reaktion auf die räumlichen Probleme der Stadt(region) interpretieren, die Anfang der 1990er Jahre noch erheblich von den Folgen von Deindustrialisierung, Dezentralisierung und Segregation gezeichnet war.

Der Plan-Kult: Chicago Metropolis 2020

Auf Initiative von Elmer W. Johnson, ehemals Vizepräsident von General Motors, erarbeitete der Commercial Club 1999 einen neuen „Chicago Plan for the 21st Century“: Chicago Metropolis 2020. Mit diesem zweiten Plan nimmt der Commercial Club insbesondere die stadtregionale Dimension räumli­cher Entwicklung in den Blick: Autoorientierte Zersiedelung, den Verlust von Natur- und Naherholungsräumen, ineffektive Infrastruktursysteme sowie die Disparität von Wohnangeboten und Arbeitsplätzen sah er als Bedrohung lokaler Lebensqualität und globaler Wettbewerbsfähigkeit. Als Wurzel dieser Probleme identifizierte der Commercial Club die fragmentierte Governance-Struktur der Region, die eine unökonomische Konkurrenz der Kommunen und ein ungerechtes wie unökologisches Siedlungsmuster hervorgebracht habe.

Diesen Entwicklungen setzte Chicago Metropolis 2020 eine ausgearbeitete Strategie für nachhaltige stadtregionale Entwicklung entgegen, verzichtete jedoch im Gegensatz zum bildmächtigen Plan of Chicago auf konkrete Projekte. In erster Linie zielte der Plan darauf, die Kernstadt Chicago und ihr Zentrum zu stärken und das Wachstum auf regionale Zentren, sogenannte Intermodal Villages, zu konzentrieren. An diesen regionalen Knotenpunkten des Individualverkehrs und des, erheblich ausgebauten, öffentlichen Nahverkehrs soll es Arbeitsplätze und Wohnraum für alle sozialen Schichten geben. Die Konzentration städtischen Wachstums soll zugleich regionale Grünzüge bewahren. Um die sozial ungerechte Verteilung von Arbeitsplätzen, Bildungschancen und Gesundheitsversorgung in Angriff zu nehmen, sah der Plan bemerkenswer­terweise auch Reformen im Bereich Bildung und Governance vor, unter anderem einen regionalen Finanzausgleich sowie die Etablierung einer schlagkräftigen, staatlichen Regionalplanung. Wie im Plan of Chicago wurde so eine koordinierte stadtregionale Planung zum zentralen Instrument der Standortpolitik erklärt, ohne diesmal allerdings soziale Fragen stadtregionaler Entwicklung auszuklammern.

An der Erarbeitung des Plans wirkten, wie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sektorale Komitees des Commercial Club ebenso wie Experten aus Praxis, Politik, Wissenschaft oder Nonprofit-Organisationen mit. Die Implementierung des Plans trug der Commercial Club jedoch diesmal nicht der öffentlichen Hand an, sondern etablierte stattdessen die Nonprofit-Planungs-Organisation Chicago Metropolis 2020, die durch Mitglieder aus seinen Reihen gesteuert wird. Metropolis 2020 arbeitet als Think Tank für stadtregionale Entwicklung, berät und unterstützt als gemeinnütziges Planungs- und Forschungsbüro konkrete räumliche Projekte und kämpft als Pressure Group für Reformen, beispielsweise der Nahverkehrsorganisation oder der Wohnraumversorgung. Zu diesem Zweck bedient sich Chicago Metropolis 2020 vor allem des Netzwerks der Commercial Club-Mitglieder zu Politikern, Unternehmen und Behörden. Darüber hinaus werden punktuelle Bündnisse mit anderen Organisationen, Institutionen und politischen Repräsentanten geschlossen. Der Plan selbst ist die Grundlage des Kampfs um die Neubestimmung der Paradigmen regionaler Entwicklung. Seine wichtigste Funktion war es jedoch, die regionale Debatte anzustoßen.

Einen bedeutenden Meilenstein im Kontext dieser Debatte stellt die Vereinigung der beiden sektoral arbeitenden regionalen Behörden zu einer regionalen Planungsbehörde dar, die 2005 beschlossen wurde. Im Sommer 2010 hat die Chicago Metropolitan Agency for Planning einen Entwurf ihres ersten strategischen Plans der Öffentlichkeit vorgestellt (Go To 2040 Comprehensive Regional Plan). Wenngleich dieser Plan ebenso wie der Plan des Commercial Club vor allem strategische Ziele benennt, ohne diese implementieren zu können, erscheint allein die Gründung einer neuen, öffentlichkeitsorientierten stadtregionalen Behörde in einer der am stärksten segregierten und politisch fragmentierten Metropolregionen der USA revolutionär. Das Engagement und der öffentlichkeitswirksame Plan des elitären Commercial Club mit seinem erhebli­chen sozialen und finanziellen Kapital trugen sicher dazu bei, stadtregionale Fragen und die Idee stadtregionaler Koordination in der Politik und im öffentlichen Diskurs zu verankern. Allerdings bezieht erst die neu gegründete Chicago Metropolitan Agency of Planning mit ihrer aktuellen, breit angelegten Regional Visioning Initiative die Öffentlichkeit insgesamt aktiv in die Diskussion mit ein.

Plan-Kult 2010: Chicago Central Area Plan

Das erneute Engagement des Commercial Club für die räumliche Entwicklung erfolgte zu einer Zeit, als auch in Chicago selbst stadträumliche Transformationsprozesse erheblichen Ausmaßes in Gang waren, die von Akteuren aus Markt, Staat und Zivilgesellschaft getragen wurden. In den 1990er Jahren wurden die Ufer entlang des Chicago River und die öffentli­chen Räume im Loop, dem Central Business District der Stadt, mit großem Aufwand aufgewertet. In den Zentrumsrandgebieten wurden ehemalige industrielle Flächen durch Konversion und Nachverdichtung sowie den flächendeckenden Abriss des sozialen Wohnungsbaus zu begehrten Wohnorten der Ober- und Mittelschicht umgebaut. Schließlich schuf Chicago mit dem Millennium Park einen repräsentativen Grünraum internationalen Rangs und ein Symbol für den erfolgreichen Umbau des Zentrums, der von der Stadtregierung seit 1989 als zentrale Voraussetzung für die globale Konkurrenzfähigkeit Chicagos betrachtet und vorangetrieben wurde.

Nichtsdestotrotz legte die Stadt erst 2003 mit dem Chicago Central Area Plan ein umfassendes Planwerk für diesen Um­bau vor. Der Plan entstand auf Initiative des Bürgermeisters, wurde von der Verkehrs-, Planungs- und Umweltbehörde gemeinsam in Auftrag gegeben und von Skidmore, Owings & Merrill erarbeitet. 2009 wurden die Planungen durch den Central Area Action Plan mit Prioritäten versehen und konkretisiert. Die politische und gesellschaftliche Elite der Stadt wurde in diese Planungsprozesse durch ein mehrstufiges Beratungsverfahren eingebunden. Damit wurde die strategische Ausrichtung der Stadtentwicklungspolitik mit Gewicht versehen und so die Akzeptanz rechtsverbindlicher Planungen wie neuer Denkmalschutzsatzungen oder Flächennutzungsregelungen und öffentlicher Investitionen erhöht.

Der Central Area Plan propagiert die Vision Chicagos als global und regional bedeutsames, urbanes Zentrum von Dienstleistung, Wissenschaft und Kultur, dessen anhaltendes Wachstum im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung organisiert werden soll. Zu diesem Zweck weist der Plan Leitlinien für die räumliche Entwicklung der Innenstadt Chicagos in drei Bereichen aus: Nutzung und baulich-räumliche Gestaltung, Verkehr, Uferbereiche und öffentlicher Raum. Der Loop soll als Zentrum von kulturellen Einrichtungen, Colleges und Universitäten gestärkt und nach Westen als Bürostandort ausgedehnt werden. Dort soll er unmittelbar an einen erheblich ausgebauten zentralen Bahnhof mit verbessertem Nah-, Regional- und Fernverkehr angeschlossen sein. Der Ausbau der zentrumsnahen Gebiete zu Wohnquartieren für Ober- und Mittelschichten durch Konversion und Nachverdichtung soll fortgesetzt und durch die nötige soziale Infrastruktur wie Schulen und Spielplätze ergänzt werden. Als wesentlicher Faktor für die Attraktivität dieser Quartiere wie des gesamten Zentrums wird die Qualität des öffentlichen Raums und der Grünflächen betrachtet. Der Plan präsentiert eine Vision von Chicago als grünster Stadt der USA: Parks sollen in den zentrumsnahen Quartieren und im Loop entstehen, zum Teil auf spektakuläre Weise, zum Beispiel durch die Überdachung ei­nes Expressway mit einem Park. Entlang des Chicago River sollen öffentlich zugängliche Uferpromenaden und Grünzüge ausgebaut werden. Durch Umweltfreundlichkeit von Planung, Architektur sowie Energieversorgung soll, einmal mehr, die Lebensqualität in der Stadt erhöht werden.

Mit dem Central Area Plan werden die bisherigen Entwicklungstendenzen in eine strategische räumliche Gesamtplanung eingebunden und die marktgesteuerten Entwicklungen durch soziale Infrastrukturplanung, Grünflächen- und Nahverkehrsplanung ergänzt. Damit hat die Stadt ein richtungsweisendes strategisches Gesamtkonzept für den Aus- und Um­bau der Innenstadt in einen für (sub-)urbane Mittelschichten attraktiven Ort zum Wohnen und Arbeiten, aber auch zum Bereisen gegossen. Angesichts der erheblichen Not an bezahlba­rem Wohnraum im innenstadtnahen Bereich ist es allerdings erklärungsbedürftig, dass die drängende Frage nach der sozialen Wohnraumversorgung wieder einmal unerwähnt bleibt. Zugleich zeigt der Fokus des Plans auf das Zentrum deutlich, dass die Stadt bislang eine Initiative strategischer Stadtentwicklungspolitik für die ausgedehnten Armutsquartiere in der South und West Side Chicagos schuldig bleibt.

Zur Kultur der strategischen Planung

Die strategischen Pläne aus Chicago sind effiziente Instrumente, um innovative Strategien des Städtebaus im städti­schen und stadtregionalen Diskurs zu platzieren und ihnen gesellschaftliche Hegemonie zu verschaffen. Sie sind zudem nützlich dafür, mächtige informelle Entscheidungszirkel aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Bereich der Stadtentwicklung zu etablieren, die allerdings bekanntermaßen keineswegs den Ansprüchen demokratischer Planung Genüge tun. Durch ihre Beteiligungsstruktur und inhaltliche Schwerpunktsetzung produzieren strategische Pläne allzu leicht blinde Flecken, die im öffentlichen Diskurs mühsam wieder eingeholt werden müssen. Aller Wettbewerbsrhetorik und Standortlogik zum Trotz erfordert der aktuelle „Kult des strategischen Plans“ daher eine Kultur der strategischen Planung, die demokratisch dafür sorgt, dass die Interessen der gesamtstädtischen Bevölkerung berücksichtigt und gewahrt werden.

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