Herrschaft und Mythos
Burgenschauen in Nürnberg und Berlin
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Herrschaft und Mythos
Burgenschauen in Nürnberg und Berlin
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Eine opulent ausgestattete Doppelausstellung in Berlin und in Nürnberg beleuchtet die Geschichte der Burg in Mitteleuropa eingehend – und räumt dabei mit einer ganzen Reihe von Klischees auf.
Mehr als alle anderen Bauwerke sind es die Burgen, die unsere Vorstellung vom Mittelalter geprägt haben. Mit ihren gewaltigen Türmen, furchterregenden Verliesen und geheimnisvollen Gemächern regen sie nicht nur die Phantasie von kleinen und großen Kindern an. Im deutschsprachigen Raum hat es einst bis zu 50.000 dieser Festungsanlagen gegeben. Etwa ein Drittel davon gibt es heute noch, in sehr unterschiedlichen Erhaltungszuständen. Eine auf der Basis neuester Forschungsergebnisse opulent ausgestattete Doppelausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin und im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg beleuchtet die Geschichte der Burg in Mitteleuropa eingehend – und räumt dabei mit einer ganzen Reihe von Klischees auf.
Renditeobjekt Burgruine
Unter dem Titel „Burg und Herrschaft“ wird in Berlin mit Architekturfragmenten, Visualisierungen und
Modellen die historische Entwicklung der unterschiedlichen Festungstypen veranschaulicht. Anders als gemeinhin angenommen, fielen die Burgen auch nach Erfindung der Kanonen nicht etwa in eine Art Dornröschenschlaf, aus dem sie erst durch die Burgenromantik des 19. Jahrhunderts wachgeküsst worden wären. Die meisten Adelsburgen sind durchgängig bewohnt und regelmäßig dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend modernisiert worden. Andere Anlagen hat man für neue Nutzungen, als Amtssitz, Festung oder Gefängnis, umgebaut. Jahrhundertelang galt beim Großbürgertum (vom flämischen Barockmaler Peter Paul Rubens bis hin zum deutschen Großindustriellen August Thyssen) der Erwerb einer Burg nicht nur als Zeichen des sozialen Aufstiegs, sondern auch als zeitgemäße Investition in eine gewinnversprechende Immobilie. Selbst eine Ruine zu besitzen, konnte lukrativ sein, weil damit außer dem Rittertitel auch zahlreiche Nutzungsrechte an den Ländereien – Jagd, Bergbau, Brücken- und Straßenzoll – verbunden waren.
Unter dem Titel „Burg und Herrschaft“ wird in Berlin mit Architekturfragmenten, Visualisierungen und
Modellen die historische Entwicklung der unterschiedlichen Festungstypen veranschaulicht. Anders als gemeinhin angenommen, fielen die Burgen auch nach Erfindung der Kanonen nicht etwa in eine Art Dornröschenschlaf, aus dem sie erst durch die Burgenromantik des 19. Jahrhunderts wachgeküsst worden wären. Die meisten Adelsburgen sind durchgängig bewohnt und regelmäßig dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend modernisiert worden. Andere Anlagen hat man für neue Nutzungen, als Amtssitz, Festung oder Gefängnis, umgebaut. Jahrhundertelang galt beim Großbürgertum (vom flämischen Barockmaler Peter Paul Rubens bis hin zum deutschen Großindustriellen August Thyssen) der Erwerb einer Burg nicht nur als Zeichen des sozialen Aufstiegs, sondern auch als zeitgemäße Investition in eine gewinnversprechende Immobilie. Selbst eine Ruine zu besitzen, konnte lukrativ sein, weil damit außer dem Rittertitel auch zahlreiche Nutzungsrechte an den Ländereien – Jagd, Bergbau, Brücken- und Straßenzoll – verbunden waren.
Die Ausstellung „Mythos Burg“ in Nürnberg widmet sich der mythischen Überhöhung der Burg
als einer stets von Helden bevölkerten Wehranlage, wie sie in allen Bereichen der Kunst und Literatur
zu beobachten ist. Das beginnt schon im Mittelalter mit der Verbreitung der Sagen etwa um König Artus oder die Nibelungen, vor allem aber mit der „Gralsburg“ in Wolfram von Eschenbachs Versroman Parzival aus dem 13. Jahrhundert. Doch auch die Bauwerke und ihre Ausstattung selbst tragen zur Verklärung bei: Auf vielen Grabplatten, Wandteppichen und Fresken ist immer wieder eine heile Welt dargestellt, mit stolzen Herrschern, mutigen Rittern und erotischem Minnedienst.
als einer stets von Helden bevölkerten Wehranlage, wie sie in allen Bereichen der Kunst und Literatur
zu beobachten ist. Das beginnt schon im Mittelalter mit der Verbreitung der Sagen etwa um König Artus oder die Nibelungen, vor allem aber mit der „Gralsburg“ in Wolfram von Eschenbachs Versroman Parzival aus dem 13. Jahrhundert. Doch auch die Bauwerke und ihre Ausstattung selbst tragen zur Verklärung bei: Auf vielen Grabplatten, Wandteppichen und Fresken ist immer wieder eine heile Welt dargestellt, mit stolzen Herrschern, mutigen Rittern und erotischem Minnedienst.
Von der Verklärung zur Vereinnahmung
Die Burgenrenaissance des 19. Jahrhunderts verstärkte noch diese Vorstellungen durch historisierende Rekonstruktionen und phantasievolle Neubauten wie die Rheinburg Stolzenfels und etablierte gleichzeitig die Burg als Veranstaltungsort. Das Angebot reichte schon damals von gemeinschaftlichen Wanderungen und Ausflügen bis hin zu professionell organisierten Ritterspielen. Auch das „Hambacher Fest“ fand 1832 auf einer Burgruine statt; die politische Demonstration der frühliberalen bürgerlichen Opposition wurde als Volksfest getarnt.
Die Burgenrenaissance des 19. Jahrhunderts verstärkte noch diese Vorstellungen durch historisierende Rekonstruktionen und phantasievolle Neubauten wie die Rheinburg Stolzenfels und etablierte gleichzeitig die Burg als Veranstaltungsort. Das Angebot reichte schon damals von gemeinschaftlichen Wanderungen und Ausflügen bis hin zu professionell organisierten Ritterspielen. Auch das „Hambacher Fest“ fand 1832 auf einer Burgruine statt; die politische Demonstration der frühliberalen bürgerlichen Opposition wurde als Volksfest getarnt.
Bald vereinnahmten jedoch national-patriotische Kreise das Thema „Burg“. Im Dritten Reich wurde Deutschland gezielt als „Land der Dome und Burgen“ vermarktet, um Assoziationen zu einer vermeintlich ruhmreichen Vergangenheit zu wecken, die die Nationalsozialisten als Legitimation für ihre Herrschaft benutzten. Auch die SS knüpfte an den Mythos des heldenhaften Rittertums an und baute „Ordensburgen“ als Ausbildungsstätten für ihr Führungspersonal.
Anhand der ebenfalls in der Nürnberger Ausstellung vorgestellten Filmausschnitte von „Johanna von
Orleans“ bis „Ritter aus Leidenschaft“ wird schnell deutlich, warum vor allem in diesem Medium die
Erwartungen der Zuschauer bis heute statt mit geschichtstreuen Darstellungen lieber mit dem geballten Einsatz der mythischen Verklärung bedient werden: Die schwungvolle Erstürmung einer Burg mit Sturmleitern, Belagerungstürmen und Heeren von Bogenschützen ist inszenatorisch einfach erheblich reizvoller als eine langwierige Belagerung, die womöglich nur durch ein Aushungern der eingeschlossenen Bevölkerung zum Sieg führt.
Orleans“ bis „Ritter aus Leidenschaft“ wird schnell deutlich, warum vor allem in diesem Medium die
Erwartungen der Zuschauer bis heute statt mit geschichtstreuen Darstellungen lieber mit dem geballten Einsatz der mythischen Verklärung bedient werden: Die schwungvolle Erstürmung einer Burg mit Sturmleitern, Belagerungstürmen und Heeren von Bogenschützen ist inszenatorisch einfach erheblich reizvoller als eine langwierige Belagerung, die womöglich nur durch ein Aushungern der eingeschlossenen Bevölkerung zum Sieg führt.
Das im Rahmen einer für ein breites Publikum angelegten Ausstellung durchaus mutige Konzept, einen Bautypus und nicht etwa den Ritter oder das Leben im Mittelalter in den Mittelpunkt zu stellen, lässt interessante Blickwinkel zu. Vor allem die Nürnberger Schau führt durch die große Bandbreite der Exponate – darunter Comics, Heavy Metal-Plattencover, Kinderspielzeug und Bastelbögen, Propaganda-Material aus dem Drittem Reich, hochrangige Kunstwerke aus dem Mittelalter und zwei jeweils mehr als 20 Meter lange Panoramen der Burgenlandschaft des Rheins (1833) – die enge Verflechtung von Fiktion und Realität des sich stetig wandelnden „Mythos Burg“ vor Augen. Sie zeigt aber auch, dass dieser faszinierende Bautyp seit der mittelalterlichen Gralsburg über Neuschwanstein bis hin zum Dornröschenschloss in den Disneyland-Themenparks zeitlos aktuell bleibt.
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