Bauwelt

„In Nachbarschaft zur Weißenhof­siedlung wollen wir Mies toppen!“

Der Developer

Text: Marquart, Christian, Stuttgart

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Franz Fürst
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„In Nachbarschaft zur Weißenhof­siedlung wollen wir Mies toppen!“

Der Developer

Text: Marquart, Christian, Stuttgart

David Chipperfield, Ortner & Ortner, Baumschlager Eberle und KCAP brachte er zusammen, um auf dem Stuttgarter Killesberg ein Quartier mit Wohnungen, Büros und Geschäften zu bauen. Ein Porträt des Projektentwicklers Franz Fürst
Wenn Meinungsforscher nicht ausgelastet sind, unterziehen sie gern einzelne Berufsgruppen einem „Ranking“: Wie hoch ist das Ansehen von Professoren? Von Ärzten? Von Politikern? Von Altenpflegern, Architekten, Journalisten, Taxifahrern? Die Antworten der Statistiker überraschen selten: Hochschullehrer ist ein maximal respektabler Beruf. Ärzten zu vertrauen, ist im Zweifel lebenswichtig. Architekten, Taxifahrer und Altenpfleger rangieren irgendwo im Mittelfeld, Journalisten und Politiker regelmäßig am unteren Ende.
Und Projektentwickler? Über die weiß man wenig. Denn es handelt sich um eine eher kleine Berufsgruppe innerhalb der Bauwirtschaft, die sich nicht gerne in den Vordergrund drängt. Das Ansehen der Projektentwickler in summa korreliert mit der je aktuellen Einschätzung dessen, was man neuerdings „Baukultur“ nennt. Aber mit der Baukultur ist es so eine Sache: Die partielle, räumlich scharf segmentierte Unwirtlichkeit unserer Städte ist seit Jahrzehnten ein Dauerthema; um so mehr freut sich das Publikum über gute Architektur. Was aber gute Architektur sei – darüber herrscht wenig Einigkeit. Darunter leiden nicht nur Architekten, sondern auch Projektentwickler. Beider Tätigkeit wird in der Öffentlichkeit oft auf billige Klischees verkürzt; und wenn mal pauschale Schuldzuweisungen fällig werden, lassen sich diese Berufsgruppen prima gegeneinander ausspielen: „Selbstdarsteller“ gegen „Geschäftemacher“, leger gekleidete Bohemiens gegen raffinierte Spekulanten in Nadelstreifen. Wie auch immer – die Repräsentanten beider Professionen taugen einer empörungsbereiten Stadtgesellschaft ideal als Sündenböcke.
Projektentwickler sind die Bauherren der zweiten oder vielleicht auch schon dritten Moderne. Jener Moderne in der Architektur, die den traditionellen Bauherrn kaum noch kennt – weil sie ihn längst nicht mehr braucht. In der Rolle des Projektentwicklers – heute meist „Developer“ genannt – konvergieren Möglichkeitssinn, Geschäftssinn und ein Gespür für volatile Lebensstile auf zeitgemäße Weise: nämlich in Gestalt einer facettenreichen Dienstleistung, die nicht mehr an den alten, bodenständigen Bauherrn adressiert ist, sondern an ei­nen solventen, geschmacklich eher indifferenten Investor, der als dedicated follower of fashion für Dritte (selten zum eigenen Gebrauch) ein Stück Heimat auf Zeit realisieren lässt – oder ein trendiges office, das infolge der ständigen Restruk­turierung von Arbeit und technischer Infrastruktur zyklisch neuen Funktionsanforderungen anzupassen ist.
Einige Tugenden des Bauherrn alter Schule
Woran erkennt man Projektentwickler von Feld-, Wald- und Wiesenformat? Nicht besonders zuverlässig an dröhnenden Auftritten im Stil von Donald Trump. Eher schon an der öden Stadtkulisse, die sie ihren Auftritten selbst bereiten; an der fragwürdigen „Performance“ von Großprojekten, die umso profitabler ausfallen, je einfältiger sie gestrickt sind. Und woran erkennt man unkonventionelle Developer? An ihrem überschießenden Gestaltungsehrgeiz, der sich idealtypisch paaren mag mit triftigen Ideen und solider architektonischer und städtebaulicher Qualität.
In den „besseren“ und „guten“ Projektentwicklern wirken noch einige Tugenden des traditionellen Bauherrn alter Schule fort – allerdings unter dramatisch veränderten Umständen. Und das hört sich dann vielleicht so an: „In enger Nachbarschaft zur legendären Weißenhofsiedlung wollen wir Mies van der Rohe toppen!“ Diesen Appell richtete der österreichische Projektentwickler Franz Fürst nach eigenem Bekunden an ein Team international angesehener Architekten, die in seinem Auftrag am Stuttgarter Killesberg die Konversion eines aufgelassenen Messegeländes in ein neues Stadtteilzentrum mit gemischter Nutzung gestalten sollten.
Nach etwa sechs Jahren Planungs- und Bauzeit ist die Arbeit getan. Stuttgarts Norden hat jetzt einen echten Chipperfield, direkt am Übergang zum schönen Killesbergpark. Wohn- und Geschäftsgebäude mit Signaturen der prominenten Österreicher Baumschlager Eberle und Ortner & Ortner. Fer­ner von Kees Christianse aus den Niederlanden. Dafür keine „Fashion Mall“ von Barkow Leibinger, deren Entwurf für eine Show­room-Galerie der Bekleidungsbranche so lange „kostenoptimiert“ wurde, bis Termine verstrichen und potenzielle Mieter weitergezogen waren. Zu diesem Zeitpunkt allerdings fanden Fürst und die Architekten selbst keinen Gefallen mehr an diesem niedergesparten Gebäudeentwurf: „Aus dem vorher leichten, schwebenden Haus war unversehens ein Panzer geworden“, witzelt Fürst – und lobt doch die Entwerfer überschwänglich: So wie das Team Barkow Leibinger hätten sich seine Architekten selten bemüht, Entwurfsidee und Budget mit Anstand zur Deckung zu bringen.
Das Killesberg-Ensemble wird kaum so dramatisch Architekturgeschichte schreiben wie nebenan die Weißenhofsiedlung. Doch darf man konstatieren, dass hier ein privater Entwickler weit bessere Arbeit geleistet hat als die kommunale Verwaltung mit ihrem Bebauungsplan gleich gegenüber, auf der anderen, westlichen Flanke des Entrées zum Park: Dort durften, mussten sich auf teurem Baugrund nagelneue, aber extrem piefig wirkende Stadtvillen mit Satteldächern zusammenrotten, getreu einem Ausspruch des alten Stuttgarter Oberbür­germeisters Wolfgang Schuster, der 2006 das bevorstehende städtebauliche Redesign des vornehmen Killesbergs lakonisch so kommentiert hatte: „Wir brauchen keine zweite Weißenhofsiedlung.“
„Was ich brauche“, sagt Franz Fürst, „ist ein Grundstück und eine gute Idee. Das Geld kommt danach!“ Zunächst von der Bank. Wenn die ihm Kredite gibt, wertet Fürst das nicht nur als persönlichen Vertrauensbeweis, sondern auch als eine Art Qualitätslabel seiner „hochkarätigen“ Immobilienkonzepte. „Dabei sind unsere Baukosten meist höher kalkuliert als die anderer Projektentwickler“, sagt er. Fürst bemüht sich, Immobilien zu entwickeln, „die Begehrlichkeiten wecken“. Seine Rezeptur, mit Architektur eine Anmutung und Atmosphäre von „Großzügigkeit und Weite“ zu erzeugen, scheint bisher immer aufgegangen zu sein – jedenfalls dort, wo er mit seinem Faible für Architektur und renommierte Architekten dann auch zum Zuge kam.
In München war das nicht der Fall gewesen, als man ihn vor Jahren drei Wochen vor dem Abgabetermin einlud, an einem großen Investoren-Wettbewerb teilzunehmen, bei dem es um ein Filetgrundstück am Botanischen Garten ging, damals im Besitz des Freistaats Bayern. Der amtierende Finanzminister Faltlhauser – „ein selbsternannter Städtebau-Experte“, wie Fürst ironisch anmerkt – bestand gegenüber dem Bau­dezernat München erfolgreich auf einer hohen Bebauungsdichte; so sollte der Marktpreis des Grundstücks hochgetrieben werden. Franz Fürst holte sich für das Projekt die Architektin Ina Laux ins Boot. Gemeinsam „schrubbten“ sie alternative Entwürfe und reichten schließlich ein Angebot ein, das wohl bei den Münchner Kommunalpolitikern durchweg auf hohe Akzeptanz traf – aber nicht beim Freistaat: Faltlhauser wollte 65.000 qm BGF, Fürst blieb weit darunter.
Die Reaktion der Konkurrenz schildert er heute so: „Der Österreicher kann net rechnen, der zahlt zu viel“. Im Endergebnis wurde Fürst der Zuschlag verweigert. Der Investor, der schließlich zum Zug kam, sitze heute noch auf ein paar schlecht belichteten Wohnungen, während der Freistaat beim Grundstückpreis habe Federn lassen müssen, berichtet Fürst. „Der Ausgang der Sache hat mir besonders leid getan, weil wir recht behielten!“ 
Erinnerungen an eine schöne Heimatstadt
Ein Projektentwickler ohne den branchentypisch konditionierten Reflex, Nutzflächen zu maximieren, der begeistert von seinen Begegnungen mit Meisterarchitekten erzählt? Ein Developer, der vor maximalen Bebauungsdichten zurückschreckt und dabei Mies van der Rohes „Weniger ist mehr“ zitiert? Der behauptet, „wir“ könnten heute mit Bebauungsdichten um 3,0 GFZ planerisch gar nicht mehr angemessen umgehen – weder in gewachsenen Altstadtquartieren noch weiter draußen an der Peripherie, also jenseits enger, malerischer Gassen? „Es geht dann ja immer darum, einen Ausgleich zu schaffen mit besonderen Qualitäten des öffentlichen Raums“, sagt Franz Fürst: Und diese urbanen Features – interessante Erschließungen, Plätze, Grünräume etc. – die seien eben heute in den üblichen Finanzierungskonzepten kaum mehr unterzubringen.
Einer wie Franz Fürst gibt der – zugegeben: einigermaßen gewagten – Hypothese Nahrung, Developer sollten ihren Beruf besser nicht ohne authentische eigene Kindheits- und Jugenderinnerungen an eine schöne, atmosphärisch dichte Heimatstadt ergreifen; nicht ohne verinnerlichte visuelle Erfahrungen mit guten Gebäudeproportionen, lebendigen Fassaden, einer kleinteilig rhythmisierten Raumdramaturgie des Städtischen.
Fürst lebt nicht nur in Salzburg, er ist auch dort geboren und aufgewachsen. Seine ersten Lorbeeren als Projektentwickler erntete er im Zusammenspiel mit dem legendären Salz­burger „Gestaltungsbeirat“, dessen Mitglieder er – mutig, aber auch taktisch ziemlich geschickt – als Wettbewerbsjury über das eine oder andere seiner Salzburger Projekte entscheiden ließ. Eines davon trägt den Namen Fondachhof: eine Wohn­bebauung in nobler Umgebung des Ortsteils Parsch, auf der Grundlage eines Masterplans von Luigi Snozzi, inmitten einer Parkanlage mit alten Bäumen und einem historischen Herrenhaus, das heute als Firmensitz von „Fürst Developments“ fungiert. Beteilige Architekten unter anderen: Adolf Krischanitz aus Wien und Marc Mack aus Los Angeles.
Irgendwann wurde es Franz Fürst in Salzburg zu eng – jedenfalls, was seine Perspektiven als Projektentwickler betraf. Der gelernte Kaufmann, der über die Österreichische Wüstenrot in Kontakt mit der Immobilienwirtschaft kam, hatte schon 1980 seine erste Firma „Fürst Bauträger Marketing“ gegründet. Mit dem „Zentrum Herrnau“ stemmte er als Projektentwickler in der ersten Hälfte der neunziger Jahre erstmals ein Großprojekt und wies dabei nach, dass Mischkonzepte – die damals noch mißtrauisch beäugt wurden – durchaus „investmentfähig“ sind.
Obwohl Fürst als quasi autodidaktischer Developer durchaus erfolgreich agierte und bisher nach eigenen Angaben keinen einzigen „Ladenhüter“ produzierte, bezeichnet er im Rückblick seine Lernmethode des „Learning by doing“ doch als das „denkbar teuerste Studium“. Aber aus seiner Sicht folgt Projektentwicklung sowieso nicht der Logik von Handbüchern, wie sie zahlreich auf dem Markt sind. Es sind schon die besseren unter diesen Schriften, in denen die Autoren einräumen, dass das, was da als „richtig“ benannt werde, in jedem Einzelfall wieder interpretationsbedürftig sei.
Mit anderen Worten – es gibt keine universell anwend­baren Rezepte. „Ein Projektentwickler muss kreativ sein“, sagt Fürst, „und sehr flexibel.“ Darüber hinaus müsse er sehr darauf bedacht sein, wie sein Umfeld – die „Stakeholder“ – ihn wahrnähmen: Politiker, Verwaltungsplaner, Bänker, Investoren, Architekten, Bauleute, Generalunternehmer, Projektsteuerer, die Öffentlichkeit, Endkunden.
Orte mit Geschichte erleichtern das „Storytelling“
In den Immobilienmärkten ist Franz Fürsts ambitionierte Verknüpfung von Architekturqualität und gutem Städtebau derzeit vielleicht sogar eine Art Alleinstellungsmerkmal des Unternehmers – einerseits. Andererseits schmälert dieser Anspruch aber offenbar auch drastisch das Spektrum verfügbarer Immobilien, aus denen sich etwas machen ließe, das seinen Erwartungen (und denen seines Kundenkreises) entspräche. Um die Jahrtausendwende suchte Fürst in Berlin nach geeigneten Objekten, wurde aber dort partout nicht fündig und wandte sich Zürich zu. Dort baute er dann mit den Architekten Marie-Claude Bétrix und Eraldo Consolascio mit Blick auf die Zürcher Kreativszene ein schickes Bürohaus, dessen sich dann aber gleich der Pharmakonzern Pfizer bemächtigte. Die Architekten hatte er übrigens schon in Salzburg kennen und schätzen gelernt – als prominente Mitglieder des Gestaltungsbeirats.
Derzeit hat Franz Fürst ein Auge auf eine alte Werft in Neuburg an der Donau geworfen: Hier könnte, nicht weit weg von Wien, ein energetisch autarker Stadtteil direkt am Fluss entstehen. Herausfordernd findet er auch die Idee, aus Egon Eiermanns immer noch sehr beeindruckendem, derzeit leerstehenden IBM-Quartier in Stuttart-Vaihingen etwas Neues zu entwickeln. Denn Orte und Häuser mit einer interessanten Geschichte erleichtern dem Developer die Arbeit am „Storytelling“ im Prozess des späteren Immobilienmarketings. Kommunikation ist alles: Da geht es nicht nur um Begehrlichkeiten, sondern um die glaubhaft vermittelte Vision gesellschaftlicher Wärmeproduktion.
Letztlich um Kultur, um Baukultur. Beide seien ganz wesentliche Faktoren qualifizierter Projektentwicklung, sagt Franz Fürst – auch die Projektkultur und die darin verborgene Prozesskultur selbst: Entscheidend sei der Umgang untereinander und mit externen Partnern. Keine lauten Töne! Nach
anstrengenden Konferenzrunden den Partnern niemals einschüchternde, hundertseitige Gesprächsprotokolle hinterherschicken! Sein Erfolg, so Fürst, stehe und falle mit der Fähig­keit, kreative Menschen so durch einen steinigen Prozess zu führen, dass deren Motivation keinen Schaden nimmt.
Fakten
Architekten Chipperfield, David, Berlin/London; Ortner & Ortner, Berlin/Wien; Baumschlager Eberle, Lustenau; KCAP, Rotterdam
aus Bauwelt 1-2.2014
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