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In langer Tradition

Die Landes­ausstellung Sachsen-Anhalt widmet sich Otto dem Großen und dem römischen Reich

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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Foto: Hans-Wulf Kunze

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In langer Tradition

Die Landes­ausstellung Sachsen-Anhalt widmet sich Otto dem Großen und dem römischen Reich

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Die Schau räumt gründlich mit der volkstümlichen Vorstellung auf, nach dem Untergang des weströmischen Kaisertums im Jahr 476 hätten bis zur Erneuerung des Westreichs durch Karl den Großen Finsternis und Chaos geherrscht.
Der Dom zu Magdeburg ist zwar der erste gotische Dom in Deutschland – die monumentale Basilika greift aber nicht nur später entstandenen Sakralbauten vor, sondern weist auch zurück: mit ihren romanischen Details im Chor, mit dem der staufische Neubau 1207 begann, nachdem der ottonische Dom durch ein Feuer zerstört worden war; mit den Gräbern von Kaiser Otto I. (912–973) und seiner ersten Gemahlin Editha, und nicht zuletzt mit antiken Spolien, die aus dem Vorgängerbau geborgen und erneut verwendet wurden.

Die auffälligsten unter ihnen sind die sechs roten und grünen Säulen aus Porphyr und Granit, die im Chor des Doms das Kaisergrab umstehen. Sie fanden um das Jahr 960 herum, vermutlich im Kontext der Kaiserkrönung Ottos im Jahr 962, aus Ravenna oder Rom den Weg an die damalige Ostgrenze des Reichs, in eine Stadt, die – anders als Köln, Mainz oder Trier – nicht auf römischen Ursprung zurückblicken kann. Bis heute manifestiert sich in ihnen unübersehbar der Anspruch Ottos, seine kaiserliche Macht in der Tradition des (west-)römischen Kaisertums zu begründen.

Eine Ausstellung im Kulturhistorischen Museum in Sichtweite des Doms legt diesen Anspruch und die tatsächliche Kontinuität über tausend turbulente Jahre europäischer Geschichte hinweg derzeit so informativ wie anschaulich dar – ein Ereignis, das man in diesem Herbst nicht versäumen sollte. Die unter der Gesamtleitung von Matthias Puhle, Gabriele Köster und Ulrike Theisen kuratierte Schau räumt überaus gründlich mit der volkstümlichen Vorstellung auf, nach dem Untergang des weströmischen Kaisertums im Jahr 476 hätten bis zur Erneuerung des Westreichs durch Karl den Großen Finsternis und Chaos im Herzen Europas geherrscht. Stattdessen werden zahlreiche Kontinuitäten, aber auch viele Fortentwicklungen (spät-)antiker Errungenschaften vor dem Besucher ausgebreitet. Man sollte genug Zeit dafür mitbringen. Drei bis vier Stunden lassen sich mühelos verbringen auf dem labyrinthisch durchs Obergeschoss des Museums gewundenen Rundgang durch die Schau, um zumindest die wichtigsten Texte lesen, die politischen Karten studieren und die schillerndsten Exponate in Ruhe auf sich wirken lassen zu können. Zu ihnen gehören auch die erst 2005 auf Roms Palatin gefundenen, Maxentius zugeschriebenen kaiserlichen Insignien, welche, in Seide eingeschlagen und in eine Pappelholzschatulle sicher verpackt, möglicherweise nach dessen Niederlage gegen Konstantin in der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 dort oben vergraben worden waren.

Konstantin und die „konstantinische Wende“ besetzen denn auch einen wichtigen Teil in der Geschichte, die diese Ausstellung erzählen will. Mit ihm verbindet sich erstmals das römische Kaisertum mit dem christlichen Glauben – eine Verbindung, die in besagten Säulen im Magdeburger Dom noch heute architektonisch auftritt. Und Konstantin schuf mit der nach ihm benannten neuen Hauptstadt im Osten des Reichs auch den Ort, an dem sich das antike Staatswesen nach dem Untergang des weströmischen Kaisertums noch lange Zeit erhalten konnte.

Was sich der Architekt oder Stadtplaner in dieser zugleich langen und kurzweiligen Erzählung allein noch gewünscht hätte, wäre zweierlei: Zum einen einen längeren Blick auf all die aufgezeigten Kontinuitäten in der Architektur – nicht allein aufgrund von Spolien heißt die Epoche der Ottonen und ihrer Nachfolger noch heute „Romanik“ –, zum anderen zumindest ein Schlaglicht auf die Frage, wie sich die materiellen und kulturellen Erschütterungen von Reichsuntergang und -wiedergeburt, von Völkerwanderung und Christianisierung auf die römischen Städte und das Leben ihrer Bewohner ausgewirkt haben. Ein Thema für sich, mag sein. Ihr jeweiliger Kaiser, das wissen wir jetzt, sah sich immer auch als „Römer“.

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