Bauwelt

Jenas Tempelhofer Feld

Eine Bürgerbe­fragung hat die Eichplatz-Pläne gestoppt

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

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Rendering: Kommunale Immo­bilien Jena

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Jenas Tempelhofer Feld

Eine Bürgerbe­fragung hat die Eichplatz-Pläne gestoppt

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

Bürgerbeteiligung ist der stadtpolitische Trend der Gegenwart. An immer mehr Orten wollen die Bürger über Bauprojekte mitentscheiden. Dass dieses Partizipationsbedürfnis einschneidende Konsequenzen für die Stadtplanung hat, zeigte sich nicht nur kürzlich beim Tempelhofer Feld in Berlin, sondern zuvor auch schon in Jena, wo eine Bürgerbefragung die Pläne für die Bebauung des Eichplatzes zu Fall gebracht hat.
Der Eichplatz ist ein Ort, der schon lange polarisiert. Die große Freifläche im Zentrum der Stadt wurde 1970 mit dem Bau des Universitätshochhauses angelegt. Um für das Hochhaus einen großzügigen Vorplatz zu schaffen, hatte man seit 1969 ganze Altstadtquartiere abgerissen. An ihrer Stelle entstand der „Platz der Kosmonauten“, der zum Teil als Grünanlage (mit dem Orchideenbrunnen von Josef Bzdok, Detlef Reinemer und Rainer Schumacher) gestal­tet wurde, zum Teil als steinerner Kundgebungsplatz diente. Nach der Wende begann die Debatte über den Stadtraum, der nun wieder den historischen Namen „Eichplatz“ trug. Die Stadt betrachtete ihn in erster Linie als Problem. Zwei Argumente wurden stets vorgebracht: Zum einen galt der Freiraum als antiurbane Ödnis, die die Entwicklung eines attraktiveren Zentrums blockiere. Zum anderen wurde beklagt, dass er seinerzeit durch den Abriss von Altstadtquartieren erkauft worden war; dadurch habe Jena sein kollektives Gedächtnis verloren. Schon 1993 votierte der Stadtrat für eine Bebauung des Eichplatzes.
In der Folge verwahrloste der Ort zusehends. Der Orchideenbrunnen wurde beseitigt, die Grünanlagen verkamen, ein Großteil der Fläche wurde als Parkplatz genutzt. Gleichzeitig begann die Debatte über die Art und Weise einer Bebauung, bei der die Stadtverwaltung bemüht war, auch auf Kritiker einzugehen. So wurden beispielsweise Pläne für ein Justizzentrum und ein Shopping-Center nach heftiger Kritik wieder verworfen. Am Ende des Diskussionsprozesses stand ein Konzept der Büros Trzebowski Schiffel Architekten und Otto Architekten (beide Jena), Worschech und Partner (Erfurt) sowie ATP Architekten und Ingenieure (Frankfurt am Main), das zumindest von der Stadtverwaltung und großen Teilen der Fachöffentlichkeit als beispielhaft bewertet wurde.
Ein Grundsatz für die Bebauung der rund 10.000 Quadratmeter: kleinteilige Parzellierung und Nutzungsmischung. Geplant waren unterschiedliche Stadthäuser mit insgesamt 120 Wohnungen, mit Büros und kleinen Geschäften, die Monostrukturen vermeiden sollten. Weiterhin war vorgesehen, den größten Teil der Wohnungen durch die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Jenawohnen zu errichten, um sicherzustellen, dass bezahlbare Wohnungen entstehen. Die Struktur des Quartiers orientierte sich zwar am historischen Stadtgrundriss – inklusive der Verkleinerung des Platzes auf seine ursprüngliche Größe – für die Neubauten war aber zeitgenössische Gestaltung vorgesehen. Es sollte an die Stadtgeschichte erinnert werden, ohne eine „heile Welt“ vorzutäuschen.
Eine breite Koalition, die von den Parteien CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen über den Jenaer Baukunstbeirat bis hin zur Lokalpresse reichte, unterstützte das Konzept. Angesichts dieser Mehrheits­verhältnisse war es keine Überraschung, dass der Stadtrat am 4. Dezember 2013 für das nämliche Bebauungskonzept stimmte.
Über das Wie das Ob vergessen
Allerdings hatte der Konsens einen kleinen Schönheitsfehler. Bei allen Beteiligungsverfahren war immer nur darüber diskutiert worden, wie der Eichplatz bebaut werden solle, nicht aber, ob er überhaupt bebaut werden solle. Es zeigte sich, dass nicht alle hinter den Plänen standen. Bereits 2010 hatte sich die Bürgerinitiative „Mein Eichplatz“ gegründet, die gegen die Pläne mobilisierte. Ihre Kritik machte sich vor allem an zwei Argumenten fest: Einerseits wurde die Freifläche als Chance für einen innerstädtischen Park betrachtet. Andererseits wurde argumentiert, dass das Hochhaus einen großen Vorplatz benötige, um städtebaulich wirken zu können. Die Initiative startete mit Unterstützung der Partei Die Linke eine Kampagne gegen die Bebauungspläne. Sie sammelte rund 10.000 Unterschriften, organisierte Demonstrationen, veranstaltete Picknicks auf dem Eichplatz, pflanzte Blumen und erzwang schließlich eine Bürgerbefragung zur Eichplatz-Bebauung im März dieses Jahres.
Es folgte ein harter Wahlkampf, in dem nicht nur die unterstützenden Parteien, sondern auch Wirtschaftsvertreter für die Eichplatz-Bebauung warben. Umso überraschender das Ergebnis: Die Beteiligung war mit 63 Prozent unerwartet hoch. Und 62 Prozent der Wähler sprachen sich gegen die Bebauung aus. Wie es mit dem Eichplatz nach der Abstimmung weitergeht, ist völlig unklar. Zwar wird die bisherige Konzeption nicht realisiert, soviel ist sicher. Doches gibt eine starke Lobby, die weiter für eine Eichplatz-Bebauung kämpfen will.

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