Kölner Aufschwungmöbel
Von Obstbeleuchtung bis Gartenzwergregal
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Kölner Aufschwungmöbel
Von Obstbeleuchtung bis Gartenzwergregal
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Im vergangenen Jahr hatte sich die Kölner Möbelmesse im Schutze der Tradition verborgen und ausgesprochene Diätkost geboten.
2011 haben sich die Veranstalter angesichts günstiger Wirtschaftsdaten verhalten aus der Deckung gewagt. So zeugte eine halbe Messehalle voller Stoffe vom Abwind des Möbelverbands und vom fruchtbaren Mehrwert bislang vernachlässigter Randbereiche. Die Sektion „Living Kitchen“ richtete sich mit stadtweiter Werbung direkt an die Endverbraucher. Einen vorsichtig wiedererwachten Innovationsmut hat unser Autor auch bei einigen Objekten ausgemacht, die ihm beim Messerundgang aufgefallen sind.
Out of Brandhorst
Am Anfang stand ein Lounge Chair, den Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton eigens für das Museum Brandhorst entworfen hatten. Die hinten ausgestellten Beine und die im Kontrast dazu nach vorn schwingenden Armlehnen lassen an ein Insekt denken, das gleich springen und zuschnappen wird – insbesondere in der Fassung mit naturbelassenem Eichenholzchassis und Lederpolstern. Auf der Sitzfläche, die mit 41 Zentimetern die Sitzhöhe eines Stuhls hat, lässt es sich gut lümmeln, weshalb der zunächst nur als Einzelstück gedachte Sessel aufgrund der gro-ßen Nachfrage bei ClassiCon in Produktion ging. Inzwi- schen entwickelten die Architekten daraus die „Munich Series“, von der das Sofa – ein doppelter Lounge Chair sozusagen – überzeugt, der Coffee Table hingegen bieder daherkommt; die schon früher vorgestellten, nicht in Produktion befindlichen Stühle der Serie wirken angestrengt. Nur dem Lounge Chair
gelingt es, in gemeinhin steifen Foyers ein Kribbeln und Krabbeln hervorzurufen.
gelingt es, in gemeinhin steifen Foyers ein Kribbeln und Krabbeln hervorzurufen.
Lampenschüssel? Schüssellampe?
Die „Tafelstukken“ von Daphna Isaacs Burggraaf
und Laurens Manders stehen für sich und sind, auch ihrer (noch) limitierten Auflage und der Einzelfertigung geschuldet, mehr dem Kunstgewerbe als dem Gebrauchsdesign zuzuordnen. Nach der Ehrung durch die DMY Youngsters in Berlin im letzten Jahr bereicherten die Leuchtobjekte auf der Möbelmesse die Nachwuchssektion [D³] Design Talents. Der Name der Objekte ist abgeleitet vom Tafelaufsatz, jener heute meist nur mehr aus Blumen bestehenden zentralen Dekoration einer festlichen Tafel. Die Tafelstukken, aus Eiche gefertigt und mit Behältnissen und Leuchtkuppeln aus Porzellan, überlassen dem Benutzer, was er unter dem weichen Lichtstrahl in Szene setzen will: Früchte, Bücher oder vielleicht doch solche, stets vom Verschwinden bedrohten Dinge wie Schlüssel oder Mobiltelefone.
und Laurens Manders stehen für sich und sind, auch ihrer (noch) limitierten Auflage und der Einzelfertigung geschuldet, mehr dem Kunstgewerbe als dem Gebrauchsdesign zuzuordnen. Nach der Ehrung durch die DMY Youngsters in Berlin im letzten Jahr bereicherten die Leuchtobjekte auf der Möbelmesse die Nachwuchssektion [D³] Design Talents. Der Name der Objekte ist abgeleitet vom Tafelaufsatz, jener heute meist nur mehr aus Blumen bestehenden zentralen Dekoration einer festlichen Tafel. Die Tafelstukken, aus Eiche gefertigt und mit Behältnissen und Leuchtkuppeln aus Porzellan, überlassen dem Benutzer, was er unter dem weichen Lichtstrahl in Szene setzen will: Früchte, Bücher oder vielleicht doch solche, stets vom Verschwinden bedrohten Dinge wie Schlüssel oder Mobiltelefone.
Steckspiel
Drei Elemente, die in einer Kiste platzsparend ineinander geschachtelt sind, bilden das Grundset des Regalsystems „Konnex“. Die drei unterschiedlich großen, im Profil quadratischen und 20 bzw. 31 Zentimeter tiefen Regalbehälter haben auf allen vier Seiten kammförmige Einfräsungen. Dadurch können
die Behälter individuell zusammengesteckt werden. Das System steht frei im Raum oder lässt sich mit Bügeln an der Wand befestigen. Die vorne und hinten offenen Kästen bestehen aus 6 Millimeter dicken HPL-Kernplatten, einem robusten Verbundwerkstoff, die in der Fläche weiß, an den Kanten schwarz beschichtet sind. Im leeren Zustand bringt sich das Regal selbst zum Verschwinden, gefüllt mit Büchern und anderem wird daraus eine dreidimensionale abstrakte Komposition á la Mondrian.
die Behälter individuell zusammengesteckt werden. Das System steht frei im Raum oder lässt sich mit Bügeln an der Wand befestigen. Die vorne und hinten offenen Kästen bestehen aus 6 Millimeter dicken HPL-Kernplatten, einem robusten Verbundwerkstoff, die in der Fläche weiß, an den Kanten schwarz beschichtet sind. Im leeren Zustand bringt sich das Regal selbst zum Verschwinden, gefüllt mit Büchern und anderem wird daraus eine dreidimensionale abstrakte Komposition á la Mondrian.
Strick ist der neue Kautschuk
Er schätzt das Experiment mit dem Material und die Übereinstimmung von Produkt und Herstellung. Formal lässt sich der niederländische Designer Bertjan Pot aber im Unterschied zur reinen Bauhauslehre lieber von Vorhandenem inspirieren. So entwickelte er 2004 die Lampenserie „Old Fruits“, deren schwarzweiße Schirme an vertrocknetes Obst erinnern. Zur Kindermöbelkollektion, die Richard Lampert dieses Jahr auf der Kölner Messe vorstellte, trug er einen Sitzsack namens „Pit Stop“ bei. Dieser wird – einschließlich Reifenprofil, Seitenstück und Schriftzug – in einem Stück gestrickt, wodurch Abfall vermieden wird. Die Form des Autoreifens gefiel Pot, weil es ihn überall gibt und er nach Gebrauch oft als Spielgerät herhält. Zum Möbel verfremdet, doch visuell geläufig, wird der Sitzsack auch im Innenraum nicht als Fremdkörper empfunden.
Wie liegt man am Strand?
Die erste halbe Stunde werden alle Glieder ausgestreckt, die Gedanken fließen träge, man schläft ein wenig. Dann wird die Zeitung hervorgekramt. Doch im flachen Liegen zu lesen ist unbequem, die Arme erlahmen schnell. Die Faltdecke FIDA hat der gewöhnlichen Strandmatte voraus, dass zwei Ecken der Schmalseite mithilfe von Bändern und einem Verschluss zusammengezogen werden können. Das so entstehende aufrechte Dreieck schafft eine stabile Lehne, an der man bequem mit ausgestreckten Beinen sitzen kann. Der Bezugsstoff ist aus Cordura, einem widerstandsfähigen und wasserabweisenden Polyamid-Gewebe, die weiche Füllung besteht wie bei Isoliermatten aus PE-Schaum. Dadurch ist die Decke sehr leicht und zusammengefaltet auch handlich genug, um damit zu promenieren.
Ein Leben nach dem Muschelfraß
Der Schiffsbohrwurm handelt im Verborgenen und wird erst durch seine Spuren sichtbar – in zerfressenem Holz. Eigentlich ist er kein Wurm, sondern eine Muschelart, und in Venedig, dessen warmes Salzwasser er liebt, fühlt er sich besonders wohl. Die Eichenholzpfähle (Briccole), mit denen man in der Lagune die Fahrstrecken markiert, müssen alle fünf bis zehn Jahre ausgewechselt werden. Bislang wurden die geborgenen Hölzer verheizt. Doch die Möbelproduzenten Davide und Maurizio Riva waren von den Pfählen, die in den Randbereichen von der Muschel durchbohrt sind, derart fasziniert, dass sie namhafte Designer und Architekten einluden, aus dem Abfallholz Möbel zu konstruieren. In der Ausstellung „Zwischen den Pfählen Venedigs“ im Museum für Angewandte Kunst Köln, das in diesem Jahr endlich wieder in das Messegeschehen integriert war, kann über die Messe hinaus (bis 13. März) überprüft werden, welcher der 29 Entwerfer das Material am schönsten verwendet hat: Karim Rashid (Bank), Matteo Thun (Tisch), David Chipperfield (Regal), Antonio Citterio (Paravent) oder Paola Navone mit ihrem nahezu funktionsfreien, aber das Material ironisch würdigenden Regal?
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