Bauwelt

Konstruktive Kollisionen

Werkschau von de Vylder Vinck Taillieu in Dornbirn

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

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Filiip Dujardin

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Konstruktive Kollisionen

Werkschau von de Vylder Vinck Taillieu in Dornbirn

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

Auf den eigenen Lorbeeren ausruhen gilt nicht. Und so holt sich das Vorarlberger Architektur Institut, ­Repräsentant einer der lebendigsten Architekturregionen des Kontinents, Repräsentanten der derzeit vielleicht angesagtesten Newcomer-Region ins Haus: de Vylder Vinck Taillieu aus Flandern.
Dornbirn, Marktstraße 33, Besprechung des Ausstellungsaufbaus im Vorarlberger Architektur Institut (vai) mit Jan de Vylder und Jo Taillieu. Genau nehmen sie den Raum in den Blick – und weil sie Architek­ten sind, heißt Ausstellen zuerst: Raum bilden. Verschiedene Konzepte spielen sie durch, und abweichend vom vertikalen Eingriff bei ihrer Werkschau kürzlich in Antwerpen wollen sie hier den Raum auf einer horizontalen Ebene „fluten“, mit Fotos, Modellen, Zeichnungen und eigenen Möbeln.
Seit rund zehn Jahren ist Flandern aus dem Architektur-Dornröschenschlaf erwacht – dokumentiert durch die Berufung eines „Vlaams Bouwmeester“, eines Regierungsarchitekten, der als Katalysator der Begegnung von Architekten und Bauherren fungieren soll. Dazu gesellte sich das Vlaams Architekturinstituut (das mit den selben Buchstaben wie die Vorarlberger kürzelt: VAi). „Entscheidend ist das Engagement Einzelner“, so Peter Swinnen, der amtierende Vlaams Bouwmeester, „Engagement nicht von oben, wie etwa in den Niederlanden, sondern von unten, von der Basis. Eine sehr flämische Entwicklung.“
Vielleicht stehen de Vylder Vinck Taillieu aus Gent speziell für diesen Aufbruch und die Besonderheit in Flandern. Seit etwa zehn Jahren sind die
um 1970 Geborenen als Architekten selbständig, begegneten sich zuvor schon in anderen Büros (Bauwelt 41.09); seit zwei Jahren sind Jan de Vylder, Inge Vinck und Jo Taillieu ein festes Team. Ihr Werkverzeichnis führt etwa dreißig realisierte Projekte, eben­so viele ausgearbeitete Planungen. Mit dem Mo­dell eines Wohnhauses für die Mongolei, als Beitrag zu Ai Weiweis Projekt Ordos 100 entstanden, vertraten sie ihre Region auf der Biennale in Venedig 2010. Dieses Modell ist eine Collage, eine Durchdringung oder vielmehr: eine Karambolage mehrerer Häuser – und bezeichnet so etwas für das Büro Typisches. In zweierlei Hinsicht: Die überwiegende Zahl der Projekte sind „Häuser“, dem Wohnen und priva­ten Tun gewidmet. Und bei rund zwei Dritteln davon handelt es sich um Umbauten, Erweiterungen, Ergänzungen – Fortschreibungen von Vorgefundenem also. Was wiederum flämische Tradition ist: weitgehend privat geprägtes Bauen, situativ, kleinmaßstäblich.
Zuerst, so führt Jan de Vylder aus, sei entscheidend, was schon da ist; dann die Frage, was dazu muss; darauf: ordnen unter der Prämisse, sowenig tun wie nötig; schließlich: Elemente, die da sind, verwenden. Dass auf diese Weise Raumgebilde entstehen, die nicht unbedingt akademisch zu nennen sind, liegt auf der Hand. Gleichwohl, künstlerisches Wollen ist den Architekten fremd. Undogmatisch, pragmatisch wären vielleicht Stichworte; Kritiker bemühen auch schon mal „Bricollage“ nach Claude Levy Strauss. Kann das verwundern, wo ein Partner aus einer Zimmererfamilie kommt, ein anderer eigentlich Autos entwerfen wollte (und erst mal bei Jura gelandet ist)?

Die Bauten seien nie fertig, meinen manche. Falsch: Sie sind immer fertig!
Handwerk spielt für de Vylder Vinck Taillieu eine große Rolle – und die Baustelle. Noch immer gehören Baustellenbesuche zum Tagespensum. Ein be­sonderes Werk der Hand ist für sie die Zeichnung. Nicht Rendering, nicht Plot, nicht Illustration – sondern Zeichnung: Linien, schraffierte Flächen, jen­seits der Zentralperspektive, „unprofessionell“, Umkreisung des Objekts – kürzest möglicher Schluss von Hand und Hirn, Vision und Realität. Und wenn dann ein Projekt auf diese Weise durchdacht ist, erfährt es Probe, Korrektur, Verbesserung auf der Baustelle. Diese Direktheit macht ihre Arbeit aus, ist ihnen so wichtig, dass sie daran denken, das Büro zu verkleinern, denn, so meint Jo Taillieu: „Best prac­tice is small practice.“ Und an einem kommt man in Flandern schwer vorbei: am Ziegelstein. Unzählig daher die Skizzen von Mauerstücken, Fragmenten, Verbänden: „Bauen mit Ziegel: Das wird nie langweilig.“
Wenn Bricollage die Methode des Büros beschreibt, dann charkterisiert wohl Kontext den Bezug. Doch dem liegt noch etwas zugrunde: Wenn Jan de Vylder von „plan“ von „drawing“ spricht, dann vom „act of drawing“, „it is the making“. Das Tun also, die Beziehungen und Verbindungen, die sich dabei herstellen. Bauen, das war vor uns und wird nach uns sein; der Ort war vor uns und wird nach uns sein – ein anderer und doch derselbe (ob wir tun oder nicht). „Manche Leute meinen, unsere Bauten seien nie fertig. Falsch! Sie sind immer fertig!“, sagt de Vylder – Pause – und lacht.
Es wird verständlich, warum sich das vai dieses Team eingeladen hat. So denkt und handelt, wer etwa einen Bauernhof führt, mit „seinem Sach’ umgeht“, angemessen weiterbaut. Da kann eigene Schönheit entstehen, „schöner Gebrauch“, wie Bruno Taut das genannt hat. Das weiß man in Vorarlberg. Und umso anregender und spannender ist es zu sehen, wie das anderswo genauso und doch ganz anders geht.
Fakten
Architekten de vylder vinck taillieu, Gent
aus Bauwelt 17.2012
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