Kultur als Stadtentwickler
Projektparade in der Berliner Akademie der Künste
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Kultur als Stadtentwickler
Projektparade in der Berliner Akademie der Künste
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Wer über den Einfluss von Kulturbauten auf die umgebende Stadt nachdenkt, kommt beinahe automatisch auf Bilbao und Frank Gehrys silbern glänzenden, baskischen Ableger des Guggenheim-Museums zu sprechen.
Eine Million Besucher pro Jahr und das kontinuierlich seit der Eröffnung 1997 – das Versprechen, eine Stadt im Niedergang durch Kultur wieder zu beleben, ist hier eingelöst worden. Und doch: „Sind die kulturellen Aktivitäten, für die sich Politiker und manche Bürger engagieren, wirklich der Grund, weshalb Bauten für die Kultur errichtet werden?“ So fragt Wilfried Wang, früherer Direktor des Deutschen Architekturmuseums und gemeinsam mit dem Architekten Matthias Sauerbruch Kurator der Ausstellung „Kultur:Stadt“ in der Akademie der Künste Berlin, in seinem Einleitungstext zum Katalog. „Oder sind diese Bauten nicht schlichtweg die sich verselbstständigten Mittel zur Mehrung von endlosem Ruhm?“ In dieser doppelten Frage äußert sich ein verbreitetes und nicht nur angesichts der enormen Kosten von Kultur-Neubauten berechtigtes Unbehagen. So, wie römische Würdenträger sich in Tempeln und Thermen selbst zu feiern pflegten, verbindet sich heute mit Museen oder Theatern nicht selten ein Politikername, am deutlichsten in Frankreich, wo sich Präsident Mitterrand mit seinen „Grands projets“ verewigt hat.
Es hätte also nahe gelegen, die Ausstellung über das Verhältnis von Kulturbauten und Stadtentwicklung, von Kultur und Gesellschaft auf derartige von Ruhmsucht beförderte Vorhaben zu konzentrieren. Davon sind Wang und Sauerbruch zum Glück weit entfernt. Ihre Auswahl von 37 Projekten, verteilt auf einen Prolog und fünf Kategorien der Gegenwartsarchitektur, spiegelt eine erfrischende Offenheit für Großes und Kleines, für Dauerhaftes und Temporäres. Der Prolog widmet sich den „ikonischen“ Gebäuden, jenen, an denen sich die Vorstellung von Stadtmarketing durch Kulturbauten entzündete: das Opernhaus in Sydney, die Philharmonie und die Neue Nationalgalerie am Kulturforum Berlin, das Centre Pompidou in Paris. Anschließend daran die „neuen Ikonen“: Guggenheim Bilbao, Tate Modern London, die Hamburger Elbphilharmonie – längst nicht fertig, durch ihren konfliktreichen Bauprozess indessen schon jetzt ein Projekt mit Geschichtswert.
Des Weiteren kann die Auswahl nur mehr subjektiv und stichwortartig sein. Aberhunderte von Kulturbauten rund um den Globus sind in den zurückliegenden zwanzig Jahren entstanden. Daraus auszuwählen, heißt, den größten Teil auszulassen. Gerade darum ist die Vielfalt der Stile, Haltungen, Herangehensweisen, die das Kuratorenduo einbezieht, so überzeugend. Die Ausstellung macht keine Propaganda für irgendwen oder irgendwas. Sie zeigt Möglichkeiten auf. Die Gemeinsamkeit besteht in der Präsentation durch Modelle, eines, ganz selten zwei pro Projekt. In der großen Halle der Akademie am Hanseatenweg sind sie gleichmäßig verteilt, als Inseln im Halbdunkel des Raums.
Verflüchtigung ins Virtuelle
Doch die Parade der Modelle erklärt sich nicht. Informationen zu den Projekten sind nur über iPads abrufbar, die der Besucher ausleihen kann. Das Medium Ausstellung verflüchtigt sich ins Virtuelle. Es fehlt zudem, was doch die Kernthese sein soll, nämlich eine Darstellung der Wirkung von Kulturbauten auf die umgebende Stadt. Lediglich drei Modelle zeigen den Kontext, in dem sich die Bauten befinden; ob dicht oder dünn bebaut, Stadt oder Brache. Das genau aber wäre wissenswert. Zumal im Kapitel „Stadt als Palimpsest“. Da geht es um die historische Überlagerung und Neunutzung, vorgeführt etwa am Pariser Palais de Tokyo von Lacaton & Vassal oder der Essener Zeche Zollverein nach Generalplan von OMA. Überraschenderweise findet sich da auch das vom Büro Karhard gestaltete Berliner Club-Konglomerat „Berghain“, dies nun das glatte Gegenteil eines öffentlichen Raums: „Nur Auserwählten ist der Zugang gestattet“, vermerkt der Katalog trocken.
Die beiden treffendsten Projekte der Auswahl sind zum einen die Biblioteca España im kolumbianischen Medellín, weithin sichtbar hoch über einem Armutsquartier gelegen, dessen Bewohner so erstmals Zugang zu Büchern und Bildung bekommen. Zum andern die Detroiter Suppenküche zweier Künstlerinnen, die seit 2011 an wechselnden Orten Abendessen ausgeben: „$ 5 for soup, salad, bread, and a vote!“ Votierten sollen die Verköstigten für Kulturinitiativen in der jeweiligen Nachbarschaft. An die-sem Projekt beweisen die Kuratoren, dass Kultur eine Stadt beeinflussen kann, selbst wenn sie nicht einmal ein Haus besitzt, geschweige denn einen „ikonischen“ Prachtbau nach Politikergeschmack.
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