Bauwelt

„Laut und schmutzig wird es werden – das reizt mich besonders“

Bauwelt-Interview mit Tim Riniets

Text: Winterhager, Uta, Bonn; Schlei, Barbara, Köln

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Foto: StadtBauKultur NRW/Cristóbal Márquez

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„Laut und schmutzig wird es werden – das reizt mich besonders“

Bauwelt-Interview mit Tim Riniets

Text: Winterhager, Uta, Bonn; Schlei, Barbara, Köln

Sieben Fragen an Tim Rieniets, den neuen Lei­ter der Landesinitiative Stadt­Bau­Kultur NRW
Herr Rieniets, liest man Ihre Vita, taucht immer wieder der Begriff „Stadtforscher“ auf. Was bedeutet Stadt für Sie?
Damit könnte man Bücher füllen ... Die kürzeste Definition von Stadt ist für mich, dass es sich um eine besondere Art des Zusammenlebens von Menschen im Raum handelt. Daran lassen sich dann strukturelle, räumliche und architektonische Fragen ableiten. Die Suche nach der bestmöglichen Form für diese besondere Art des Zusammenlebens ist der Antrieb meiner Arbeit. Auch wenn wir es hier in NRW zum Teil mit schrumpfenden Städten zu tun haben, halte ich die Stadt an sich nach wie vor für sehr zukunftsträchtig. Denn sie bietet die besten Voraussetzungen, um für alle unmittelbar anstehenden Probleme – Klimawandel, demografischer Wandel, Umweltschutz – Lösungen zu finden.
Es gibt die Architekten, die Bauherren und Investoren, die Städte und die Bürger. Wo steht die Landesinitiative?
Es gibt natürlich eine Wunschvorstellung und eine Realität, die davon abweicht. Ich sehe unsere Aufgabe darin, Schnittstellen zu bedienen und Interdisziplinarität attraktiv zu machen. In unserem Programm haben wir vier Themen festgelegt, drei davon (UmBauKultur, Wir-Urbanismus, LebensRäume) sprechen diejenigen an, die aktiv Projekte machen. Ob das ein Architekt oder ein Laie ist, macht keinen Unterschied, solange baukulturelle Ziele im Vordergrund stehen. Wir haben aber auch ein Format (StadtGespräche), mit dem wir auf Städte und Bürger zugehen, um dort den baukulturellen Diskurs zu fördern. Natürlich können wir nicht alle zufriedenstellen, weder alle Bewerber, noch alle Kommunen. Darum müssen wir unsere Aktivitäten gezielt und strategisch auswählen. Aber im Prinzip haben wir den Anspruch, alle ins Boot zu holen und überall präsent zu sein.
Wohin gehört die Baukultur? Auf die Straße, ins Museum, in die Köpfe der Planer ...
Die klassischen Formate wie Publikation, Symposium und Ausstellung interessieren mich weniger, davon bietet NRW ohnehin ein breites und gutes Angebot. Die erste Dekade StadtBauKultur hat gute Arbeit geleistet, den Diskurs zu befeuern. Wir möchten mehr Projekte mit Praxisperspektive machen und dahin gehen, wo es brennt.
Ein Beispiel?
Mit der Stadt Gelsenkirchen versuchen wir ein Pilotprojekt zur Sanierung sogenannter Schrottimmobilien aufzubauen. Das Konzept dafür stammt aus Rotterdam, auch dort gibt es Immobilien in Quar­tieren, in denen die Mieten so niedrig sind, dass eine konventionelle Sanierung sich nicht lohnen würde. Deshalb hat die Stadt diese Schrottimmo­bilien selbst gekauft und dann unter Marktwert an private Bauherren veräußert, die sich verpflichten mussten, das Haus in Eigenleistung zu sanieren und selbst drei bis fünf Jahre darin zu leben. Damit soll Spekulation ausgeschlossen und persönliches Engagement gefördert werden. Auch Gelsenkirchen hat ein großes Portfolio an Schrottimmobilien und sehr aufgeschlossene Menschen in der Kommune, die das Experiment unterstützen würden. An diesem Vorhaben reizt mich besonders, dass es hier um echte Häuser geht und dass es laut und schmutzig wird. Ich will auf jeden Fall verhindern, dass die StadtBauKultur NRW als ein „netter Kulturclub“ missverstanden wird.
Verschiebt sich also Ihr Aufgabenfeld vom Katalysator und Sponsor hin zum Initiator und Entwickler, der eine ganz bestimmte Richtung vorgibt?
So ist es. Wir wollen thematische Schwerpunkte setzen, um unsere Ziele besser kommunizieren zu können. Ja, und wenn wir auf Themen stoßen, die uns wichtig erscheinen, werden wir auch selber Projekte initiieren. Wir können Projekte jedoch nur anschieben und müssen die Durchführung anderen überlassen, weil wir selbst keine ausreichenden Mittel haben.
Wie hoch ist der Betrag, den das Land jährlich für die Landesinitiative StadtBauKultur bereitstellt?
Das ist kein Geheimnis. Für die Geschäftsstelle der Landesinitiative StadtBauKuktur NRW ist pro Jahr ein globales Budget von 877.000 Euro vorgesehen, davon kann etwas mehr als die Hälfte für Projekte verwendet werden.
Welche Kriterien muss ein Projekt erfüllen, um von der StadtBauKultur NRW unterstützt zu werden?
Es muss in unseren Katalog passen, es muss gemeinnützig sein, es muss innovativ sein und einen gewissen qualitativen Standard erreichen. Und eine Praxisperspektive wäre wünschenswert. Ich schließe zwar kein Projektformat aus, aber ich habe schon das Anliegen, aus den Hörsälen und Ausstellungsräumen hinaus zu gehen.
Fakten
Architekten Rieniets, Tim
aus Bauwelt 47.2013
Artikel als pdf

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