Leben statt Wohnen
5. Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt
Text: Rumpf, Peter, Berlin
Leben statt Wohnen
5. Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt
Text: Rumpf, Peter, Berlin
Zum fünften Mal luden Christoph Mäckler und Wolfgang Sonne vom Deutschen Institut für Stadtbaukunst, Universität Dortmund, in die wunderschönen Räume der Düsseldorfer Rheinterrassen.
Das Thema in diesem Jahr: Stadtleben statt Wohnen. Und es kamen: nur wenige Architekten, aber erfreulich viele Stadtplanungsdezernenten, Baubürgermeister, Stadtbauräte, Beigeordnete und Oberstadtdirektoren.
Es mussten also nicht die missioniert werden, die sowieso in die Kirche gehen. Das Interesse der sonst Architektenansammlungen eher Meidenden war neu, wie auch die Themen soziale Mischung und Nutzungsvielfalt in der Stadt. Alt hingegen war – und wird es wohl auch bleiben – der Vorwurf an die Initiatoren der Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt, Ewig-Gestrige zu sein und den rasanten Wandel in der Gesellschaft und im Miteinander zu ignorieren. „Im Gegenteil! Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, nicht indem wir sie imitieren, sondern darauf aufbauen“, so Mäckler und Sonne. Diesem Ceterum censeo haben sich die beiden, ihr Institut und die Architektenkollegen im Geiste nun mal mit nicht erlahmendem Engagement verschrieben.
Zurück zu den anwesenden Praktikern aus der Verwaltung. Für sie gab es zunächst reichlich Schwarzbrot, bevor man sich am zweiten Tag der „Schönheit“ nähern konnte. Bodenwertsteigerung, Produktionsverfahren, Erbbaurecht, Entparzellierung, Grundsteuerveranlagung, Baunutzungsverordnung, der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz und – last but not least – die seit 100 Jahren anstehende Lösung der Bodenfrage. Diese Begriffe und was sich dahinter verbirgt, wie man sie in den Planungsbehörden oder vor den Stadtverordneten interpretiert bzw. instrumentalisiert, ist das tägliche Geschäft der kommunalen Vertreter, wie sie hier versammelt waren. Und wie daraus die Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt erwachsen kann, das war das Thema des ersten Tages. Auch wie sie daran scheitern kann. „Wenn die Produktionsbedingungen verhindern, dass wir urbane Städte bauen, dann muss man diese Produktionsbedingungen ändern.“ Das fordert Christoph Mäckler, wohl wissend, wie utopisch seine Forderung ist. Oder wie es der Schriftsteller Martin Mosebach in seinem Einleitungsvortrag konstatierte: „Wir können Städte nicht mehr erschaffen.“ Wobei er die Architekten mit in die Haftung nimmt. Sein Rat an sie: Verhindern, Verlangsamen, Unterlassen!
Alle haben Murx gebaut!
Aber deshalb war man ja nicht zusammengekommen. Also ging man auf die Suche nach positiven Beispielen, wie der Stadt oder den am Stadtrand entstehenden Neubaugebieten Urbanität verliehen werden kann: z.B. München-Haidhausen, Block 22, oder Duisburg, Hartenecker Höhe. Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter pries – nicht zum ersten Mal – seine HafenCity an, ohne zu verhehlen, wie schwer und teuer es ist, Leben in die Erdgeschosszonen zu bringen. Der Tante-Emma-Laden ist tot, darüber herrschte Einvernehmen. Was an seiner Stelle einziehen könnte – Sozialeinrichtungen, Computerberater, Architekturbüros –, niemand weiß es, erst recht nicht mit Blick in die Zukunft. Natalie de Vries von MVRDV rät zu Transformation, der konstruktiven Möglichkeit zur mehrfachen Nutzungsänderung.
Der Dauerbrenner Parzellierung durfte nicht fehlen, obwohl Arno Lederer von grassierendem Parzellenschwund zu berichten wusste, z.B. durch den Gottseibeiuns ECE. Auch musste offen bleiben, ob kleinere Parzellen per se „städtischer“ sind als Großstrukturen. Auf die Details kommt es an. Womit die Diskussion von der sozialen und funktionalen Mischung bei der Gestaltung angelangt war. Der FAZ-Redakteur Dieter Bartetzko dazu: „Ich habe drei Generationen Architekten kennengelernt; alle haben Murks gebaut!“ Aber deshalb war man ja zusammengekommen. Auch wenn man die große Lösung nicht erwarten, aber kleine Schritte versuchen kann. Für Mäckler sind dies seine „Stadtbausteine“, die es zu entdecken und anzuwenden gilt – Straßenraum, bebaute Ecke, Erker, Dachabschlüsse und mehr. „Die Außenwände der Innenräume sind die Innenwände der Außenräume.“ Und als Resümee von 14 Stunden engagierter Diskussion: „Wir sind weit gekommen; Stadtbauräte sprechen über Gestalt.“
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