Bauwelt

Manfred Schiedhelm (1934–2011)

Erinnerungen von Helmut Schulitz

Text: Schulitz, Helmut C., Braunschweig

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Foto: Archiv Giorgio Ciceria

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Manfred Schiedhelm (1934–2011)

Erinnerungen von Helmut Schulitz

Text: Schulitz, Helmut C., Braunschweig

Unsere Freundschaft begann sehr seltsam. Ein Bekannter in Los Angeles hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass eines meiner Projekte, das in verschiedenen ausländischen Publikationen veröffentlicht war, so große Ähnlichkeit mit dem Projekt eines anderen Architekten habe, das zur gleichen Zeit in einer deutschen Fachzeitschrift erschienen war, dass der Verdacht aufkommen könne, ich hätte von diesem abgekupfert.
Der Name des Architekten blieb mir im Gedächtnis: Manfred Schiedhelm. Als ich zwei Jahre später die Übertragbarkeit europäischer Bausysteme auf den amerikanischen Markt untersuchte, war es selbstverständlich, auch die Baustelle der Freien Universität Berlin aufzusuchen. Auf meiner Fahrt quer durch Europa hatte ich immer wieder gehört, dieser Bau sei ein Meilenstein in der Entwicklung von Bausystemen. So stolperte ich in das Berliner Büro von Candilis Josic Woods am Magdeburger Platz hinein, um mich mit einem der Partner zu unterhalten. Keiner der Herren war anwesend, stattdessen stellte sich als Projektarchitekt und Bürochef ein Mann mit dem Namen Manfred Schiedhelm vor. Ich war völlig überrascht. Und natürlich unterhielten wir uns nicht nur über die FU, sondern auch über die Plagiatsvorwürfe.
Er lud mich spontan ein, ihn zu Hause in der Berchtesgadener Straße zu besuchen, wo er ein kleines Studio unterhielt. Das Atelier war voll mit Modellen von Wettbewerben und Projektstudien. Jedes Projekt beinhaltete eine Innovation: vom mobilen Wohnen mit temporären, pneumatischen Erweiterungen bis zu einer mehrgeschossigen Stadthalle in einer pneumatischen, expressiven Hülle. Ich war restlos begeistert. Wir besuchten noch die FU-Baustelle, und ich reiste mit dem Gefühl nach Los Angeles zurück, einen großen Architekten kennengelernt zu haben, mit dem mich vieles verband.
Erst später erfuhr ich, wie Manfred Projektarchitekt für die FU geworden war. Vor allem Shadrach Woods hatte das Wettbewerbsprojekt entworfen; ihm wurde dann aber eine Professur in den USA angeboten, und er kehrte endgültig in seine Heimat zurück. So machte man Manfred Schiedhelm 1966 zum gleichberechtigten Partner im Büro Candilis Josic Woods und ließ ihn das Projekt selbständig realisieren.
1971 beteiligte Manfred sich am weltweit offenen Wettbewerb für das Centre Pompidou in Paris und gewann einen zweiten Preis. Sein Entwurf überspannte eine Blockrandbebauung mit einem Pneu und schuf einen komplexen Hofraum für die vielfältigen Funktionen des Kulturzentrums. Mit dieser
Arbeit gelang ihm international der Durchbruch. Er wurde zu Vorträgen eingeladen und als Gastprofessor an die Harvard-Universität berufen. Ich habe ihn als Gastprofessor an die Universität von Kalifornien (UCLA) eingeladen, wo man ihm 1977 eine Vollzeit-Professur anbot. Doch das Pendeln zwischen Berlin und Los Angeles behagte ihm nicht. Er wollte zurück in sein Büro und sich auf das Bauen konzentrieren. So kehrte der UCLA nach nur wenigen Jahren den Rücken. Aus Kalifornien nahm er aber einen wichtigen Teil seines Lebens mit: seine Frau Karen, die er als Studentin an der Universität kennengelernt hatte. Karen wurde Partnerin im gemeinsamen Büro.
Ob seine Rückkehr nach Berlin die richtige Entscheidung war? Manfreds Architektur war innovativ, experimentell, und seine Vorliebe für den Stahl- und Leichtbau kollidierte mit dem „steinernen Berlin“. So stellte sich Manfred auf Massivbau um. Und auch in dieser fremden Bauweise gelang es ihm, einige herausragende Projekte zu realisieren, die mit Architekturpreisen ausgezeichnet wurden. Selbst seinem Drang zum innovativen Bauen konnte er mit Projekten wie dem Energiesparhaus am Lützowufer (1983) nachgekommen. Trotz allem hätte er lieber die Leichtigkeit seiner Arbeiten der 60er und 70er Jahre weiterverfolgt. Doch getreu dem Wort vom Propheten, der im eigenen Land nichts gilt, wurde er zwar zu Lehrveranstaltungen und Vorträgen nach Wien, Dessau, Glasgow, Budapest, London, Madrid und Delft eingeladen und 1987 als Professor an die TU Braunschweig berufen, in Berlin konnte er aber nie wirklich Fuß fassen.
Es muss Manfred getroffen haben, dass ihm als Architekten der FU versagt blieb, dieses Projekt auch zu Ende zu führen; trotz seiner Urheberrechte wurde 1997 im Rahmen eines VOF-Verfahrens nicht er, sondern Norman Foster mit der Sanierung und Erweiterung beauftragt. Und obwohl er 2005 beim nächsten Wettbewerb für die FU nicht einmal mehr eingeladen wurde, schien er versöhnt, als mit Florian Nagler ein Architekt den Wettbewerb gewann, von dem zu erwarten war, dass er die Ikone FU behutsam und verständnisvoll weiterbauen würde. Manfred Schiedhelm ist am 8. August gestorben.
Fakten
Architekten Schiedhelm, Manfred, (1934–2011)
aus Bauwelt 36.2011
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