Bauwelt

Mehr als nur Leistungsschau für Rosenzüchter

Der Park und die IGA

Text: Schöbel, Sören, München

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Mehr als nur Leistungsschau für Rosenzüchter

Der Park und die IGA

Text: Schöbel, Sören, München

Wie könnte ein anderes Modell der Internationalen Gartenausstel­lung 2017 für das Tempelhofer Flugfeld aussehen, weg von der konventionellen Auffassung
der zurückliegenden IGAs? Der Münch­ner Landschaftsplaner Sören Schöbel beurteilt die zum aktuellen Zeitpunkt vorliegenden Ideen äußerst skeptisch und plädiert für realen Stadtbezug.
Eine Internationale Gartenbauausstellung ist zunächst eine Leistungsschau der grünen Branche, vom Rosenzüchter bis zum Friedhofsgärtner. Wichtigste Zielgruppe sind Menschen jenseits der Fünfzig, die sich für bunte Blumenmeere und sinnlich anregende Themengärten begeistern. Als Event soll sich eine IGA für die ausrichtenden Städte und Verbände rechnen. Als kommunale Großveranstaltung soll sie aber immer auch einen Beitrag zur Stadtentwicklung schaffen, etwa einen neuen Typus „Volkspark“ in städtischen Übergangsräumen und Schnittstellen. So entstanden Planten un Blomen, der Westpark in München, das Grüne U in Stuttgart, Rostock am Wasser, entsteht 2013 die Elbinsel Wilhelmsburg.
Doch die Aufmerksamkeiten des Publikums und die öffentlichen Finanzen sind begrenzt. Da liegt es nahe, Gartenschauen dort anzusetzen, wo ohnehin Stadt großformatig thematisiert wird. So wird in Hamburg 2013 die Gartenschau im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA stattfinden. Neben zu erwartenden PR-Synergien zweier Internationalen hofft man wohl, die Gartenschau mache die unter Fachleuten diskutierten IBA-Themen für das breite Publikum zugänglich. Insbesondere die Themengärten scheinen geeignet, schwere Missionen einer IBA, wie Globalisierung, Polarisierung, Ressourcenverknappung, Migration oder Klimawandel, in der Leichtigkeit kleiner temporärer Gärten abzubilden. Die Gartenschau erreicht so die Aktualität der Lindenstraße, bleibt aber im Format einer grünen Soap gefangen – einer immer gleichen Choreografie folgend, Sekundärwelten
zu inszenieren, die sich komplexer Wirklichkeit nicht stellen, sondern nach der Schau zurück­gebaut werden.
Hamburg füllt dieses Format mit einem ambitionierten, pointierten Programm, das die bisher eher folkloristisch gepflegte Internationalität einer Gartenschau auf Interkulturalität als urbane Mission richtet. Dies ist als soziale Botschaft zu verstehen, da der „Sprung über die Elbe“, die Integration der Elbinsel Wilhelmsburg in den urbanen Raum, auf eine international gemischte Bewohnerschaft trifft. Und als ökonomische Botschaft, da die Hafenstadt sich im globalen Wettbewerb als offene Weltstadt präsentieren will. Im Format der Themengärten erscheinen diese Botschaften „in 80 Gärten um die Welt“, geordnet nach Kontinenten, Kulturen, Religionen, Häfen und beginnend mit einem duftenden Kaffeegarten...
Öko-Kitsch für Tempelhof
Berlin hat für die Gartenschau noch keine solche Mission. Aus den Leitideen der geplanten IBA 2020, die auch das Tempelhofer Feld betreffen, greift die Bewerbungsbroschüre der IGA-Planer vor allem die Modebegriffe „Prozesssteuerung“ und „Raumpioniere“ heraus und wirbt mit einem „pragmatischen Konzept“. Nun waren Internationale Bauausstellungen in Berlin niemals Leichtgewichte, sondern haben sich den zuvor radikal selbst zugefügten urbanen Wunden gewidmet, im modernen Hansaviertel der Kriegswunde, in Kreuzberg den Sanierungswunden der Moderne. Sie haben über Berlin hinaus Paradigmenwechsel der Stadtentwicklung durch­gesetzt. Die „behutsame Stadterneuerung“ hat Stadtteile, die „kritische Rekonstruktion“ gar die Europäische Stadt rehabilitiert, niemand hält diese Aufgabe für erledigt.
Raumpioniere sind die „Generation Praktikum“ der Stadt- und Freiraumplanung. Die Verwaltung nimmt ihre kreative Kraft in Anspruch, verweigert ihnen und der Stadt aber jede soziale und räumliche Verantwortung, gibt sie auch nicht an die neuen Akteure ab, sondern beschränkt sie auf den Status Zwischennutzung. Die Verwaltung behält mittels Prozesssteuerung irgendeine Kontrolle. Als planerisches Para­dig­ma ist die „verwaltete Verantwortungslosigkeit“ jedenfalls genau das Gegenteil zum dia­logischen Modell der 90er Jahre, das auf Per­ma­­nenz in Form und Textur der Stadt setzte und gerade innerhalb dieser urbanen Strukturen Freiheit und Verantwortung der Bürgerschaft verwirklicht sah.
Dem jüngst entschiedenen Wettbewerb um ein landschaftsplanerisches Konzept für die Parklandschaft Tempelhof und die IGA ist offenbar die Aufgabe zugefallen, diese verwaltete Verantwortungslosigkeit in einem ansehnlichen Plan zu versammeln. Der siegreiche Entwurf bestach gerade durch seine postmoderne Beliebigkeit. Indem er den historischen und räumlichen Kontext des Ortes nicht in seinen Strukturen aufgreift, sondern in kindisch verspielten Zitaten, zerstört er genau das, was er zu erhalten vorgibt – er banalisiert die Weite des Feldes durch einen Kletterfelsen mit Statue, die historische Form des Flugfelds mit den verspielten Figuren eines Rundflugs, das Gebäude durch ein Wasserbecken und weitere Zutaten aus dem Bereich des „Öko-Kitsches“ (Florian Mausbach). Was wollen die bunten Ballons und niedlichen Libellen auf den Plänen vermitteln?
Besser: die Nahtstellen bearbeiten!
Gerade was die Rolle der IGA betrifft, gäbe es auch einen anderen Weg. Die Gartenschau müsste sich nur an den anderen Leitideen der IBA 2020 orientieren, die sich u.a. mit den städtebaulichen Entwicklungen am Rand des Tempelhofer Feldes und den angrenzenden Quartieren befassen soll. Die Gartenschau würde das Feld selbst den Besuchern so präsentieren, wie es in Berlin geschätzt wird: frei, offen, wartend. An seinen Rändern und tief in die angrenzenden Stadträume hinein aber würde sie urbane Gartenkunst als Baustein von Stadt in einer neuen Qualität verdichten. Denn so wie Hamburg mit den Kulturen der Welt über seinen Hafen verbunden ist, so ist es Berlin über die öffentlichen Räume seiner Stadtteile.
Eine IGA, die in der Textur der Stadt wirksam wird, müsste die Ersatzwelten der Themengärten verlassen, keine Geschichten erfinden, sondern kritische Rekonstruktion der Geschichte der Orte sein. In der Netztextur des öffentlichen Raums würde sie in den Rückgraten der Stadtteile ansetzen, den großen Straßenzügen zum und am Tempelhofer Feld, die dringend einer Rekonstruktion ihrer Qualitäten als Boulevards bedürfen, mit Vorgärten, durchgehenden Promenaden, Plätzen und breiten Bürgersteigen. Die Gartenausstellung würde diese öffentlichen Raumstrukturen durch intensive Gestaltung wieder in Wert setzen und für eine pflege­extensive Nachnutzung vorbereiten, als eine Zwischennutzung, die permanente Strukturen provoziert.
Neben dieser Rekonstruktion von Netz­texturen des öffentlichen Raums würde sich diese Gartenschau auf die Ränder der vorhandenen Grünflächen konzentrieren, auf die Durchlässigkeit und Offenheit der Parkränder der Hasenheide, der Sportanlagen und der Friedhöfe. Schließlich wäre als dritte zeitgemäße Herausforderung einer urbanen Gartenkunst die Überwindung der Barrieren von Gewerbegebieten und Infrastrukturtrassen zu leisten. Die Gartenschau würde so keinen neuen Volkspark und keine Themengärten schaffen. Auf beides kann das Tempelhofer Feld aber gut verzichten.

Adresse Platz der Luftbrücke 5, 12101 Berlin


aus Bauwelt 36.2011
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