Bauwelt

Mendelsohn-Bauten in Palästina

Vage Zukunft: Das Erbe in Israel

Text: Rosenblum, Keshet

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Blick auf das Hadassah University Medical Centre von Norden
Foto: Yael Engelhart

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Gebäude der Anglo-Palestine Bank
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Gebäude der Anglo-Palestine Bank

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Lesesaal der Bibliothek Schocken mit seinem charakteristischen, aus der Fassade hervortretenden Glaserker
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Lesesaal der Bibliothek Schocken mit seinem charakteristischen, aus der Fassade hervortretenden Glaserker

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Mendelsohn-Bauten in Palästina

Vage Zukunft: Das Erbe in Israel

Text: Rosenblum, Keshet

Unmittelbar nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten flüchtet der Architekt aus Deutschland. Seine Bekanntschaft mit Salman Schocken bringt ihm erste Aufträge in Palästina, die, bis zu seiner späteren Flucht in die USA, immer größere Dimensionen annehmen. Heute zeigen sie sich vielfach verändert, teilweise substanziell bedroht
Unmittelbar nach Hitlers Einzug in den Reichstag am 21. März 1933 – der Zufall wollte es, dass es der 46. Geburtstag Men­delsohns war – machte sich der erfolgreiche Architekt aus Deutschland auf, sein Heimatland zu verlassen, und wanderte nach England aus. Nachdem er dank mehrerer Projekte in Palästina 1935 ein zweites Büro in Jerusalem eröffnet hatte, verlegte er schließlich 1939 seinen Wohnsitz komplett dorthin. Als sich an den Grenzen deutsche Truppen zeigten, verließ er 1941 das damals noch britische Mandatsgebiet wieder, in Richtung USA. Vermutlich aber war diese Gefahr nicht der einzige Grund für seine Abreise, und ganz sicher erklärt sie nicht, warum er niemals wieder nach Israel zurückkehren sollte.
Vor allem anderen liegt die Antwort vielleicht darin, dass der Aufbau eines Staates Israel in dieser Form nicht in seinem Sinn war; ihm schwebte eher eine Art Zusammenleben der semitischen Brudervölker vor – als Antwort des Ostens auf den sterbenden Westen. In diesem Geiste sah er auch die Stadt Jerusalem, in der er vier Projekte von größerer Bedeutung baute: die Villa und die Bibliothek Schocken, die Anglo-Palestine Bank und das Hadassah-Krankenhaus auf dem Skopusberg. Außerhalb von Jerusalem entwarf er das Wohnhaus für Chaim Weizmann in Rehovot und das Rambam-Krankenhaus in Haifa.
Mendelsohn sah sich im Gegensatz zu den Bauhaus-Architekten und ihren israelischen Adepten, die auch hier den Internationalen Stil pflegten. Er entwarf in Jerusalem im Zauber des hellen Lichts der Judäischen Berge Gebäude, die so ganz und gar verschieden sind von denen, die er in Europa gebaut hatte. „In Berlin lebte er in einer Metropole, und beim Entwerfen hatte er vor seinem geistigen Auge eine Straßenbahn, aus der heraus die Fahrgäste seine Gebäude betrachten sollten – im Neonlicht der Großstadt“, sagt Alona Nitzan-Shiftan, Professorin an der Fakultät für Architektur- und Stadtplanung am Technion, dem Israel Institute of Technology. „Für Israel“, erklärt sie, „war Mendelsohns urbane Sichtweise nicht mehr von Belang, und deshalb schuf er seine Gebäude in einem exotischen Geist, den er im Osten zu spüren meinte, eine orientalische Architektur.“
Private Residenz
Während sich die Architekten um ihn herum mit den neuen Arbeiterorganisationen und sozialistischen Bewegungen identifizierten und für sie bauten, arbeitete Mendelsohn ausschließlich für die Oberschicht des Landes. Salman Schocken, für den er schon in Deutschland gebaut hatte und der zur selben Zeit ausgewandert war wie er, beauftragte ihn mit dem Bau seines Privathauses in der Nähe von Rehavia, der Villa Schocken, und mit einem Bibliotheksgebäude, in dem er seine private Sammlung unterbringen wollte. Als Standort für die Villa bestimmte Mendelsohn den höchstgelegenen Punkt des Grundstücks, mit Blick auf die Judäischen Berge. Er entwarf eines der luxuriösesten und imposantesten Gebäude des Stadtteils. Eine Veranda über die gesamte Breite des Wohnraums sorgte für die Belichtung, von hier aus hatte man einen großartigen Pano­ramablick. Der lokalen Bautradition entlieh er die Fensterschlitze, Pergolen und Dachgärten, die Innenräume hielt er in hellen Farben, um in ihnen den Eindruck von angenehmer Kühle hervorzurufen.
Ungeachtet der Tatsache, dass das Gebäude bereits in den achtziger Jahren auf der Denkmalliste der Stadt Jerusalem stand, wurde es an eine Immobilienfirma verkauft, die es abreißen und durch eine Anlage mit Luxusapartments ersetzen wollte. Als die Pläne 2003 publik wurden, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Architekten und ihre Verbände zogen zusammen mit Prominenten aus der Kulturszene in den Kampf für den Erhalt der Villa Schocken – und gewannen am Ende: Die Stadt beschloss die vollständige Unterschutzstellung des Gebäudes und das Entfernen späterer Erweiterungen sowie die Öffnung des Grundstücks für die Öffentlichkeit. Die Rettung hatte jedoch ihren Preis: eine sechsgeschossige Aufstockung auf einem Teil des historischen Gebäudes. Die Sache ging von Neuem los, als die Nachbarn der Villa Schocken vor Gericht Einspruch einlegten, da die Planungen nicht ordnungsgemäß ausgelegen hatten. Die Unterschutzstellung des Gebäudes wurde widerrufen und die Angelegenheit in die Hände der regionalen Planungsbehörde gelegt, wo sie bis heute diskutiert wird – mit offenem Ausgang. Davon abgesehen ist die Villa seit Jahrzehnten durch die Schutzmauern der Jerusalemer Residenz des israelischen Premiers abgeschirmt. Obwohl nicht selbst Teil des Grundstücks, gibt es wegen der Sicherheitsvorkehrungen keinen Zugang zu ihr, sie steht im Abseits und erhält nicht die gebotene Beachtung. Glaubt man Itzik Shviki, dem Chef des Jerusalemer Zweigs der israelischen Denkmalschutzvereinigung, wird die Villa so lange keine Rolle in der Öffentlichkeit spielen, wie die Residenz des Ministerpräsidenten an diesem Ort verbleibt.
Im Unterschied zum Wohngebäude ist die Bibliothek weitgehend original erhalten. Hinter ihren Mauern bieten lichte und einladende Räume einen angemessenen Rahmen für Salman Schockens Sammlung mit ihren etwa 60.000 Bänden. Der israelische Regisseur Duki Dror, dessen Film „Mendelsohn’s Incessant Visions“ über das Leben des Architekten vor zwei Jahren über die Bildschirme flimmerte, beschreibt die ruhigen und kühlen Räume der Bibliothek als „ein Kunstwerk an sich. Jeder Raum ist klar, sehr interessant und von einer starken Anziehungskraft“.
Seit 1961 wird das Gebäude vom Jewish Theological Seminary of America genutzt, seit 1977 ist es auch in dessen Besitz. Es betreibt hier das Schocken-Institut für Jüdische Forschungen, was die Besonderheiten des Gebäudes zu würdigen weiß und seine erhaltenen Details im Original bewahrt. Die in den neunziger Jahren unterbreiteten Pläne für ein siebengeschossiges Forschungs- und Verwaltungsgebäude auf der heute als Parkplatz genutzten, unmittelbar neben der Bibliothek liegenden Fläche wurden im Jahr 2000 erst einmal wieder zurückgestellt. Für die Zukunft sei aber alles offen, sagt die Stiftung.
Die Anglo-Palestine Bank
Nach diesen Planungen in kleinerem Maßstab wandte sich Mendelsohn Mitte der dreißiger Jahre dem Entwerfen öffentlicher Gebäude zu, deren Maßstab ihm persönlich mehr lag. Die Anglo-Palestine Bank – in Auftrag gegeben von der britischen Mandatsmacht – wurde 1937 bis 1939 errichtet. Mit ihrer Eröffnung konnten die Einwohner Jerusalems zugleich den ersten „Wolkenkratzer“ der Stadt bestaunen, er hatte die beachtliche Höhe von sieben Geschossen erreicht. Seite an Seite mit dem Gebäude der Assicurazioni Generali und dem Hauptpostamt, beide an der Jaffa Street, wurde die Bank Teil einer Reihe öffentlicher Einrichtungen, die eine einheitliche und eindrucksvolle Straßenfront ausbildeten. Die Baumasse war aufgeteilt in zwei Blocks und kam damit der städtischen Bauordnung nach. Der rückwärtige und intimere Teil, der auf die Koresh Street blickt, begnügte sich mit drei Geschossen.
Die Entwurf war bemerkenswert bis ins kleinste Detail: die Eingangstore belegt mit gehämmertem Messing, flankiert von zwei Fahnenmasten, an denen Flaggen über die gesamte Höhe des Gebäudes gehisst werden konnten. Die für Mendelsohn typischen Details finden sich in der Behandlung des lokal gewonnenen Sandsteins wieder, im Treppenhaus mit seinen eleganten Geländern, in den schmalen Stürzen und der Zeile runder Fenster, in den schmalen Balkonen der rückwärtigen Fassade zur Koresh Street. Die Haupthalle war erleuchtet durch ein weiches natürliches Licht, das durch die Deckenöffnungen fiel und den Eindruck von Weiträumigkeit verstärkte.
1941 wurde aus der Anglo-Palestine Bank die Leumi Bank, die Nationalbank, das Gebäude selbst Mitte der achtziger Jahre einer Renovierung unterzogen. Die Veränderungen betrafen im Wesentlichen die Haupthalle, wo eine abgehängte Akustikdecke aus einem Aluminiumgitter mit Neonleuchten die natürliche Belichtung unterbindet. Dazu wurde auch die Galerie in der Höhe gestutzt und mit Holzimitatplatten verkleidet. 2003 beabsichtigte die Bank eine Erweiterung auf der Rückseite in Gestalt eines verglasten Turms – ein Plan, der auf starken öffentlichen Widerstand stieß und schnell wieder fallengelassen wurde.
Nachdem sie eingesehen hatten, dass sie das Gebäude in seiner heutigen Form nicht wie gewünscht würden erweitern dürfen, verkauften es die Eigentümer 2009 an eine Gruppe von Investoren, die ihrerseits die Absicht kundtaten, es zu erweitern und fürderhin als Hotel nutzen zu wollen. Der Bevollmächtigte der Gruppe, Ariel Azulay von der Kanzlei Azulay, Afik, Ettinger & Co., bezeichnet die geplante Erweiterung als eine „Vervollständigung zum Kubus“, zu einer dann einheitlichen Höhe von sieben Geschosse auf allen Seiten. Bislang allerdings haben die Investoren noch keine konkreten Pläne vorgelegt, sie seien um eine gütliche Einigung mit den Denkmalschützern und der Stadt bemüht. So ist das Gebäude noch unverändert, angemietet von irgendwelchen Verwaltungsabteilungen mit ihren Büros, und präsentiert sich mit seiner heute wenig eindrucksvollen Halle als das Ergebnis der vorangegangenen lieblosen Renovierung.
Die Campus-Projekte
Das Hadassah-Krankenhaus auf dem Skopusberg erfuhr seit seiner Errichtung im Jahr 1939 mehrere bauliche Veränderungen. 1975 wurde es einer großangelegten Renovierung unter der Obhut der Architekten Yaakov Rechter und Moshe Zarhi unterzogen. Ursprünglich bestand der Klinikcampus aus langgestreckten, geschlossenen Baublocks mit Leichtbau-Verbindungen und bildete Innenhöfe aus. „Die Details waren sehr sauber und bedacht ausgeführt“, stellt Alona Nitzan-Shiftan fest. „Hier, beim Hadassah-Krankenhaus, gibt es ein Bewusstsein für das ganze bauliche Volumen, das sich aus der Erde entwickelt und sich langsam in Richtung Wüste aufspaltet.“
Die Erweiterungsbauten von Rechter und Zarhi dienten Fortschritten in der Patientenversorgung, haben aber eine Reihe von Problemen hervorgerufen, von denen das schwerwiegendste sicher das Aussperren des natürlichen Lichts ist. Es entstand eine Vielzahl geschlossener und opaker Räume. „Die Architekten haben wirklich gute Arbeit geleistet“, relativiert Alona Nitzan-Shiftan, „aber viele der Nuancen und der Details, die das Wesen der Mendelsohnschen Architektur ausmachen, sind dabei auf der Strecke geblieben.“
Wenn es nach Architekt Shmulik Groag geht, ist es für Veränderungen bei Hadassah noch nicht zu spät. Als Denkmalschutzberater des Innenministeriums für die Region Haifa hat er es auch mit einem weiteren Werk von Mendelsohn zu tun, der Rambam-Klinik in Haifa. Mit deren beiden fünf- bzw. dreigeschossigen schlanken Gebäuden und einem großen Garten hat Mendelsohn eine Harmonie zwischen Landschaft, Klima und lokaler Kultur erreicht, indem er extra belüftete, lichte und bequeme Innenräume schuf. Als die Klinik 1938 eröffnet wurde, priesen offizielle britische Seiten sie als „die schönste medizinische Einrichtung im Nahen Osten“. Aber die Jahre vergingen, immer neue Bauten entstanden, und von Mendelsohns ursprünglicher Planung war irgendwann fast nichts mehr zu erkennen. Vor kurzem wurde ein Bebauungsplan erlassen, der weitere Bebauungen auf dem Klinikgelände auf die Erhaltung seiner historischen Anlage verpflichtet, sodass mit künftigen Renovierungen die Qualität der ursprünglichen Anlage wiedergewonnen werden soll – natürlich ohne die Funktionen eines modernen Krankhauses zu beeinträchtigen. Shmulik Groag ist der Auffassung, dass eine solche Festschreibung auch bei Hadassah greifen könnte.
Mendelsohn sah die Planungen für diese wichtigen und zentralen Gebäude nur als den Beginn seiner Mission in Israel. Ihm war durchaus bewusst, dass er die Landschaft Palästinas geprägt hätte, hätte man ihn gelassen. Deshalb betrachtete er den Entwurf für die Hebräische Universität auf dem Skopusberg, südlich an das Hadassah-Krankenhaus anschließend, als prioritär. In einem reinen Architekturwettbewerb hierfür arbeitete er einen ganzen Masterplan aus. Als sein Projekt nicht angenommen wurde, war er tief enttäuscht und wollte sich daraufhin überhaupt nicht mehr beteiligen. Den Briefen aus dieser Zeit kann man entnehmen, dass er die Planung dieses Landes in der Hand von Leuten sah, die es herabwürdigten und zerstörten; er fühlte sich unverstanden und fehl am Platze. So war es keine Überraschung, dass der Perfektionist bei nächster Gelegenheit das Land mit gebrochenem Herzen verließ und nach Amerika ging.
Aus dem Englischen von Michael Goj
Fakten
Architekten Mendelsoh, Erich (1887-1953)
aus Bauwelt 23.2014
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