Minimal-invasiv
Forschungsturm der TU Kaiserlautern im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen
Text: Weber, Ulrike, Kaiserslautern
Minimal-invasiv
Forschungsturm der TU Kaiserlautern im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen
Text: Weber, Ulrike, Kaiserslautern
„Es war heiß, die Moskitos attackierten uns. Aber das störte gar nicht: Wir waren fasziniert von dieser anderen Welt.“ Lange Jahre kletterten der Biologe Michael Lakatos und sein Team von der TU Kaiserslautern im tropischen Regenwald herum, um dessen Kronenraum zu erforschen.
Bis sie sich diese Mühen bei aller Begeisterung doch ersparen wollten und ihr wissenschaftliches Interesse auf den heimischen Pfälzerwald verlegten. Der bietet mit seinen 170 Jahre alten Stieleichen ein weites Forschungsfeld.
Zunächst genügten den Biologen temporäre Aufstiegshilfen für ihre Arbeit. Doch um auch Langzeitstudien machen zu können – es geht um Themen wie Biodiversität, Nährstoffflüsse und Ökosystemprozesse –, benötigten sie einen dauerhaften Zugang zum Kronenraum. Mit der Idee von einem Turm, der das sensible Ökosystem nicht stört und den Forschern Bewegungsfreiheit zwischen den Stockwerken des Waldes ermöglicht, wandten sie sich an den Fachbereich Architektur der TU. In Kooperation mit den Kaiserslauterer Architekturbüros kirchspitz und .pg1 wurde ein 36 Meter hoher Holzturm entworfen. Die Baukosten in Höhe von 200.000 Euro übernahm die Stiftung Innovation Rheinland-Pfalz. Ende September konnte der nördlich von Trippstadt aufgestellte „Biosphärenturm“ eingeweiht werden.
Wegen des hochsensiblen Umfelds standen Konstruktion und Aufbau unter dem Primat „minimal-invasiv“. Der sehr schlanke Turm mit einer Grundfläche von nur 3 x 3 m benötigt keine Abspannungen. Er ist nach dem Vierendeelprinzip konstruiert; jede der vier Turmseiten mit ihren sechs übereinanderliegenden, rechteckigen Öffnungen wirkt statisch als Wandscheibe (Tragwerksplanung: Lederer Ingenieure, Heltersberg). Trotzdem können die Biologen hoch über den Baumwipfeln ins Schwingen kommen; die Richtwerte, die für einen öffentlich zugänglichen Turm gelten, durften überschritten werden. Der Biosphärenturm wurde in drei vorgefertigten Segmenten mit dem LKW zur Baustelle geliefert. Jedes Segment ist zwölf Meter hoch und acht Tonnen schwer. Zimmerleute setzten die Teile mithilfe eines Autokrans millimetergenau aufeinander; miteinander verbunden sind sie nur über dünne Stahlbleche.
Die fünfzehn Zentimeter dicken Seitenwände der Segmente sind jeweils im ganzen Stück aus Furnierschichtholz gefertigt, das aus sechs Lagen finnischer Fichte besteht und in dieser Beanspruchung eigentlich nur mit einer Kesseldruckimprägnierung zugelassen wäre. Doch um die Mikroorganismen im Umfeld nicht zu beeinträchtigen, musste darauf verzichtet werden; der Schutz vor Durchfeuchtung konnte – eine Ausnahmegenehmigung – konstruktiv gelöst werden. Der Turm ist in ein Köcherfundament betoniert, das sechzig Zentimeter aus dem Boden ragt und das Holz vor Staunässe schützt. Alle horizonta-len Schnittkanten sind zum Schutz vor eindringendem Regenwasser bündig mit Massivholz abgedeckt.
Wie lang die Biologen auf den sechs in den Turm eingehängten Plattformen forschen können? Zehn bis fünfzehn Jahre hält die Konstruktion, so die Schätzung. Es bleibt ein Experiment.
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