Mit der Kraft des Entwurfs
Endlich eine Debatte über Windenergie und Landschaft
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
Mit der Kraft des Entwurfs
Endlich eine Debatte über Windenergie und Landschaft
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
So was! Mehr als zweihundert Menschen, Bauer wie Hausfrau, Bürgermeister wie Abgeordnete, Professor wie Studentin, treffen sich, um über Gestaltung zu reden.
So geschehen in Kempten anlässlich der Vorstellung von Studienarbeiten zum Thema „Energielandschaften“, einer Kooperation der TU München/Weihenstephan mit der Hochschule Kempten.
Und hoch ging’s her. Was daran liegt, dass kaum ein Thema hier derzeit die Gemüter so bewegt wie die Energiewende in Form von Windrädern – die im Allgäu nur in größter Dimension infrage kommen, da alles Andere unwirtschaftlich wäre. Was nicht wenige, wenn auch noch nicht auf die Barrikaden, so doch in Bürgerinitiativen treibt.
Michael Braum, der ehemalige Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, hat kürzlich die Dimension des bevorstehenden Wandels der Landschaft verdeutlicht, indem er ihn mit jenem gewaltigen Bruch vor einem halben Jahrhundert auf die gleiche Stufe stellte: mit der autogerechten Stadt. Der seinerzeitige Ruf, den Gang der Zeit nicht zu verpassen, ist manchem noch im Ohr; die Resultate sind bekannt; was davon übrig ist, bedarf keiner großen Kommentare mehr.
Hilft Gestaltung? Welchen Beitrag leistet Planung zum sich vollziehenden Wandel der Landschaft? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der vom Kemptener Architekten Jörg Heiler initiierten Diskussion. Und dies gerade deshalb, so der Landschaftsarchitekt Sören Schöbel von der TU München, weil die gebräuchlichen Planungsinstrumente sich im Abgleich von Partikularinteressen erschöpften, einer Gesamtschau, gar Gestalt unfähig geworden seien. Auf Gestalt jedoch zielen die Studentenarbeiten und nehmen etwa die Geomorphologie zum Ausgangspunkt. Die „Charakterstudie“ von Michael Schmölz zeigt die Region wesentlich vielfältiger als die Tourismuswerbung weismachen will. Darauf reagieren einige Arbeiten, indem sie den morphologischen Wechsel mit Energietechnologien beantworten. Andere thematisieren Landschaftsbrüche als Standorte für solche Anlagen, wieder andere Siedlungsstrukturen. Ideen neuartiger Energiebauwerke („Solarband“) werden vorgeschlagen oder der gewohnte Blick nach Süden auf die Berge umgelenkt und mit nie dagewesenen Mustern gefüllt.
Die Landschaft gibt den Anstoß, Strukturen werden aufgespürt, das Repertoire heutiger Energiebauten genutzt, neue Strukturen folgen. Am meisten diskutiert wurde eine Arbeit, die diesen Ansatz besonders drastisch mit der Betonung der Endmoränen vorführt – durch eine Kette von ca. 60 Windrädern auf deren Höhen; dass die Arbeit nebenbei einen Bedarf von weniger als der Hälfte solcher Anlagen errechnet, ging unter an diesem Abend. Die einzige Arbeit, die sich jeder Aussage zu derartiger Technologie enthält und stattdessen Strategien der Energievermeidung und ihre Auswirkungen auf die Landschaft in den Blick nimmt, kam gar nicht zu Wort.
Es geht hier um ganz handfeste Monster!
Offensichtlich fiel es schwer, einen solch massiven Eingriff in Einklang zu bringen mit der Intention, wie sie Schöbel vortrug: kontextuell, behutsam, einfühlend vorzugehen. Hat das Primat der Methode das Gespür für Nutzen, Angemessenheit, Proportion verdrängt? Nicht nur der Kaufbeurer Oberbürgermeister Stefan Bosse, der derzeit mit dem Regionalen Planungsverband Standortkartierung betreibt, bezweifelte die Realitätstauglichkeit; auch Leo Hiemer, Filmemacher aus der Region, war Ratlosigkeit anzumerken, er wähnte sich gar in einer Märchenstunde. Zahlreiche Wortmeldungen machten deutlich: Es geht hier um ganz handfeste Monster! Ebenso zahlreich und mit Beifall bedacht auch jene Wortmeldungen, die, der Logik der Energiewende folgend, die Windkraftanlagen billigen – und die Rückkopplung mit der Landschaftsmorphologie als Mittel gegen Standort-Wildwuchs begrüßen. Ob die Hüter der Kleinteiligkeit der Region im Grundsatz so anders ticken als die Befürworter der großen Linie? Jedenfalls wurde die Einführung gestalterischer Aspekte als Bereicherung empfunden, so von Michael Lucke, als Geschäftsführer des größten ortsansässigen Energieversorgers seinerseits auf Realitätstauglichkeit verpflichtet.
Eine hochkonzentrierte Debatte, nicht zuletzt weil die Argumente der konträren Lager mit Leidenschaft, Schärfe und ohne Häme vorgetragen wurden. Und immer wieder wurde deutlich, dass die Absicht, Gestaltung zum Teil des Prozesses zu machen, als notwendig und anregend begrüßt wird. Darin kann der Schlüssel zum Bau von Brücken zwischen Gegnern und Befürwortern liegen, mit möglicherweise einem neuen Landschaftsbild. Die Kraft des Entwurfs – ein starker Auftakt! Dem nun die publikumswirksame Ausstellung der Arbeiten in einem Einkaufzentrum in Kempten folgt und dem Vertiefung und das Lernen voneinander zu wünschen ist.
Und hoch ging’s her. Was daran liegt, dass kaum ein Thema hier derzeit die Gemüter so bewegt wie die Energiewende in Form von Windrädern – die im Allgäu nur in größter Dimension infrage kommen, da alles Andere unwirtschaftlich wäre. Was nicht wenige, wenn auch noch nicht auf die Barrikaden, so doch in Bürgerinitiativen treibt.
Michael Braum, der ehemalige Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, hat kürzlich die Dimension des bevorstehenden Wandels der Landschaft verdeutlicht, indem er ihn mit jenem gewaltigen Bruch vor einem halben Jahrhundert auf die gleiche Stufe stellte: mit der autogerechten Stadt. Der seinerzeitige Ruf, den Gang der Zeit nicht zu verpassen, ist manchem noch im Ohr; die Resultate sind bekannt; was davon übrig ist, bedarf keiner großen Kommentare mehr.
Hilft Gestaltung? Welchen Beitrag leistet Planung zum sich vollziehenden Wandel der Landschaft? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der vom Kemptener Architekten Jörg Heiler initiierten Diskussion. Und dies gerade deshalb, so der Landschaftsarchitekt Sören Schöbel von der TU München, weil die gebräuchlichen Planungsinstrumente sich im Abgleich von Partikularinteressen erschöpften, einer Gesamtschau, gar Gestalt unfähig geworden seien. Auf Gestalt jedoch zielen die Studentenarbeiten und nehmen etwa die Geomorphologie zum Ausgangspunkt. Die „Charakterstudie“ von Michael Schmölz zeigt die Region wesentlich vielfältiger als die Tourismuswerbung weismachen will. Darauf reagieren einige Arbeiten, indem sie den morphologischen Wechsel mit Energietechnologien beantworten. Andere thematisieren Landschaftsbrüche als Standorte für solche Anlagen, wieder andere Siedlungsstrukturen. Ideen neuartiger Energiebauwerke („Solarband“) werden vorgeschlagen oder der gewohnte Blick nach Süden auf die Berge umgelenkt und mit nie dagewesenen Mustern gefüllt.
Die Landschaft gibt den Anstoß, Strukturen werden aufgespürt, das Repertoire heutiger Energiebauten genutzt, neue Strukturen folgen. Am meisten diskutiert wurde eine Arbeit, die diesen Ansatz besonders drastisch mit der Betonung der Endmoränen vorführt – durch eine Kette von ca. 60 Windrädern auf deren Höhen; dass die Arbeit nebenbei einen Bedarf von weniger als der Hälfte solcher Anlagen errechnet, ging unter an diesem Abend. Die einzige Arbeit, die sich jeder Aussage zu derartiger Technologie enthält und stattdessen Strategien der Energievermeidung und ihre Auswirkungen auf die Landschaft in den Blick nimmt, kam gar nicht zu Wort.
Es geht hier um ganz handfeste Monster!
Offensichtlich fiel es schwer, einen solch massiven Eingriff in Einklang zu bringen mit der Intention, wie sie Schöbel vortrug: kontextuell, behutsam, einfühlend vorzugehen. Hat das Primat der Methode das Gespür für Nutzen, Angemessenheit, Proportion verdrängt? Nicht nur der Kaufbeurer Oberbürgermeister Stefan Bosse, der derzeit mit dem Regionalen Planungsverband Standortkartierung betreibt, bezweifelte die Realitätstauglichkeit; auch Leo Hiemer, Filmemacher aus der Region, war Ratlosigkeit anzumerken, er wähnte sich gar in einer Märchenstunde. Zahlreiche Wortmeldungen machten deutlich: Es geht hier um ganz handfeste Monster! Ebenso zahlreich und mit Beifall bedacht auch jene Wortmeldungen, die, der Logik der Energiewende folgend, die Windkraftanlagen billigen – und die Rückkopplung mit der Landschaftsmorphologie als Mittel gegen Standort-Wildwuchs begrüßen. Ob die Hüter der Kleinteiligkeit der Region im Grundsatz so anders ticken als die Befürworter der großen Linie? Jedenfalls wurde die Einführung gestalterischer Aspekte als Bereicherung empfunden, so von Michael Lucke, als Geschäftsführer des größten ortsansässigen Energieversorgers seinerseits auf Realitätstauglichkeit verpflichtet.
Eine hochkonzentrierte Debatte, nicht zuletzt weil die Argumente der konträren Lager mit Leidenschaft, Schärfe und ohne Häme vorgetragen wurden. Und immer wieder wurde deutlich, dass die Absicht, Gestaltung zum Teil des Prozesses zu machen, als notwendig und anregend begrüßt wird. Darin kann der Schlüssel zum Bau von Brücken zwischen Gegnern und Befürwortern liegen, mit möglicherweise einem neuen Landschaftsbild. Die Kraft des Entwurfs – ein starker Auftakt! Dem nun die publikumswirksame Ausstellung der Arbeiten in einem Einkaufzentrum in Kempten folgt und dem Vertiefung und das Lernen voneinander zu wünschen ist.
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