Bauwelt

Nachwachsender Vielkönner

Fast alles über Holz im Architekturmuseum der TUM

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

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Stephan Paul Stuemer

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Stephan Paul Stuemer


Nachwachsender Vielkönner

Fast alles über Holz im Architekturmuseum der TUM

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

Jede Zeit, so sagt man, hat ihren Baustoff – die Mitte des 19. Jahrhunderts das Eisen, das beginnende 20. den Beton, ab dessen Mitte das Plastik. Welches ist der Stoff des beginnenden 21. Jahrhunderts, einer Zeit, die mit der Klimaerwärmung ringt?
Die Ausstellung „Bauen mit Holz – Wege der Zukunft“ im Archi­tekturmuseum der TU München gibt bereits im Titel eine Antwort.
Unter dem Gesichtspunkt des ressourcensparenden Bauens kommt man um Holz nicht herum. Holz verfügt über ein Leistungsprofil, das keine Extreme verspricht, doch in allem gut dabei ist: ein klassischer Mittler in puncto Statik, Bauphysik, Brandschutz, Bearbeitungsfähigkeit – gar Gestaltung? Insofern hat Holz das Zeug zum Paradigma dieser Zeit: angemessen, sinnvoll, pragmatisch, ökologisch.
Das setzt die von Winfried Nerdinger und Hermann Kaufmann konzipierte Ausstellung überzeugend und anschaulich ins Bild. Fundiert und verständlich die Beiträge zur Holz- und Forstwirtschaft; zum Vergleich der „life-cycle-costs“ mit anderen Baustoffen; zu den Veränderungen beim Bauen mit Holz. Deutschland verfügt europaweit über die größten Waldbestände die, so der Weihenstephaner Holzforscher Gerd Wegener in seinem Katalogbeitrag, jedes Jahr zunehmen. Kaum zu glauben, dass ein Drittel des jährlichen Holzeinschlags ausreichen würde, um das Neubauvolumen abzudecken. Damit könnten, verglichen mit konventionellen Bauweisen, rund 20 Prozent SO2, bis zu 60 Prozent Gewicht und bis zu 80 Prozent CO2, eingespart werde; bei Ansatz eines umfassenden Berechnungsverfahren nach Holger König, München, bewegen sich die Einsparung gar in den Gewinnbereich.
Das in den vergangenen Jahren enorm verbreiterte Spektrum an Konstruktionen wird gezeigt, die Erweiterung des stabförmigen Halbzeugs zur Platte. Aus anderer Perspektive: die Entwicklung von der Prägung durch den Zimmerer über die industrielle Phase mit Standardisierung, Spezialisierung und Homogenisierung hin zu einer Phase, die von computerunterstützten Verfahren geprägt ist und in eine Befreiung von der Serie und der Rückkehr individueller Fertigung gemündet sein soll. Ganz neue Formfindungen eröffnen sich, etwa Biegen, Weben, Falten, wo­­-zu sich Holz besonders eigne, wie Hani Buri und Yves Weinand von der EPFL Lausanne verständlich machen. Neue Planungs- und Konstruktionsverfahren leiten sie aus der Automobilindustrie her – Stichworte NURBS-Flächen und parametrisches Entwerfen. Dass damit eine Vielzahl von Spezialisten befasst ist, dass derartige Planung höchst kosten- und zeitaufwendig ist, dass sie sich kaum für alltägliche Einzelobjekte eignet, wird nicht verschwiegen.
Wohnanlagen, Konzerthäuser, Hochschulbauten, Museen etc. – in Art und Maß lassen die fast fünfzig ausführlich dokumentierten Objekte das kleine Haus weit hinter sich. Die Ausstellung gewinnt ihre Anschaulichkeit und Sinnlichkeit maßgeblich dadurch, dass mehr als die Hälfte davon in Modellen präsent ist – was der Verknüpfung des Museums mit dem Lehrstuhl für Holzbau von Hermann Kaufmann an der TU München und dem Engagement der Studenten zu verdanken ist. Entfalten kann sich das vor dem Hintergrund der Ausstellungsgestaltung aus dem Hause Gassner/Ridolfi.
Nahezu alles, was in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt hat, ist zu sehen – sachliche Gerad­linig­keit neben emporschwingenden Höhenflügen, pragmatische Normalität neben werbewirksamem Einzelfall. Das Spektakuläre wird als Experiment begrüßt, wenn auch nicht zu übersehen ist, was in der Schau fehlt (der „Metropol Parasol“ in Sevilla zum Beispiel). Und auch das wird deutlich: die Spannung zwischen der Poesie des Alltags und der Überwältigung durch ein technologisches Anything Goes.
Man darf als wohl überlegt voraussetzen, dass einem erstklassigen Holzbauer und doch Skeptiker wie Florian Nagler der Ausblick eingeräumt wird. Ort, architektonische Konsequenz, Angemessenheit der Mittel, sinnliche Qualitäten sind ihm Kriterien guter Holzarchitektur. Dass dabei heute fast alles möglich ist, wirft die Frage auf, ob es denn auch sinnvoll ist. Ob am Ende eine Rückbesinnung auf Bewährtes steht, eine Renaissance des Einfachen, des wirklich einfach Gemachten, sei dahingestellt – die genannten Kriterien, die das Wesen der Architektur berühren, bleiben aus dieser Sicht an erster Stelle.

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