Bauwelt

Neue Stadtmitte – Schaufenster der Stadtregion

Text: Bodenschatz, Harald, Berlin

Neue Stadtmitte – Schaufenster der Stadtregion

Text: Bodenschatz, Harald, Berlin

Die stürmische Urbanisierung im 19. Jahrhundert transformierte die vorindustriellen,
 „historischen“ Städte in jene Verkehrs- und Geschäftszentren, die noch heute unsere Vorstellung von einem Großstadtzentrum prägen. Die moderne, autogerechte Innenstadt der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zielte auf die Auflösung dieser traditionel­len Strukturen. Das neue Zentrum der Jahrtausendwende setzt auf die Kombination rekonstruierter historischer Stadträume und spektakulärer Neubauten – mit den Plänen für das Stadtschloss und das Klosterviertel, aber auch mit den Hochhausclustern am Alexanderplatz und in der City West ist Berlin ein Paradebeispiel dafür.
Lange Zeit haben viele geglaubt, im Informationszeitalter verlören die Zentren der Großstädte an Bedeutung. Das war ein Irrtum. Viele Zentren Europas und der USA erleben eine un­übersehbare Renaissance. Der säkulare Trend der De-Zentralisierung, der schon vor dem Ersten Weltkrieg begann und sich nach dem Zweiten Weltkrieg beschleunigte, wurde seit den 1980er Jahren von einer Re-Zentralisierung überlagert. Das betrifft ganz besonders die Großstädte Berlin, London und Chicago, die – anders als etwa Paris – in der Nachkriegszeit durch politische, wirtschaftliche, aber auch städtebauliche Veränderungen einen Bedeutungsverlust ihrer Zentren hinnehmen mussten. Als weitere erfolgreiche Modelle der Renaissance der Zentren gelten in der internationalen Diskussion heute neben Barcelona auch Manchester, Birmingham, Genua, Turin, Bilbao und US-amerikanische Städte wie Pittsburgh, Providence und selbst Los Angeles. Im Zuge der Rezentralisierung verändern sich Form und Funktion der Großstadtzentren grundlegend. Nach der ursprünglichen Entstehung der Großstadtzentren bis zum Ersten Weltkrieg und nach den Versuchen ihrer radikalen Modernisierung seit den 1920er Jahren erleben wir nun die Herausbildung eines dritten Zentrums.
Wenn heute von „europäischer“ oder „kompakter Stadt“ gesprochen wird, ist meist das Zentrum gemeint. Private Investitionen drängen in die Zentren, die Stadtpolitik erarbeitet Strategien zu ihrer Aufwertung, und die Wahrnehmung wie auch der Streit um Architektur und Städtebau bündeln sich dort. Die Zentren repräsentieren heute die modernen Großstadtregionen nach innen wie außen. Sie symbolisieren das Besondere der Stadt, ihre vielfach gebrochene Geschichte, ihre baulichen Höhepunkte, ihre wichtigsten Institutionen. Ihre Bilder gehören zu den Lockmitteln des Stadttourismus. Erneuerte Zentren sind die beste Werbung für die Großstadtregion, die eigentliche wirtschaftsräumliche Einheit einer immer stärker globalisierten Ökonomie. Sie bieten die besten Standorte für den Dienstleistungssektor und binden die hochmobilen neuen urbanen Mittelschichten langfristig an die Großstadtregion.

Auf dem Weg zu einem dritten Zentrum

Durch die stürmische Urbanisierung des 19. Jahrhunderts wur­den die vorindustriellen, „historischen“ Städte in Verkehrs- und Geschäftszentren transformiert, eine Siedlungsform, die bis dahin unbekannt war. Ein großzügiger Umbau des überkommenen Straßensystems wie etwa in Paris unter Baron Haussmann war die Ausnahme, oft wurden einzelne Straßenverbreiterungen und Straßendurchbrüche realisiert. Wichti­ger Motor der Veränderung war der schienengebundene Massenverkehr – Eisenbahn, Stadtbahn, U-Bahn und Straßenbahn. Insbesondere die Fernbahnhöfe begründeten neue städtebauliche Figuren. Der Bahnhofsvorplatz und – als Verbindung zwischen Bahnhof und den zentralen Orten – die Bahnhofsstraße fungierten als Keimzellen der Tertiärisierung, der Entstehung von großen Waren- und Kaufhäusern, Hotels und Bankgebäuden. Die Transformation der Zentren ging oft mit ihrer Erweiterung in Richtung Bahnhof einher. Innerhalb der historischen Zentren wurden kleine Parzellen, kleine Gebäude sowie vorindustrielle Nutzungen wie Handwerk und Wohnen verdrängt. Das vor dem Ersten Weltkrieg konsolidierte erste Zentrum prägt bis heute die populäre Vorstellung von einem richtigen Großstadtzentrum („City“). Neben London und Paris schuf auch Berlin einen Prototyp des neuen Großstadtzentrums. Vorschläge zur repräsentativen Monumentalisierung der Zentren waren ein wichtiger Teil der Allgemeinen Städtebau-Ausstellung in Berlin 1910.

Das moderne Zentrum der Nachkriegszeit war auf das Automobil orientiert, durch bauliche Solitäre geprägt und zielte auf die Auflösung des historischen Stadtgrundrisses, auf eine flächenhafte Nutzungstrennung sowie auf die Veränderung der traditionellen Stadtansicht. Vorhandene Bauten und Räume wurden oft vernachlässigt, Priorität hatte der Neubau. Durch kriegsbedingte flächenhafte Zerstörungen und Beschädigungen in den zentralen Stadtbereichen „begünstigt“, wurden West- und Ost-Berlin auf europäischer Ebene zu Musterbeispielen einer umfassenden städtebaulichen Modernisierung. In den 1960er Jahren erreichte die Realisierung des zweiten Zentrums den Höhepunkt, es war in der Regel ein Arbeitsort für Angestellte und ein Einkaufsort für ein Massenpublikum.

Ein neuer Städtebau ist das zentrale Medium bei der Herausbildung eines dritten Zentrums. Öffentliche Räume, Straßen und Plätze werden neu gestaltet – nicht mehr autogerecht, sondern fußgängerfreundlich. Wasserlagen werden neu erschlossen, neue Parks verbessern Klima und Erscheinungsbild. Nach Jahrzehnten ist das historische Erbe wieder gefragt, um das Einmalige einer Stadt zu unterstreichen. Historische Gebäude und Stadträume werden erhalten oder neu gebaut, der historische Stadtgrundriss wird rekonstruiert. Dagegen fallen einige Baukomplexe der Nachkriegsmoderne dem Umbau zum Opfer. Um Aufmerksamkeit zu erheischen, werden auch spektakuläre Neubauten geplant, nicht nur Hochhäuser. Städtebau dient – anders als beim Städtebau der Moderne – der gestalterischen Inszenierung von Tradition und Innovation. Eine europäische Großstadt muss sich heute, will sie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit beweisen, zum einen als Spiegel konzentrierter Geschichte und Wahrer der ortspezifischen Tradition, also ihrer Einzigartigkeit, und zum anderen als Motor der Zukunftsgestaltung und Innovation, also ihrer Zukunftsfähigkeit, präsentieren. Ziel ist eine Erlebniswelt „Großstadtzentrum“, in der „Geschichte“ baulich-räumlich inszeniert und „Zukunft“ durch teils spektakuläre, teils effekthascherische Architektur beschworen wird.

Blick ins Ausland

Berlin ist zweifellos ein Paradebeispiel für ein drittes Zentrum in spe, aber natürlich nicht das einzige. Alle großen Städte sind gezwungen, sich gerade in ihrem Zentrum neu zu positionieren – um im Wettbewerb um Unternehmen und die viel beschworene „kreative Klasse“ bestehen zu können. Um die jeweiligen Stärken und Schwächen besser einschätzen zu können, bedarf es eines Blicks über Grenzen und Kontinente hinweg. Wer solch einen Blick wagt und routinisiert, hat wieder einen Wettbewerbsvorteil.

London ist ein Musterbeispiel nicht nur für eine faktische Rezentralisierung von Top-Büro-, -Entertainment- und -Wohnfunktionen, sondern auch für eine aggressive Rezentralisierungspolitik, die im London Plan 2004 zugespitzt in Erscheinung trat. Wenn dort von „World City“ gesprochen wird, ist vor allem das – deutlich und sichtbar erweiterte – Zentrum gemeint. In London waren die großen Bahnhöfe Ausgang und Motor von Zentrumserweiterungsprojekten, aber auch herausragende Wasserlagen wie das zentrale Südufer der Themse. Kaum einer weiß, dass ein erheblicher Teil der Bauten des Zentrums seit den 1990er Jahren neu errichtet wurde.

Auch Chicago hat seit jenen Jahren eine unglaubliche Renaissance des Zentrums erfahren. Die Großstadt am Lake Michigan hat vorgeführt, wie ein urbaner Park – der Millennium Park – die Attraktivität des Zentrums steigern kann. Chicago hat darüber hinaus 2003 mit dem Central Area Plan ein integriertes Konzept für den Um- und Ausbau des Zentrums vorgelegt, das sich mit dem Planwerk Innenstadt Berlin messen lassen kann. Der Plan orientiert auf die fußgängerfreundliche Qualifizierung der öffentlichen Räume des Zentrums, auch am Chicago River, und auf neuen Wohnungsbau für Mittelschichten am Zentrumsrand. Die Vision des Plans sieht Chicago als „dynamisches Zentrum von Dienstleistung, Wissenschaft und Kultur“ – als Global City, Downtown des Mittleren Westens und Herz von Chicagoland.

Berlin – Modellstadt eines dritten Zentrums

Nach dem Fall der Mauer konzentrierten sich die Investitio­nen wie die Aufmerksamkeit auf das Zentrum Berlins. In ei­nem erbitterten Ringen kristallisierte sich eine robuste und durchaus erfolgreiche städtebauliche Strategie heraus: Das historische Zentrum wurde mit der, im Detail sehr umstrittenen, Methode der „Kritischen Rekonstruktion“ des Stadtgrundrisses in seiner „historischen“ Form entwickelt – zunächst, in der gefühlten Boomzeit, vor allem mit Bürobauten, dann auch mit frei finanziertem Wohnungsbau. An den beiden wichtigsten Eingängen in das historische Zentrum, am Alexanderplatz und Potsdamer Platz, wurden dagegen Hochhauscluster ermöglicht, die den erwarteten Investorendruck abfangen sollten. Die beiden 1991 von Hans Kollhoff vorgeschlagenen Hochhauscluster wurden schon bald durch Pläne für ein drittes erweitert – am Breitscheidplatz. Damit war der charakteristische Dreisprung bestimmt, der den Hochhausdrang steuern und das historische Zentrum schützen sollte. Dieses einzigartige Konzept hat – ohne ausdrückliche planerische Festlegung und von der Fachwelt kaum wahrgenommen – die Entwicklung des Berliner Zentrums seit dem Mauerfall bis heute gestalterisch geprägt.

Inzwischen ist die Revitalisierung des Zentrums fortgeschritten, aber längst nicht abgeschlossen. Insbesondere die Gestaltung des Zentrumskerns, der untergegangenen Berliner Altstadt, also der ehemaligen Doppelstadt Berlin-Cölln, steht weiter auf der Tagesordnung. Allerdings wackelt die Finanzierung des umstrittenen Berliner Schlosses, das auf der Spreeinsel für 552 Millionen Euro rekonstruiert werden soll (Bauwelt 3.09). der Baubeginn wurde erst einmal auf 2014 verschoben. Durch das hinter den Barockfassaden geplante Humboldt-Forum wird der ohnehin schon bedeutende Kulturstandort in der Mitte Berlins weiter gestärkt. Dies liegt zwar im internationalen Trend, geht aber auf Kosten anderer Standorte wie Dahlem, aus denen Sammlungen abgezogen werden.

Nördlich des virtuellen Schlosses schreitet die Sanierung des Weltkulturerbeareals der Museumsinsel voran, befördert durch den Masterplan Museumsinsel, der aus dem Architekturwettbewerb von 1993 hervorging. Für rund 1,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln werden die bestehenden Museumsbauten saniert, modernisiert und durch eine „Archäologische Promenade“ verbunden. Besondere Beachtung fand die beeindruckende Rekonstruktion des Neuen Museums nach Plänen von David Chipperfield (Bauwelt 13.09). Auch der Entwurf für die geplante James Simon Galerie am Kupfergraben, ein gemeinsamer Eingangsbereich für die Museen, geht auf Chipper­field zurück, ist jedoch seiner Architektur wegen umstritten. Ein Bürgerbegehren gegen den Galeriebau blieb 2007 erfolglos. Der Umbau soll bis 2015 beendet sein.

Im Jahr 2009 begründete der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann mit seinem Plädoyer für eine kritische Rekonstruktion Alt-Berlins im Bereich zwischen Fernsehturm und Spree eine weitere Front im öffentlichen Streit um den Städtebau in der Mitte Berlins. Der von Stimmann vorgestellte Entwurf des Architekten Bernd Albers schlägt den Neubau eines Stadtquartiers auf Grundlage des historischen Stadtgrundrisses vor (Bauwelt 26.09). Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung reagierte auf den Vorstoß und präsentierte im Zuge der „Bürgerwerkstatt Zukunftsraum Historische Mitte“ Ende 2009 einige zugespitzte Entwürfe von David Chipperfield, Graft und Kiefer Landschaftsarchitekten, die vereinfachende, eher introvertierte und monofunktionale Lösungen für einen riesigen Raum mit hohem Vernetzungsbedarf bieten (Bauwelt 5.10). Regula Lüscher, seit 2007 Senatsbaudirektorin, sieht in ihnen einen ersten Schritt, um die öffentliche Debatte anzuregen. Mit dem Abschluss des Baus der U-Bahnlinie 5, der Fertigstellung des Humboldt-Forums und dem Abschluss des Umbaus der Museumsinsel wird der Ort ab 2017 stärker in den touristischen Fokus rücken. Spätestens dann muss der derzeit fragmentierte Raum mit seinen verschiedenen prägenden Elementen – Marienkirche, Fernsehturm, Neptunbrunnen und Marx-Engels-Denkmal – städtebaulich aufgewertet werden: als neuer, attraktiver Teil der Mitte Berlins, als Ort, der an eine 800-jährige widersprüchli­che Geschichte erinnert, als Verbindungsglied nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen dem nördlichen und südlichen Alt-Berlin.

Fortgeschritten ist hingegen das Projekt der Rekonstruktion des sogenannten Klosterviertels im Süden von Alt-Berlin. Mit der Verabschiedung des Planwerks Innenstadt Berlin 1999 erhielt der Rückbau überbreiter Straßen in der Stadtmitte politischen Rückenwind. Nach einem Workshopverfahren im Jahre 2004 wurde 2005 der erste Masterplan für die Rekonstruktion des Klosterviertels am Molkenmarkt vorgelegt. 2008 beauftragte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung drei Architekturbüros (As-if/raumzeit, koopX und Haberland Architekten) mit städtebaulichen Konzepten und führte mehrere öffentliche Veranstaltungen durch. Der 2009 erstellte Bebauungsplan für das Klosterviertel zeigt ein neues Quartier, das an die Geschichte des Ortes erinnert. Hierfür wird die heute mit täglich bis zu 65.000 Autos befahrene achtspurige Grunerstraße, die das südliche Alt-Berlin zerstückelte, zurückgebaut und verlegt. Der bisher autogerechte Stadtraum soll wieder für Fußgänger und Radfahrer attraktiv werden. Der ambitionierte und seitens der Vertreter der autogerechten Stadt heftig kritisierte Straßenrückbau wird das Land Berlin ca. 8,3 Millionen Euro kosten. Diese sollen durch den Verkauf der sich hauptsächlich in Landesbesitz befindlichen Bauflächen an private Investoren refinanziert werden. Der Umbau am Molkenmarkt ist das umfangreichste Projekt zur kriti­schen Rekonstruktion der Altstadt seit dem Bau des Nikolaiviertels in den 1980er Jahren. Es schafft nicht nur neue Stadträume, sondern verbessert auch die notwendige Nord-Süd-Verknüpfung der stark fragmentierten Stadträume. Die Verlegung der Straße ist für 2014 projektiert. Danach soll entlang der neuen Grunerstraße das neue Klosterviertel wachsen und Leben zurück in das südliche Alt-Berlin bringen – mit Geschäften, Büros und Wohnraum.

Die Neugestaltung eines der wichtigsten Zentrumsplätze Berlins, des Alexanderplatzes am östlichen Eingang von Alt-Berlin, provozierte nach dem Fall der Mauer heftige Konflikte. Von dem 1993 geplanten Hochhauscluster ist bis heute nichts realisiert worden. Im Juli 2010 wurden allerdings Pläne des Kölner Architekten Till Sattler bekannt, der für den US-amerikanischen Investor Blackstone in Ergänzung zum bereits bestehenden Hochhaus aus der DDR-Zeit zwei weitere Hochhäuser in „Vorentwürfen“ ins Bild setzte (s. Seite 25). Diese 150 Me­ter hohen Turmhäuser entsprachen der Idee Hans Kollhoffs, über die Kombination von Baublöcken mit Hochhäusern – ein Motiv insbesondere der Zeit um 1930 – Letztere zu „urbanisieren“, also besser mit dem Stadtraum zu verbinden.

Neben dem historischen Zentrum bildet die City West, das alte Zentrum West-Berlins, ein zweites Hauptzentrum. Hier finden sich Boomzonen wie etwa die Tauentzienstraße samt Kaufhaus des Westens neben Stagnationsräumen wie etwa dem Ostende der Kantstraße. Hatte dieses Zentrum seit der Wende nicht zuletzt durch die Herabstufung des Bahnhofs Zoologischer Garten und die Verlegung der Berlinale an den Potsdamer Platz an Aufmerksamkeit wie an Bedeutung verloren, rückte es 2009 im Zuge der Erarbeitung eines Leitbildes für die City West wieder etwas mehr in das Scheinwerferlicht. Ein Regionalmanagement begleitet dessen Umsetzung, und das Amerika Haus bietet dem notwendigen Dialog eine Bühne. Vor allem im Umfeld des Breitscheidplatzes lässt sich die neue Dynamik schon erkennen: Dort entsteht – nach dem ersten „Romanischen Forum“ der Kaiserzeit und dem zweiten modernen Zentrum West-Berlins aus den 1950er und 1960er Jahren – ein drittes Zentrum, das wiederum radikal mit dem Vorgängerzentrum bricht. Spektakuläres Symbol der neuen City West ist das 118 Meter hohe Hochhaus „Zoofenster“ des Architekten Christoph Mäckler. Um das Megaprojekt Riesenrad ist es dagegen still geworden.

Nebenwirkungen, die nicht in der Packungsbeilage stehen

Der Umbau der Großstadtzentren zeigt soziale Wirkungen, die oft übersehen werden. Die Großstadtzentren von morgen dienen nicht mehr – wie in den Nachkriegsjahrzehnten – in erster Linie dem Massenkonsum und dem Massenpublikum, sondern dem „gehobenen“ Konsum. Die Attraktionen für nationale und internationale Stadttouristen werden nicht nur neu geschaffen, sondern oft auf Kosten der übrigen Stadt ins Zentrum verlagert. Das ist vor allem in Berlin empfindlich spürbar. Die öffentliche Hand fördert die Transformation des Zentrums in einen exklusiven Erlebnisort. Das hat seinen Preis: gestalterisch, funktional und hinsichtlich der Verhaltensregeln im öffentlichen Raum. Das Zentrum erhält mehr Ressourcen und mehr Design, dort finden sich die teuersten Restaurants, Geschäfte und Wohnungen, während gleichzeitig jene, die nicht am hochwertigen Konsum teilnehmen können, zunehmender Kontrolle ausgesetzt, aus dem öffentlichen Raum der Zentren und Zentrumsrandgebiete verdrängt werden oder aufgrund von Gentrifizierungsprozessen ihren Wohnstandort wechseln müssen. Dieser Trend zeigt sich stärker als in Berlin, wo das Zentrum noch vergleichsweise sozial vielfältig erscheint, vor allem in den aufblühenden Großstadtzentren der USA und Englands, wo Schutzmechanismen für finanziell schwächere Gruppen nur rudimentär vorhanden sind und die Marktorientierung umso stärker ausgeprägt ist. Ein wirklich nachhaltiges Großstadtzentrum muss die Zugänglichkeit des Zentrums sichern und auf den öffentlichen Verkehr wie auf Fußgänger- und Fahrradfahrerfreundlichkeit setzen. Ein nachhaltiges Zentrum ist nicht nur geschichtsträchtig, schön und reich an Kultur, sondern auch sozial vielfältig. Es darf die sozialen Verlierer nicht verdrängen oder aussperren.

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