Bauwelt

Neues Stück Altstadt

Mercator Quartier in Duisburg

Text: Stumpf, Johannes, Berlin

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1. Preis: Gewers & Pudewill

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1. Preis: Gewers & Pudewill


Neues Stück Altstadt

Mercator Quartier in Duisburg

Text: Stumpf, Johannes, Berlin

In der Duisburger Altstadt soll ein 4,5 Hektar großes Areal neu bebaut werden. Die Wettbewerbsteilnehmer hatten die Aufgabe, Konzepte für ein gemischt genutztes Quartier mit hohem Wohnanteil und priva­ten Freiräumen zu entwickeln. Die Vorschläge sind als Grundlage für den geplanten Grundstücksverkauf mit Bauverpflichtung gedacht.
Duisburg war bislang nicht gerade für baukulturellen Eifer bekannt. Gute Ideen zur Entwicklung städ­tischer Qualitäten wurden meist von außen herangetragen; eigene Initiativen schossen hingegen ins Kraut, wie etwa der Abriss der Mercatorhalle und ihr Ersatz durch ein Spielcasino (Bauwelt 15.02). Dies scheint sich nun zu wandeln. Mit einem klaren Bekenntnis zur Fortschreibung des Masterplans, den Foster im Jahr 2007 mit dem Ziel vorgelegt hat, die City mit dem Innenhafen und der Einkaufsmeile Königstraße besser zu verknüpfen, haben die Duisburger Stadtväter einen städtebaulichen Wettbewerb durchgeführt, der richtungsweisend werden kann für den Umgang mit dem Nachkriegsstädtebau und dem kulturellen archäologischen Erbe, das sich meist darunter befindet; dreht es sich doch um nichts Geringeres als um die Revitalisierung eines mittelalterlichen Stadtfelds.
So wurde die Bodendenkmalpflege früh eingebunden, um schon in der Auslobung klar zu formu-lieren, welche archäologische Relevanz die einzelnen Teile des Wettbewerbsgebiets haben. Den knappen Duisburger Kassen geschuldet, konnten jedoch keine Mittel für vorausgehende Schürfungen und Voruntersuchungen bereitgestellt werden. Die Aufgabe für die Teilnehmer bestand also darin, eine schlüssige Lösung zwischen Verwertungs- und Verdichtungsinteresse einerseits und den mit höherer Dichte einhergehenden höheren Baugrundrisiken zu finden. Wie gegensätzlich die hieraus resultierenden Ergebnisse sein können, zeigen die Arbeiten von Niemann + Steege (3. Preis) sowie von Gewers & Pude­will (1. Preis).
Das Konzept des 3. Preises ist eindeutig auf Risikominimierung bei den Eingriffen in den Boden hin optimiert. Es erkauft dies aber naturgemäß durch eine etwas geringere realisierbare Bruttogeschossfläche. Vier „Schollen“ bilden die städtebaulichen Bausteine, mit denen die Verfasser eine visuelle Verbindung der Achsen zum Burgplatz einerseits und zum Innenhafen/Dreigiebelhaus andererseits formulieren. Im Ergebnis entsteht eine stadträumliche Lösung, die mit kleinteiligen Strukturen und ohne große Gesten auskommt. Die Stadtblöcke ahmen zwar die Kleinteiligkeit eines mittelalterlichen Stadtgrundrisses nach, zeigen dann aber doch wenig Bezug zur tatsächlichen historischen Situation.
Der 1. Preis geht da deutlich radikaler vor: Zum Burgplatz hin und entlang der Oberstraße wird eine markante stadträumliche Kante formuliert, die für das beschauliche Duisburg fast schon zu großstädtisch wirkt, aber für die Realisierung spannende Lösungen verspricht. Das Problem des Umgangs mit den gerade entlang der Oberstraße verdichteten archäologischen Zonen lösen Gewers und Pudewill, in­dem sie vorschlagen, die Integration archäologischer Funde durch begleitende Schürfungen zu einem zentralen Entwicklungsprinzip der endgültigen Lösung zu machen. Hierin besteht für die Investoren ein erhöhtes Realisierungsrisiko, dass zu einem geringen Teil durch die etwas größere Bruttogeschossfläche des Konzepts kompensiert wird.
Auf diese Weise entsteht ein insgesamt klar lesbarer linsenförmiger homogener Stadtblock, dessen Inneres durch eine überraschende Kleinteiligkeit besticht. Damit wird die Lösung der historischen Stadtfigur durchaus gerecht, ohne auf zeitgemäße architektonische Gesten verzichten zu müssen. Als kleines Bonbon schlagen Gewers & Pudewill noch ein „Gerhard Mercator Dokumentationshaus“ am Ansatz der Oberstraße zum Burgplatz vor. Dieser geschickt platzierte Stadtbaustein heilt eine schlimme Wunde des Wiederaufbaus, indem er die durch eine völlig überproportionierte Verkehrsschneise entstandene Mündung der Oberstraße auf ein verträgliches Maß stutzt und somit die Konturen der historischen Stadtringe zwischen fränkischer Pfalz und der ersten mittelalterlichen Stadterweiterung wieder erkennbar werden lässt. Es bleibt zu wünschen, dass die Duisburger Stadtväter am Ende nicht der Mut verlässt, wenn es um die Realisierung dieses Vorschlags geht.
Ob der Markt der internationalen Großinvestoren dieses Projekt aufnimmt und ob die gewagte Idee, die bewusste Inkaufnahme von Baugrundrisiken zum Konzept zu machen, Anklang findet, wird sich zeigen. In jedem Fall ist Duisburg auf dem richtigen Weg; allein schon, weil es hier endlich einmal ein regelkonformes Wettbewerbsverfahren gab statt der ansonsten allgemein üblichen klandestinen „Gutachterverfahren“ unter interessierten Investoren, die in der Stadt schon so viel Substanz zerstört haben.
Bleibt zu hoffen, dass andere Städte mit ähnlichen Problemen den Wettbewerb als probates Mittel zur Lösungsfindung wiederentdecken.
Fakten
Architekten Gewers & Pudewill, Berlin; Niemann+ Steege, Düsseldorf, Eller + Eller, Düsseldorf; rheinflügel severin, Düsseldorf, jbbug, Köln
aus Bauwelt 14.2011
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