Bauwelt

Nicht irgendein Wartehäuschen

Straßenbahnhaltestelle am Berliner Hauptbahnhof

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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Nicht irgendein Wartehäuschen

Straßenbahnhaltestelle am Berliner Hauptbahnhof

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Fünf Jahre nach Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofs gleicht sein Umfeld noch immer einer städte­baulichen Wüste. Der Senat hat aus der massiven Kritik Schlüsse gezogen. In einem Gutachterverfahren ist nun über die Gestalt einer Haltestelle für die geplante Straßenbahntrasse entschieden worden.
Mit den Worten: „Ordinärer kann man einen öffentlichen Raum nicht verramschen!“ kritisierte Meinhard von Gerkan vor mehr als einem Jahr das Umfeld des Berliner Hauptbahnhofes (Bauwelt 20.10). Er schimpfte unter anderem über die trostlosen Bitumenflächen und wahllos hingeworfenen Pavillons und warf den Beteiligten die „blockrandvolle Ausbetonierung des Masterplans mit Kommerzmasse“ vor. Damit meinte er den erschreckend anspruchslosen Hotelquader auf der Südseite des Bahnhofs. Diesen Sommer bietet sich den täglich 300.000 Reisenden noch immer das gleiche Bild: Fressbuden, Partyzelte, Asphaltstückwerk und viel Grasdurchwachsener Brachflächensand. Der Eingang zur Stadt – ein ungepflegtes Dauerprovisorium. Immerhin wurde die geplante neue S-Bahnstrecke zur Ringbahn, die ab 2017 die Verbindung in den Norden Berlins verbessern soll, im Juni durch einen Spatenstich manifestiert. Und die jahrelang diskutierte und längst überfällige Straßenbahnanbindung entlang der Invalidenstraße zum Nordbahnhof in Mitte ist in Planung.
Aufhorchen lässt die Tatsache, dass der Senat und die Berliner Verkehrsbetriebe für die Gestaltung der Haltestelle vor dem Hauptbahnhof ein Gutachterverfahren durchgeführt haben. Man könne doch nicht einfach irgendein Wartehäuschen vor den Bahnhof stellen, soll Regula Lüscher gesagt haben, als die Detailplanung für die Ausschreibung der Trasse schon fast abgeschlossen war. Wie in vielen deutschen Städten sind auch in Berlin Straßenbahntrassen Aufgabe für Tiefbauamt und Verkehrsbetriebe. Architekturwettbewerbe im Sinne einer gestalterischen Qualität, die dem jeweiligen Ort angemessen ist, sind den Mitarbeitern fremd. Sie bedienen sich aus den Stadtmöbelkatalogen von Wall & Co. Entsprechend gleichförmig wirken die Haltepunkte des Nahverkehrssystems.
Die besondere städtebauliche Situation am Hauptbahnhof und die kritische Diskussion der Öffentlichkeit und Medien werden in der Aufgabenstellung des Gutachterverfahrens denn auch als Anlass aufgeführt. Für einen Wettbewerb war aufgrund der fortgeschrittenen Planung keine Zeit mehr, vier Büros wurden um Vorschläge gebeten. In die Straßenbahnhaltestelle sollten sie die Beleuchtung, die Anzeige des digitalen Auskunfts- und Informationssystems, nach Möglichkeit standardisierte Leuchtsäulen sowie die Einfassung der Treppenabgänge zum unterirdischen Verbindungstunnel zu S- und U-Bahn­linien und zum Hauptbahnhof integrieren. 860.000 Euro stehen zur Verfügung.
Der Verfahrensaufwand hat sich gelohnt. Der favorisierte Vorschlag von Gruber + Popp ist eine gute Wahl, weil er mit den geschwungenen Betonschalen verspricht, der Stahl-Glas-Beton-dominierten Stadtschwere eine Leichtigkeit gegenüberzustellen, weil er einladend wirkt, ohne festzuhalten, weil er Schutz bieten wird, ohne abzugrenzen. Die Jury verstand die leichte und kunstvoll filigrane Geste entsprechend der Fahrdynamik (Ankommen – Halten – Abfahren). Die einheitliche Gestaltung mit einem Material lasse die Haltestelle trotz der dynamischen Form schlicht wirken. Der Entwurf konkurriere nicht mit der umliegenden Bebauung, sondern behaupte sich im städtebaulichen Umfeld.
Dieses künftige Umfeld ist gerade erst im Entstehen. Im Juli ist ein eingeladener Fassadenwettbewerb für zwei geplante Hotels an der Invalidenstraße Ecke Heidestraße zugunsten von nps Tschoban Voss entschieden worden. An der Heidestraße entsteht der Rohbau des Total-Hochauses nach Plänen von Barkow Leibinger, und auf der Südseite des Bahnhofs wird seit ein paar Wochen der „Endausbau“ des Washingtonplatzes nach Plänen vom Berliner Büro Kiefer vorangetrieben.
Fakten
Architekten Gruber + Popp Architekten, Schlaich Bergermann und Partner, Berlin; Sauerzapfe Architekten, Berlin; werk A architektur Guntram Jankowski, Berlin; Modersohn & Freiesleben Architekten, Berlin
aus Bauwelt 33.2011
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