On-Line
Zeichnungen von Lebbeus Woods in der Tchoban Foundation
Text: Bowinkelmann, Ina, Berlin
On-Line
Zeichnungen von Lebbeus Woods in der Tchoban Foundation
Text: Bowinkelmann, Ina, Berlin
Es gibt nur ein einziges realisiertes Projekt von Lebbeus Woods: den Light Pavilion im chinesischen Chengdu. Er entwarf ihn zusammen mit dem New Yorker Architekten Christoph a. Kumpusch, seinem langjährigen Partner, als Teil des Sliced Porosity Block von Steven Holl.
Die Fertigstellung der viergeschossigen Rauminstallation im Jahr 2013 erlebte er jedoch nicht mehr. Für Lebbeus Woods (1940–2012) stand das Bauen auch nie im Vordergrund. Zeichnen hingegen war dem Mitbegründer des gemeinnützigen „Research Institute for Experimental Architecture“ eine unersetzliche Ausdrucksform.
Die „Tchoban Foundation. Museum für Architekturzeichnung“ in Berlin zeigt 48 Zeichnungen des amerikanischen Architekten, Theoretikers und Lehrers aus den Jahren 1982 bis 1995. Christoph a. Kumpusch hat die Ausstellung mit dem Titel „On-Line“ kuratiert. Sie gliedert sich in Kategorien verschiedener Strichführungen und Zeichentechniken wie zum Beispiel geschmeidige Linien, gebrochene Linien oder unsichtbare Linien. Woods’ beeindruckende Tusche- und Bleistiftzeichnungen zeigen Studien von Orten und Fragmenten, von „geomagnetischen Flugzeugen“ bis hin zu dekonstruktiven Raumgebilden, die wie Parasiten den öffentlichen Stadtraum einnehmen. Reale und imaginäre Welten vermischen sich zu kulissenartigen Szenerien. Es verwundert nicht, dass Woods als „Konzeptarchitekt“ für den Film Alien 3 beauftragt wurde.
Woods’ Zeichnungen entwickeln sich mit den Möglichkeiten der Darstellungtechniken, von den romantisierenden Landschaftsmotiven der Serie Region M. in feinen Bleistiftlinien bis zu den abstrakten Arbeiten der Reihe Centricity, die mit Hilfe von Copic-Markern und Airbrush entstanden sind. Die Zeichnungen haben einen mystischen, teilweise apokalyptischen Charakter, nicht selten erinnern sie an Werke von Piranesi. Eine Schönheit wohnt den Blättern inne, die fasziniert, gleichzeitig scheinen sie enorme Ängste auszudrücken. Nicht alle Elemente müssen dabei einen Sinn ergeben. So sind in der Serie Centricity Zahlen abgebildet, deren Bedeutung man vergebens sucht. Sie sind reines Dekor.
Lebbeus Woods hat einzelne Elemente zu komplexen architektonischen Raumgefügen verbunden und dramatische Perspektiven geschaffen. Er konzipierte auch städtebauliche Visionen, die sich auf von Katastrophen oder Krieg betroffene Orte beziehen, Sarajevo zu Beispiel. In der Tchoban Foundation zu sehen ist Underground Berlin; hier entwarf Woods eine räumliche Verbindung von Ost- nach Westberlin. Über die Hintergründe dieser konzeptionellen Arbeiten erfährt der Besucher leider wenig.
Lebbeus Woods’ Zeichnungen sind mehr als kuriose Phantasiewelten. Ein gesellschaftlicher, politischer Anspruch steht dahinter – und letztlich auch eine Form von Bescheidenheit: Architektur auf dem Papier zu belassen.
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