Prägender Einfluss
Sep Ruf in Fulda
Text: Matl, Martin, Fulda
Prägender Einfluss
Sep Ruf in Fulda
Text: Matl, Martin, Fulda
Das Werk des Münchener Architekten Sep Ruf (1908–1982) ist spätestens seit der Ausstellung im Architekturmuseum der TU München (Bauwelt 32.08) Teil eines architekturhistorisch fundierten Kanons der Moderne geworden. Angeregt durch diese Ausstellung, besinnt sich nun die Barockstadt Fulda des prägenden Einflusses, den Ruf auf die Modernisierung der Stadt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm.
An der Schnittstelle von historischer Altstadt und den Stadterweiterungen des 19. Jahrhunderts sollte um 1960 mit einem großen Warenhaus die neue Lebenswelt des Konsums Einzug halten. Der auf Drängen der städtischen Behörden hinzugezogene Ruf ordnete aus dieser Aufgabe heraus in den Jahren 1961–64 die zentralen städtischen Räume des Universitäts- und des Borgiasplatzes neu und entwarf das Kaufhaus für Karstadt sowie den benachbarten sogenannten Patronatsbau. In den Folgejahren entstanden nach seinen Plänen weitere Verwaltungsgebäude und die Kapelle des bischöflichen Priesterseminars. Ruf wurde darüber hinaus zu einem einflussreichen Berater städtebaulicher Entwicklungen vom Zentrum bis an die Peripherie.
Im städtischen Vonderau Museum ist jetzt ein Teil der Münchener Schau als Überblick auf das Gesamtwerk des Architekten zu sehen. Daneben werden von Kurator Michael H. Gellings die Fuldaer Projekte von Ruf in den Mittelpunkt gestellt und mit zusätzlichem Material aus den städtischen Archiven präsentiert. Entwurfsskizzen, Planvarianten, zeitgenössische Fotografien und Kommentierungen zeigen ein differenziertes Bild der einzelnen Projekte.
Besonders deutlich tritt dabei zutage, wie Rufs Entwürfe trotz ihrer kompromisslosen Modernität durch die Gliederung von Baumassen, durch sorgfältige Detaillierung und Materialisierung einen Bezug zum jeweiligen Ort fanden. Mit ausgewählten Natursteinen und präzisen Fügungen ordnen sie sich in die Nachbarschaft der barocken Werksteinfassaden ein. Dort, wo der Architekt die Umsetzung seiner Entwürfe aus der Hand geben musste, zeigt sich ein entsprechender Verlust an Gestaltqualität. Das in der Stadt besonders ungeliebte Postverwaltungsgebäude wurde beispielsweise durch Hinzufügung eines Geschosses und Abweichung von der ursprünglichen Fassadenidee in der Ausführung banalisiert, wie die Ausstellung anhand der Pläne zeigt. Ein Vergleich der im Museum dargestellten Originalzustände mit den heutigen Bauten macht auch die oftmals mindere Qualität späterer Veränderungen und an einigen Orten das Unverständnis für das ästhetische Potenzial der Architektur Rufs deutlich. Die prägnanten Kontraste von schwereloser Transparenz und geschlossenen Bauteilen könnten beispielsweise bei den Kaufhausbauten reaktiviert werden und so viel zur Unverwechselbarkeit der Adresse beitragen.
Die in der Öffentlichkeit kaum bekannte – und dankenswerterweise als Veranstaltungsort in das Rahmenprogramm der Ausstellung aufgenommene – Kapelle des Priesterseminars demonstriert, wie Ruf in der höchst sensiblen unmittelbaren Umgebung von Johann Dientzenhofers barockem Dombau und der frühmittelalterlichen Michaelskirche die sakrale Landschaft Fuldas im Jahr 1968 überzeugend fortentwickeln konnte. Ruf erreichte mit seiner Architektursprache hier ein exakt austariertes Maß an dem Ort angemessener Massivität und Monumentalität. Die Kapelle steht mittlerweile, wie auch das Karstadtgebäude, unter Denkmalschutz. Trotz dieser hoheitlichen Anerkennung stellt sich – möglicherweise mehr denn je – die Frage, inwieweit die moderne Architektur als Teil der Identität der Stadt gesehen wird. Ob ein solches Bewusstsein entwickelt und weiterentwickelt wird, hängt auch davon ab, inwiefern die modernen Bauten und ihre Geschichte vermittelt werden. Die Fuldaer Ausstellung bietet den notwendigen öffentlichen Raum für eine solche „Heimatkunde der Moderne“.
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