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Reizerzeuger

Gerwald Rockenschaub signiert das Kunstmuseum Wolfsburg

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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Foto: Sebastian Wulf

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Gerwald Rockenschaub signiert das Kunstmuseum Wolfsburg

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

40 x 40 x 16 Meter. Das sind die Abmessungen der großen Oberlichthalle des Kunstmuseums Wolfsburg. Direktor Markus Brüderlin wird nie müde, die ausstellungstechnischen Möglichkeiten dieser „Indoor-Piazza“ des Schweger-Baus zu loben.
Sicherlich, in diesem unverstellten Volumen kann jede Ausstellung ganz spezifisch inszeniert werden. Sie muss es aber auch. Denn das generische Vakuum bietet anders als stärker raumbildende Museumsarchitekturen von sich aus keine Verortung, keinerlei atmosphärische Konstante an.
So gerann manche kleinräumige Ausstellung in der Halle zu einem wahren Hüttendorf aus White Cubes, das, spätestens beim Blick von der Galerie herab, in seiner fehlenden dreidimensionalen Handhabung allenfalls als unbeabsichtigte Fiktionsbrechung überzeugen konnte. Räumlich adäquater waren manche der sogenannten „Hallenprojekte“: unvergessen Olafur Eliassons radikaler Eingriff im Jahr 2004 – seine auf halber Raumhöhe eingezogene Spiegelfläche rief beim Betrachter die Illusion eines den Himmel reflektierenden, an diesem Ort natürlich vollkommen überraschenden Sees hervor.
Nun ist der Österreicher Gerwald Rockenschaub mit einer poppig-bunten Installation in der Halle vertreten. Und er geht nicht minder radikal ans Werk. In einer Art Frühjahrsputz ließ er alle Reste vorheriger Ausstellungseinbauten entfernen und die Oberlichtgaden öffnen. In den leeren Raum wurden zwei gut elf Meter hohe, je rund 33 Meter lange Wände gestellt. Zur Perspektivsteigerung sind ihre oberen Kanten minimal abgeschrägt, alles steht gegen den Raumumriss leicht verkantet. Eine 35 Meter lange Bank vervollständigt das reduzierte Setting. Die 700 m² große Wandoberfläche der Sichtseiten ist mit einer dichten Anordnung aus 385 sogenannten Sujets beklebt: Piktogramme, Bildzitate, digitale Icons, verfremdete Buchstaben. Dieser demonstrative „Sign War“ will mit Malerei, gar mit genialischer Kunst nichts zu tun haben: Rockenschaub (Jahrgang 1952) kommt aus dem angewandten Bereich und versteht sich emotionslos als Dienstleister, dessen Job es sei, visuelle Reize zu erzeugen. So ließ er etwa die temporäre Kunsthalle in Berlin mit einer grob gepixelten, über Eck angeordneten „Wolke“ bemalen, was der Kiste eine gebrochene Dreidimensionalität verlieh (Bauwelt 23.08).
Rockenschaub entwirft all seine Projekte am Computer. Die Zeichenabfolge der Wolfsburger Arbeit wurde in einem 3D-Modell entwickelt, zu Kontrollzwecken und für die Montage als flächige Abwicklung in großem Maßstab geplottet, anschließend in La­serfolienschnitt übertragen. Dass die Farbskala der Folien von den Plotfarben etwas abweicht, dass Mehrfarbiges in Lagen handwerklich collagiert werden musste – das nimmt der Künstler pragmatisch als Zugeständnis an den derzeitigen Stand der Technik hin. Und so überzeugt die Installation auch nicht durch ihre Qualität in einem akademischen Sinne – und sollte wohl auch nicht in Kuratorenprosa als „Sinnbild unseres aktuellen Lebensgefühls inklusive des Horizontverlustes in einer Multioptionsgesellschaft“ theoretisch strapaziert werden. Gerwald Rockenschaub ist seinem instinktiven Gespür für diesen Raum gefolgt: Hier kann man nicht kleckern, hier muss man klotzen! Auf die nächsten Ausstellungs­architekturen in der Halle darf man gespannt sein.
Fakten
Architekten Rockenschaub, Gerwald, Berlin
aus Bauwelt 25.2011
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