Sachsens neue Stützen
Unternehmenssitz der Sächsischen Aufbaubank in Leipzig
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Sachsens neue Stützen
Unternehmenssitz der Sächsischen Aufbaubank in Leipzig
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Während andere Banken ins Straucheln geraten, soll ein Neubau für die Sächsische Aufbaubank Stabilität ausstrahlen. Der Siegerentwurf eines Wettbewerbs setzt dafür auf Stützen – so weit das Auge reicht.
Sachsen zieht um. Nicht in ein anderes Bundesland, sondern innerhalb des Freistaats wandern Institutionen des Landes bis 2020 von einer Stadt in die andere. „Behördenmonopoly“, schimpfen die sächsischen Linken über das, was die schwarz-gelbe Landesführung lieber als „Staatsmodernisierung“ bezeichnet. Die Regierung verspricht, der Verwaltungsapparat werde dadurch schlanker und effizienter. Die Kommunen selbst fürchten den Verlust – oder freuen sich auf den Zuzug – lokalwirtschaftlich bedeutender Staatstempel.
Dresden und Leipzig gerieten so ins Tauziehen um die Heimat der Sächsischen Aufbaubank (SAB). Das Förderinstitut des Freistaats, das mit Fördermitteln und Darlehen die Investitionsgeschäfte in Sachsen am Laufen zu halten hat, soll bis 2017 seinen Hauptsitz von Dresden nach Leipzig verlagern, wo es bisher ein „Kundencenter“ betreibt. Die SAB erstand dafür ein Gelände nördlich des Innenstadtrings, sieben Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof entfernt, und ließ das dort 1969 eröffnete Gebäude des DDR-Betriebs Robotron abreißen. Auf der Brache soll das neue Bürogebäude der SAB für rund 600 Angestellte entstehen – in gleichgesinnter Nachbarschaft zu anderen Banken und Kreditinstituten. Dafür, dass sich der Neubau allerdings nicht einfach dieser drögen 90er-Jahre-Büroarchitektur unterordnet, könnte der Gewinner des von der SAB ausgelobten Realisierungswettbewerbs sorgen: Das Londoner Büro acme will – anstatt das Gebäude hermetisch zu allen Seiten abzuriegeln – einen Wald aus Betonstützen vor die Bürokörper im Nordwesten „pflanzen“. Dadurch entstünde unter einem quadratischen und punktuell verglasten Dach ein halböffentlicher Raum, der teilweise begrünt und teilweise mit aufsteigenden Sitzlandschaften versehen werden soll.
Systemrelevanter Stützenwald
Die Architekten begründen den Stützenwald mit einem Griff tief in die Geschichtskiste, als eine Erinnerung an Löhrs Garten, einem an diesem Ort fürs Lustwandeln beliebten Park, der nach 1870 überbaut wurde. Auch sollen die Pfeiler die stützende Funktion der Sächsischen Aufbaubank symbolisieren – bei einem Privatinstitut könnte man wohl von „systemrelevant“ sprechen. Was acme nicht nennt, sind mögliche Inspirationsquellen für die pilzförmigen Betonbäume. Dabei muss man keine Angst haben, beim Brechen des heiligen Kopierverbots ertappt zu werden, wenn dadurch gute Architektur entsteht. Die Nähe zu Wrights Pilzstützen im Johnson Wax Headquarters ist kaum zu leugnen – aber auch nicht schlimm, da acme das Konzept weiterdenkt und vom Innen- auf den Außenraum überträgt.
Auch Besuchern der Expo 2008 könnte das Gestaltungsprinzip bekannt vorkommen, mussten sie doch in Saragossa durch einen Wald aus mit Terrakotta-Manschetten verkleideten Stahlsäulen spazieren, um zum Spanischen Pavillon des Architekten Francisco Mangado zu gelangen (Bauwelt 27.2008). Und in Tokio erweiterte Junya Ishigami ein Uni-Institut um eine gläserne Halle, die der Architekt so mit Stützen besetzen wollte, als „liefe man durch einen Wald, in dem das Sonnenlicht durch Baumstämme gefiltert wird“ (Bauwelt 42.2008). Ähnlich argumentiert acme: Die Stützen würden Schatten spenden und den Straßenlärm von den Büros fernhalten. Zwar wünschten sich die Preisrichter, der Besucher würde durch das Dickicht besser gelenkt – doch gerade eine zu klare Führung könnte dem Wald seinen Reiz wieder nehmen.
„Acme, meine Güte, dieser Haufen ist ehrgeizig“, schwärmte der Architekturkritiker Tom Dyckhoff schon 2010 in der britischen Tageszeitung „The Times“ von der Experimentierfreudigkeit des jungen Büros. Besonders gern erprobt acme neue Formen und Materialien, die es um Bestands- oder Neubauten wickeln kann. Manche der Ideen verharren jedoch noch in digitaler Wartestellung. Büroleiter Friedrich Ludewig, der in Berlin Architektur studierte, hatte bereits Arbeitserfahrung bei Sauerbruch Hutton gesammelt, bevor er 2007 acme in London gründete. Im Leipziger Wettbewerb traf er wieder auf das Berliner Büro, diesmal als Konkurrenten, der den 3. Preis erhielt. Der 2. Preis ging an ingenhoven architects. Ihr quadratischer Neubau wirkt mit seinen umlaufenden Fensterbändern wie eine Reminiszenz an das zuvor abgerissene Robotron-Gebäude.
Welcher der drei Preisträger, auf die 300.000 Euro Preisgelder verteilt werden, am Ende auch zum Zug kommen wird, ist allerdings längst noch nicht sicher. Die Sächsische Aufbaubank hält sich als Ausloberin bedeckt. Im Oktober präsentierte sie die Wettbewerbsergebnisse für kurze Zeit im Leipziger SAB-Kundencenter. Fotografieren war in der Ausstellung verboten. Ein paar Handyaufnahmen der von den insgesamt 20 Teilnehmern eingereichten Entwürfe gelangten dennoch ins Netz, darunter Trutzburgen aus dem Hause Zaha Hadid und Max Dudler.
Warum diese Zurückhaltung? Womöglich ist man in der Bank verunsichert nach dem Aufschrei in der Lokalpresse, der den Entwurf von acme als einen millionenteuren „Glaspalast“ diffamierte und eine ebenso empörte Online-Leserschaft nach sich zog. Womöglich will sich die SAB auch alle Türen offenhalten für einen eher konventionellen Entwurf. Möglich ist das, wünschenswert nicht.
Nichtoffener Realisierungswettbewerb nach RPW 2008
1. Preis acme, London | 2. Preis ingenhoven architects, Düsseldorf | 3. Preis Sauerbruch Hutton, Berlin | Anerkennung Riegler Riewe Architekten, Graz
1. Preis acme, London | 2. Preis ingenhoven architects, Düsseldorf | 3. Preis Sauerbruch Hutton, Berlin | Anerkennung Riegler Riewe Architekten, Graz
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