Schlagworte und Prototypen
Werner Aisslinger im Haus am Waldsee
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Schlagworte und Prototypen
Werner Aisslinger im Haus am Waldsee
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Ein mit Stoffteilen verkleideter Porsche 928 steht quer in der Vorfahrt. Dahinter erhebt sich der farblich passend verhüllte Giebel des Hauses am Waldsee in Berlin-Zehlendorf. Die der internationalen Gegenwartskunst verschriebene Institution kündigt dergestalt keine konventionelle Ausstellung an, sondern eine Anverwandlung ihres Gebäudes.
Der deutsche Designer Werner Aisslinger will die einstige Bestimmung der 1922 oberhalb eines kleinen Sees errichteten Villa als Wohn- und Lebensort reflektieren. Dafür hat er im Erdgeschoss fünf Wohnsituationen eingerichtet, die, um es gleich zu sagen, der Besucher leider nicht testen kann.
Aisslinger geht von der Prämisse aus, dass die Archetypen des Designs von der Moderne definiert sind, aber die Formensprache der Materialentwicklung vorauseilt. „Form follows function“ ergänzte er durch „Function follows material“ und zeigt es an der „Chair Farm“, wo er Bambus die Hohlform eines Stuhls gleichsam ausfüllen lässt, ebenso wie am bereits erhältlichen Hemp Chair, der aus einem abbaubaren Kompositmaterial gefertigt wird. Beide Stühle werden als Prototypen präsentiert, nur aus der Distanz zu betrachten. Wie auch das gegenüber der Gartenfront platzierte Sofa im „anti-digitalen“ Wohnraum, von dem aus man zweifelsohne den Blick auf den See dem auf ein Display vorziehen würde, dürfte man sich denn draufsetzen.
Die Basis, auf der Aisslinger das Kunsthaus bespielt, ist eher eine Ideelle. Als literarische Motti für die Ausstellung hat er, langjähriger Juror des Wilhelm-Braun-Feldweg-Preises für designkritische Texte, „Upcycling“ und „Tuning“ gewählt. Beispiele für Aufwertungen zeigt er auf der im ehemaligen Wintergarten installierten Kücheninsel, wo er Pilze auf Kaffeesatz züchtet oder ein Gemüsebeet mit Fischexkrementen aus dem nebenan positionierten Aquarium düngt. Die Verkleidung von Porsche und Haus hat indessen grundsätzliche Relevanz. Mit dem zeichenhaften „Tuning“ der Karosse jenes Sportwagens, der 1978 als bisher einziger seiner Art zum „Auto des Jahres“ gekürt wurde, will Aisslinger zur Diskussion stellen, ob die „Optimierung des Alten“ nicht zuweilen der energieaufwendigen Herstellung des sparsameren und umweltschonenderen Neuen vorzuziehen sei. Die Hülle des Hauses soll allerdings keine ästhetische Wärmedämmung assoziieren, sondern im Partnerlook mit dem Fahrzeug eine Parodie auf das bürgerliche Mantra „Mein Haus, mein Auto, mein ...“ sein.
Die Nachhaltigkeit der vorgestellten Konzepte wird zu überprüfen sein. Möglicherweise werden sie schlicht museal, wie Aisslingers im Garten aufgestelltes „Loftcube“, das bislang, anders als ursprünglich geplant, auf keinem innerstädtischen Flachdach der Welt landen konnte (Bauwelt 19–20.2003). Vielleicht aber zeigt er in zehn oder fünfzehn Jahren am gleichen Ort, wie sich seine Designideen entwickelt haben. Dann wird der Besucher hoffentlich auch sitzend die schönen Aussichten genießen können.
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