Street Life
Text: Saad, Ali, Berlin
Street Life
Text: Saad, Ali, Berlin
In ihrer Forschungsarbeit „Street Life“ haben Ali Saad und Thomas Stellmach neue Möglichkeiten zur Integration von Straßen und Stadtraum untersucht. Für eine Reihe von neuen Straßentypen wurden Ideen entwickelt.
Die Geschichte urbaner Systeme offenbart, dass Infrastrukturen der Mobilität, vor allem Straßen, immer auch einen massiven Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung und damit auf die Entwicklung von Städten hat. Dabei verbinden Straßen nicht nur wichtige Punkte des wirtschaftlichen und kulturellen Austauschs miteinander, sie sind auch eng in ihren unmittelbaren räumlichen Kontext integriert. Als multifunktionale Räume und Schnittstellen zwischen Öffentlichem und Privatem, in beiden Richtungen, waren sie nicht nur Verkehrsräume. Sie erfüllten vielmehr eine Vielzahl von Funktionen für die unmittelbar angrenzende Umgebung. Es ist diese spezifische Mischung, die mit „Street Life“ oder „Street Culture“ gemeint ist.
Mit dem Zeitalter der Industrialisierung begann dieses hybride Verhältnis zwischen Straße und Stadtraum langsam zu bröckeln. Der Bevölkerungsdruck auf die Industriestädte, der bahnbrechende Erfolg des Automobils und die damit einhergehenden Möglichkeiten eines suburbanen Lebens im Grünen führten zu einer Zunahme des Verkehrs und inspirierten die Architekten des CIAM, eine völlig neue Art von Stadt zu erdenken und 1931 in der Charta von Athen festzuschreiben. Es war der Moment, in dem die Stadt als ein Raum diskreter, funktional unterteilter Komponenten theoretisiert wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dann war schließlich der Nährboden geschaffen, um diese Prinzipien der moder-nen Stadt in großem Maßstab zu realisieren. Kriegszerstörung, wirtschaftliche und politische Stärke aufstrebender Wohlfahrtsstaaten, enormes Bevölkerungswachstum und der daraus resultierende Bedarf an Wohnraum sowie Innovationen im Bereich der standardisierten Massenfertigung führten weltweit, unabhängig von politischen Ideologien, zur Entstehung neuer, völlig autoabhängiger Städte, Vorstädte, Stadterweiterungen und zum vorläufigen Ende von „Street Life“.
Um den wachsenden Autoverkehr aufzunehmen, wurden Straßen breiter und breiter. Ihre sozio-ökonomischen Funktionen wanderten in das Innere der Stadtviertel, während die vom Verkehr überfüllten Straßen ihre Grenzen zementierten. Schon bald wurde diese technokratische Stadtplanung der Moderne und die einsetzende soziale Verödung der Innenstädte kritisiert. 1961 publizierte Jane Jacobs „The Death and Life of Great American Cities“, ihr Plädoyer für die Komplexität der Stadt, als Antithese zur Nachkriegsplanung; 1963 veröffentlichte Sir Colin Buchanan seinen „Buchanan Report“, der die Gefahren des Autoverkehrs für die Lebensqualität in den Städten beschreibt.
Hinzu kam Anfang der siebziger Jahre eine Serie von Ereignissen, wie die Öl-Krise von 1973, der Vietnam-Krieg und die Gründung der ersten Umweltbewegungen, die ein Bewusstsein für die Schattenseiten von Technokratie, Ölabhängigkeit und Umweltverschmutzung erzeugten. Architekten begannen über Alternativen zur modernen Stadt nachzudenken. In ihrem Projekt „Golden Lane Housing“ unternahmen Alison und Peter Smithson einen frühen Versuch, die Straßen eines Wohnblocks wieder zum Rückgrat sozialer Interaktion zu machen. 1972 beschrieben Robert Venturi, Denise Scott Brown und
Steven Izenour in ihrem Buch „Learning from Las Vegas“ die „spielerische“ Architektur, die der Las Vegas Strip jenseits der modernistischen Doktrin generiert hatte.
In der Folge dieser Entwicklungen begannen nun Politiker und Ingenieure nach Alternativen zur Öl- und Autoabhängigkeit zu suchen. Zwischen 1974 und 1986 testete man in Amsterdam das erste Elektro-Car-Sharing-Projekt „Witkar“. In Deutschland, den USA und in Frankreich wurden Personal- Rapid-Transport-Systeme entwickelt und erstmalig 1983 mit dem VAL-Projekt in Lille eingesetzt, und 1981 nahm die erste TGV-Strecke, zwischen Lyon und Paris, ihren Betrieb auf. Neben diesen Entwicklungen versuchten einige Städte, überdimensionierte Verkehrsstraßen wieder in das Stadtgewebe einzubinden. 1981 wurde in Berlin die A104 im Bereich Schlangenbader Straße mit einem Wohngebäude überbaut. In Barcelona startete in den achtziger Jahren, im Zuge der Planungen für die Olympischen Spiele, das Ronda Barcelona Projekt. Die städtische Ringautobahn sollte besser in die Stadt integriert werden. In einem Teilabschnitt, direkt im Zentrum, wurde die 12-spurige Verkehrstrasse mit lokalen Straßen und öffentlichen Räumen dezent überbaut, um eine fließende Verbindung zwischen Stadt und Meer herzustellen.
Auch innerhalb des Architekturdiskurses entwickelte sich seit den neunziger Jahren eine neue Denkweise. Ausschlaggebend hierfür war eine Reihe einflussreicher „Nullpunkttexte“, wie „Non-Places“ von Marc Augé oder „Ladders“ von Albert Pope, die die Krise der autogerechten Stadt beschrieben. Rem Koolhaas konstatierte 1995 in dem Aufsatz „Generic City“ anhand der ortlosen Masse an Malls, Flughäfen, Autobahnen oder Hotels, dass die Stadt, wie wir sie kennen, nicht mehr existiere. Er beerdigte sie mit knappen Worten: „Relief ... it’s over. That is the story of the city. The city is no longer. We can leave the theatre now.“
Diese Texte stießen auf großes Interesse, weil sie in einer Zeit veröffentlicht wurden, in der die Besorgnis um den Klimawandel und das Ende der fossilen Energiequellen sich zu entwickeln begann. 1985 wurde das Ozonloch entdeckt, 1995 thematisierte Al Gore öffentlichkeitswirksam den Klimawandel, 1997 fand der erste Weltklimagipfel in Kyoto statt. Jetzt wurde die Konzeption des Städtebaus der Nachkriegszeit ernsthaft hinterfragt. Die Problematik von Einfamilienhäusern, von Funktionstrennung und von Autoabhängigkeit und der ineffiziente Umgang mit Flächen geriet zwar spät, dafür aber breit gefächert in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Idee einer dichten, kompakten und gemischten Stadt erlebte eine Renaissance. Im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte ist diese Idee mittlerweise zur neuen Ideologie von Architektur und Städtebau geworden. In das Bewusstsein der deutschen Politiker gelangte sie verzögert. Die Eigenheimzulage des Bundes, die den massenhaften Bau von Einfamilienhäusern in der Peripherie unterstützte, wurde erst 2006 gestrichen.
Trotz dieses Paradigmenwechsels verringerten sich weder der Autoverkehr noch die Desintegration und Monofunktionalität der Straßen. Ob im Ruhrgebiet, in der niederländischen Randstad oder in der Pariser Banlieue, nach wie vor durchschneiden und polarisieren massive Durchfahrtsstraßen, isolierte Autobahnen und vollgeparkte Seitenstraßen die urbane Landschaft. Zwischen 1975 und 2005 hat sich in Deutschland die Zahl der Autozulassungen von 23 auf 54 Millionen mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung lässt sich in vielen europäischen Staaten beobachten. Der wachsende europäische Verkehr machte eine Standardisierung der Straßentypen erforderlich. Das „European Agreement on Main International Traffic Arteries“ (AGR) von 1975 regelt nach wie vor für die EU einheitlichen Dimensionierungen, Geschwindigkeiten und Sicherheitsstandards verschiedener Straßentypen. Hier findet man die Gründe dafür, warum Straßen nicht hybrid sind; es ist schlichtweg verboten. Straßen werden ausschließlich aus der Sicht des Autoverkehrs und mit Blick auf dessen Sicherheit konzipiert. Stadträumliche, soziale oder gar kulturelle Überlegungen sind dem nachgeordnet.
Angesichts von Finanzkrisen, Klimawandel, demographischen Veränderungen und des Umbaus des Sozialstaats, muss der Frage nachgegangen werden, mit welchen Methoden Architektur und Städtebau einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen können. Um die Integration von Straßen und Stadtraum zu ermöglichen und die Fragmentierung der Stadt zu überwinden ist es erforderlich, althergebrachte Vorstellungen von Verkehr und Sicherheit zu überdenken.
Selbst bei einem vorsichtigen Szenario ist erkennbar, dass aktuelle Trends und Innovationen im Bereich der Mobilität, Kommunikation und Interaktion, die Vorstellungen von Verkehrssicherheit verändern. So wird eine neue Konzeption von Straßen möglich. Unter den Jüngeren verliert das Auto schon jetzt seinen Stellenwert als Statussymbol. Es ist abzusehen, dass neue, mit öffentlichen Verkehrsmitteln verknüpfte Mobilitätssysteme wie eMobility oder Car- und Bike Sharing eine flexible Alternative zum Individualverkehr werden. Elektroautos werden den Verkehr leiser machen und die Emissionen innerhalb der Städte deutlich senken. Intelligente Verkehrssysteme wie GPS, Abstandskontroll- oder Einparkhilfen werden den Verkehr zumindest ein wenig effizienter, flüssiger, und sicherer machen und zu einer Reduktion von überflüssigen Fahrbahnen und von urbanem Sicherheitskrimskrams des heutigen Autoverkehrs führen.
Jenseits des Dogmas der Verdichtung bieten all diese Innovationen zahllose Möglichkeiten, überdimensionierte Straßenflächen in Zusammenhang mit ihren unmittelbaren Kontexten neu zu betrachten und den öffentlichen Raum für die Bedürfnisse einer heterogenen Zivilgesellschaft zurückzuerobern. So könnten beispielsweise auf den Straßenflächen von weiträumigen Vororten, wie dem Rotterdamer Hoogvliet, öffentliche Nutzungen angesiedelt und die Dominanz des Autos gebrochen werden.
Es ist kaum zu verstehen, warum ein Großteil des öffentlichen Raumes für nur wenige vorbeifahrende Autos reserviert wird. In den Dikussionen wird aber auch deutlich, dass es nicht darum gehen darf, das romantische Klischee eines vergangenen „Street Life“ zu reanimieren; es gilt vielmehr, eine neue zeitgemäße Interpretation von hybriden und multifunktionalen Straßenräumen zu entwickeln.
Mit dem Zeitalter der Industrialisierung begann dieses hybride Verhältnis zwischen Straße und Stadtraum langsam zu bröckeln. Der Bevölkerungsdruck auf die Industriestädte, der bahnbrechende Erfolg des Automobils und die damit einhergehenden Möglichkeiten eines suburbanen Lebens im Grünen führten zu einer Zunahme des Verkehrs und inspirierten die Architekten des CIAM, eine völlig neue Art von Stadt zu erdenken und 1931 in der Charta von Athen festzuschreiben. Es war der Moment, in dem die Stadt als ein Raum diskreter, funktional unterteilter Komponenten theoretisiert wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dann war schließlich der Nährboden geschaffen, um diese Prinzipien der moder-nen Stadt in großem Maßstab zu realisieren. Kriegszerstörung, wirtschaftliche und politische Stärke aufstrebender Wohlfahrtsstaaten, enormes Bevölkerungswachstum und der daraus resultierende Bedarf an Wohnraum sowie Innovationen im Bereich der standardisierten Massenfertigung führten weltweit, unabhängig von politischen Ideologien, zur Entstehung neuer, völlig autoabhängiger Städte, Vorstädte, Stadterweiterungen und zum vorläufigen Ende von „Street Life“.
Um den wachsenden Autoverkehr aufzunehmen, wurden Straßen breiter und breiter. Ihre sozio-ökonomischen Funktionen wanderten in das Innere der Stadtviertel, während die vom Verkehr überfüllten Straßen ihre Grenzen zementierten. Schon bald wurde diese technokratische Stadtplanung der Moderne und die einsetzende soziale Verödung der Innenstädte kritisiert. 1961 publizierte Jane Jacobs „The Death and Life of Great American Cities“, ihr Plädoyer für die Komplexität der Stadt, als Antithese zur Nachkriegsplanung; 1963 veröffentlichte Sir Colin Buchanan seinen „Buchanan Report“, der die Gefahren des Autoverkehrs für die Lebensqualität in den Städten beschreibt.
Hinzu kam Anfang der siebziger Jahre eine Serie von Ereignissen, wie die Öl-Krise von 1973, der Vietnam-Krieg und die Gründung der ersten Umweltbewegungen, die ein Bewusstsein für die Schattenseiten von Technokratie, Ölabhängigkeit und Umweltverschmutzung erzeugten. Architekten begannen über Alternativen zur modernen Stadt nachzudenken. In ihrem Projekt „Golden Lane Housing“ unternahmen Alison und Peter Smithson einen frühen Versuch, die Straßen eines Wohnblocks wieder zum Rückgrat sozialer Interaktion zu machen. 1972 beschrieben Robert Venturi, Denise Scott Brown und
Steven Izenour in ihrem Buch „Learning from Las Vegas“ die „spielerische“ Architektur, die der Las Vegas Strip jenseits der modernistischen Doktrin generiert hatte.
In der Folge dieser Entwicklungen begannen nun Politiker und Ingenieure nach Alternativen zur Öl- und Autoabhängigkeit zu suchen. Zwischen 1974 und 1986 testete man in Amsterdam das erste Elektro-Car-Sharing-Projekt „Witkar“. In Deutschland, den USA und in Frankreich wurden Personal- Rapid-Transport-Systeme entwickelt und erstmalig 1983 mit dem VAL-Projekt in Lille eingesetzt, und 1981 nahm die erste TGV-Strecke, zwischen Lyon und Paris, ihren Betrieb auf. Neben diesen Entwicklungen versuchten einige Städte, überdimensionierte Verkehrsstraßen wieder in das Stadtgewebe einzubinden. 1981 wurde in Berlin die A104 im Bereich Schlangenbader Straße mit einem Wohngebäude überbaut. In Barcelona startete in den achtziger Jahren, im Zuge der Planungen für die Olympischen Spiele, das Ronda Barcelona Projekt. Die städtische Ringautobahn sollte besser in die Stadt integriert werden. In einem Teilabschnitt, direkt im Zentrum, wurde die 12-spurige Verkehrstrasse mit lokalen Straßen und öffentlichen Räumen dezent überbaut, um eine fließende Verbindung zwischen Stadt und Meer herzustellen.
Auch innerhalb des Architekturdiskurses entwickelte sich seit den neunziger Jahren eine neue Denkweise. Ausschlaggebend hierfür war eine Reihe einflussreicher „Nullpunkttexte“, wie „Non-Places“ von Marc Augé oder „Ladders“ von Albert Pope, die die Krise der autogerechten Stadt beschrieben. Rem Koolhaas konstatierte 1995 in dem Aufsatz „Generic City“ anhand der ortlosen Masse an Malls, Flughäfen, Autobahnen oder Hotels, dass die Stadt, wie wir sie kennen, nicht mehr existiere. Er beerdigte sie mit knappen Worten: „Relief ... it’s over. That is the story of the city. The city is no longer. We can leave the theatre now.“
Diese Texte stießen auf großes Interesse, weil sie in einer Zeit veröffentlicht wurden, in der die Besorgnis um den Klimawandel und das Ende der fossilen Energiequellen sich zu entwickeln begann. 1985 wurde das Ozonloch entdeckt, 1995 thematisierte Al Gore öffentlichkeitswirksam den Klimawandel, 1997 fand der erste Weltklimagipfel in Kyoto statt. Jetzt wurde die Konzeption des Städtebaus der Nachkriegszeit ernsthaft hinterfragt. Die Problematik von Einfamilienhäusern, von Funktionstrennung und von Autoabhängigkeit und der ineffiziente Umgang mit Flächen geriet zwar spät, dafür aber breit gefächert in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Idee einer dichten, kompakten und gemischten Stadt erlebte eine Renaissance. Im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte ist diese Idee mittlerweise zur neuen Ideologie von Architektur und Städtebau geworden. In das Bewusstsein der deutschen Politiker gelangte sie verzögert. Die Eigenheimzulage des Bundes, die den massenhaften Bau von Einfamilienhäusern in der Peripherie unterstützte, wurde erst 2006 gestrichen.
Trotz dieses Paradigmenwechsels verringerten sich weder der Autoverkehr noch die Desintegration und Monofunktionalität der Straßen. Ob im Ruhrgebiet, in der niederländischen Randstad oder in der Pariser Banlieue, nach wie vor durchschneiden und polarisieren massive Durchfahrtsstraßen, isolierte Autobahnen und vollgeparkte Seitenstraßen die urbane Landschaft. Zwischen 1975 und 2005 hat sich in Deutschland die Zahl der Autozulassungen von 23 auf 54 Millionen mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung lässt sich in vielen europäischen Staaten beobachten. Der wachsende europäische Verkehr machte eine Standardisierung der Straßentypen erforderlich. Das „European Agreement on Main International Traffic Arteries“ (AGR) von 1975 regelt nach wie vor für die EU einheitlichen Dimensionierungen, Geschwindigkeiten und Sicherheitsstandards verschiedener Straßentypen. Hier findet man die Gründe dafür, warum Straßen nicht hybrid sind; es ist schlichtweg verboten. Straßen werden ausschließlich aus der Sicht des Autoverkehrs und mit Blick auf dessen Sicherheit konzipiert. Stadträumliche, soziale oder gar kulturelle Überlegungen sind dem nachgeordnet.
Angesichts von Finanzkrisen, Klimawandel, demographischen Veränderungen und des Umbaus des Sozialstaats, muss der Frage nachgegangen werden, mit welchen Methoden Architektur und Städtebau einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen können. Um die Integration von Straßen und Stadtraum zu ermöglichen und die Fragmentierung der Stadt zu überwinden ist es erforderlich, althergebrachte Vorstellungen von Verkehr und Sicherheit zu überdenken.
Selbst bei einem vorsichtigen Szenario ist erkennbar, dass aktuelle Trends und Innovationen im Bereich der Mobilität, Kommunikation und Interaktion, die Vorstellungen von Verkehrssicherheit verändern. So wird eine neue Konzeption von Straßen möglich. Unter den Jüngeren verliert das Auto schon jetzt seinen Stellenwert als Statussymbol. Es ist abzusehen, dass neue, mit öffentlichen Verkehrsmitteln verknüpfte Mobilitätssysteme wie eMobility oder Car- und Bike Sharing eine flexible Alternative zum Individualverkehr werden. Elektroautos werden den Verkehr leiser machen und die Emissionen innerhalb der Städte deutlich senken. Intelligente Verkehrssysteme wie GPS, Abstandskontroll- oder Einparkhilfen werden den Verkehr zumindest ein wenig effizienter, flüssiger, und sicherer machen und zu einer Reduktion von überflüssigen Fahrbahnen und von urbanem Sicherheitskrimskrams des heutigen Autoverkehrs führen.
Jenseits des Dogmas der Verdichtung bieten all diese Innovationen zahllose Möglichkeiten, überdimensionierte Straßenflächen in Zusammenhang mit ihren unmittelbaren Kontexten neu zu betrachten und den öffentlichen Raum für die Bedürfnisse einer heterogenen Zivilgesellschaft zurückzuerobern. So könnten beispielsweise auf den Straßenflächen von weiträumigen Vororten, wie dem Rotterdamer Hoogvliet, öffentliche Nutzungen angesiedelt und die Dominanz des Autos gebrochen werden.
Es ist kaum zu verstehen, warum ein Großteil des öffentlichen Raumes für nur wenige vorbeifahrende Autos reserviert wird. In den Dikussionen wird aber auch deutlich, dass es nicht darum gehen darf, das romantische Klischee eines vergangenen „Street Life“ zu reanimieren; es gilt vielmehr, eine neue zeitgemäße Interpretation von hybriden und multifunktionalen Straßenräumen zu entwickeln.
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