The Projective Cast/Das Farbliche
Louisa Hutton und Peter Cachola Schmal stellten im Ungers-Archiv Lieblingsbücher vor
Text: Winterhager, Uta, Bonn
The Projective Cast/Das Farbliche
Louisa Hutton und Peter Cachola Schmal stellten im Ungers-Archiv Lieblingsbücher vor
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Die Veranstaltungen der „Ex-Libris“-Reihe im Kölner Ungers Archiv für Architekturwissenschaften (UAA) wirken ein wenig aus der Zeit gefallen – und das ist Programm: Sophia Ungers, Tochter von Oswald Mathias Ungers (1926–2007) und Leiterin des Archivs, lädt stets zwei Protagonisten aus dem nationalen wie internationalen Architekturkosmos ein, aus der umfangreichen Bibliothek ihres Vaters je ein Buch auszuwählen.
Sie sollen erläutern, warum sie genau dieses Buch für bedeutsam halten, bedeutsam für die Zeit seiner Entstehung, für die Zeit danach, aber auch für sich selbst. Meist kennt die Gastgeberin ihre Gäste persönlich. Der Kontakt mit Louisa Hutton besteht seit der Sauerbruch-Hutton Ausstellung „Houses for Sale“ in der Galerie Sophia Ungers 1996. Mit Peter Cachola Schmal verbindet sie vorrangig, dass er als Direktor des Deutschen Architekturmuseums Hausherr eines Ungers-Baus ist.
Wider Erwarten hatte Louisa Hutton nicht Das Farbliche zur ihrem Thema gemacht (das Buch sollte Schmal später vorstellen), sondern The Projective Cast. Architecture And Its Three Geometries von Robin Evans. Erschienen ist das Buch 1995, zwei Jahre nach dem Tod des Autors. Louisa Hutton kannte Evans aus der gemeinsamen Zeit an der Londoner AA (er als Tutor, sie als Studentin), und aus der Leidenschaft, mit der sie seine Arbeit vorstellte, sprach die Bewunderung für den Architekten, Forscher und Lehrer. 500 Seiten voller Zeichnungen – seine eigenen sowie unzähliger Anderer aus 500 Jahren Architekturgeschichte – verknüpft Evans mit seinen analytischen Texten zu einem Werk, das sich lese wie ein Abenteuerroman, so Hutton. Das Buch ist gerade Mal 18 Jahre alt und erscheint doch als Relikt einer vergangenen Epoche – einer Zeit, als Bilder, Geometrien und Architektur im Kopf und auf dem Papier entstanden, als Diskussionen über die Wahrnehmung von Raum Hörsäle und Abende füllten. Auch wenn uns computergenerierte Bilder Perfektion suggerierten, solle man sich nicht in seiner Kreativität von ihnen beschränken lassen, warnte Louisa Hutton. Den Luxus, sich ausgiebig und konzentriert diesem außergewöhnlichen Buch zu widmen, müsse man sich gönnen.
Peter Cachola Schmal hatte mit einer kleinen Provokation auf die Einladung reagiert: Er ließ in der Bibliothek des UAA nach Günter Behnischs 1993 erschienenem Buch Über das Farbliche. On Colour suchen. Es fand sich nicht; und das wäre in einer Bibliothek, die, beginnend mit der Erstausgabe von Vitruvs De Architectura Libri Decem von 1495, nahezu alles Architekturrelevante umfasst, eigentlich eine Unmöglichkeit – wenn man nicht wüsste, dass Ungers und Behnisch die beiden unvereinbaren Pole im Architekturdiskurs ihrer Zeit waren. Doch der DAM-Direktor wollte nicht nur provozieren, er wollte auch erzählen: Bereits als Student in Darmstadt habe er Behnisch als Professor schätzen gelernt und sei nach dem Diplom im Team für den Bonner Bundestag gelandet, der habe mit dem Wissen zu Ende geplant und gebaut werden müssen, dass er nicht lange seine Bestimmung erfüllen würde. Über das Farbliche, das neben Texten von Behnisch Beiträge von Otl Aicher und Günther Grzimek enthält, handelt nicht allein von Farbe – sondern von einer Haltung, die auf freie und antiherrschaftliche Werte setzt, illustriert anhand der Bauten und des grafischen Auftritts der Olympischen Spiele in München 1972. Falls in Zukunft noch einmal jemand im UAA nach Behnischs 100-seitigem Buch suchen sollte – er würde fündig. Peter Cachola Schmal hat dem Archiv eine Ausgabe gestiftet.
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