Bauwelt

Tokaido revisited

Stadtprojekte in Japan seit den 60er Jahren

Text: Meyer, Ulf, Berlin

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Cities in the air, Shinzuoka Version, 1960
Foto: © Osamu Murai

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Tokaido revisited

Stadtprojekte in Japan seit den 60er Jahren

Text: Meyer, Ulf, Berlin

Die Wanderausstellung „Struggling Cities“, die derzeit im japanische Kulturinstitut in Köln zu sehen ist, kommt genau im passenden Augenblick, um den 60er Jahre-Städtebau einer Revision zu unterziehen.
Nichts wirkt altmodischer als die Zukunftsvision von gestern. Vor allem ist es wohl ihrer naiven Technik- und Wachstumseuphorie geschuldet, dass die Vorstellungen der japanischen Metabolisten der 60er Jahre von wuchernden Raumkapsel-Clustern, die sich über die Bucht von Tokio oder in den Himmel über Shibuya stapeln, heute so verstaubt anmuten. Tange, Kikutake, Maki, Kurokawa & Co. fassten Städtebau als Architekturaufgabe auf. Fälschlicherweise, wie wir längst konstatiert haben. Zugleich haben die Utopien und Stadtexperimente, die sie vor fünfzig Jahren ersannen, aber eine ganz neue Relevanz bekommen – angesichts einer im Zeitraffer stattfindenden weltweiten Mega-Urbanisierung und eines gleichzeitig um sich greifenden planerischen Zynismus, der die Idee von Stadt als etwas Gestaltbares offenbar aufgegeben hat. Die Wanderausstellung „Struggling Cities“, die derzeit im japanische Kulturinstitut in Köln zu sehen ist, kommt also genau im passenden Augenblick, um den 60er Jahre-Städtebau einer Revision zu unterziehen.
Tokio ist als erste, und mit 37 Millionen Einwohnern auch mit Abstand größte, Megastadt der Welt eine interessante Fallstudie für die Zukunft des Städtischen. Kenzo Tange hatte ganz Japan als Meta-City aufgefasst und damit die Vorstellung ei­ner urbanen Totalscape, „Tokaido“ genannt, vorweg­genommen. Und es ist nicht ohne Ironie, dass eine der prominentesten Schöpfungen des Metabolismus, Arata Isozakis „Cities in the Sky“, nun, fünfzig Jahre später, an der Küste von Doha/Katar als Nationalbib­liothek gebaut werden soll – in einem Land also, das keinerlei Platzmangel hat, wohl aber jede Menge architektonischen Geltungsdrang.
Die vom japanischen Architekten und Autoren Hino Naohiko kuratierte Kölner Ausstellung stellt ihr Thema mit – zum Teil wunderschönen – Architekturmodellen, Fotografien, Datengrafiken und Videos vor. Hino Naohiko verankert die Megacity Tokio in der Geschichte der Idealstadtplanungen, die vom Peking des 13. Jahrhunderts über die Idealstädte der Renaissance bis zu Le Corbusiers „Plan Voisin“ von 1925 reicht, wobei Tokio allerdings das Musterbeispiel für eine Impromptu-Weltstadt ist. Und auch wenn sich die Schau damit ein ganzes Stück zu viel auflädt, ist es doch interessant, die gescheiterten Pläne wie Tanges „Plan for Tokyo“ von 1960 im Kontext der Masterpläne von Planstädten wie Brasilia, Abuja, Skopje oder Chandigarh (hier auf Satellitenfotos) zu sehen.
Einem Städtebau, der sich als dreidimensionale Kunstform versteht, wird hier wie dort kaum eine Zukunft beschieden sein. Kurator Hino Naohiko ist aber der Auffassung, dass „die Globalisierung und der Neo-Liberalismus“ unser Verständnis von Städtebau getrübt hätten und es höchste Zeit sei für neue gestalterische Visionen.

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