Verantwortung Stadt
10. BDA-Tag in Hannover
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Verantwortung Stadt
10. BDA-Tag in Hannover
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Nicht immer beweist der Bund Deutscher Architekten Fingerspitzengefühl bei der Vergabe seines „Großen BDA-Preises“. Dass Axel Schultes ihn erst drei Jahre nach seinem langjährigen Mitarbeiter Volker Staab erhielt, sollte bei der Verleihung am 13. September wohl mit einer umso anspruchsvolleren Laudatio durch Ullrich Schwarz kompensiert werden. Vielerlei Bedeutungszuweisungen jenseits ästhetischer Kategorien bemühte er, um letztlich an Heideggers metaphysischem Weltenmaßstab dichterischer Qualität die herausragende Position von Schultes’ Werk und Persönlichkeit dingfest zu machen. In aufgeklärtem Glauben an die Welt gelinge Schultes eine gleichermaßen unprätentiöse wie ideologiefreie Selbstüberschreitung der Architektur.
Handfester waren die Vorträge und Diskussionen tags drauf beim „10. BDA-Tag“ in der Leibniz-Uni Hannover zum Status quo unserer Städte. Die Frage, ob jenseits vorhabenbezogener Planungen großer Investoren überhaupt noch ein qualifizierter Städtebau des „Souveräns Kommune“ gepflegt werde, fand unterschiedliche Antworten. Die Steilvorlage von Andreas Mattner, Geschäftsführer der ECE-Projektmanagement, dass es doch gerade die privatwirtschaftliche Projektentwicklung sei, die Stadtplanung initiiere und zudem mit „Verweilqualitäten“ wie Außengastronomie, Wasserspielen und Urban Gardening nahezu mäzenatisch das Ihre zur Lebendigkeit unserer Städte beitrage, verpuffte leider ohne fachgerechte Replik in einer ersten Diskussionsrunde zum Thema „Stadt als Prägung“.
Wer träumt Stadt, und wie?
Rena Wandel-Hoefer, Baudezernentin in Saarbrücken, holte die angemessene Nachdenklichkeit im zweiten Themenblock, zur „Stadt als Traum zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, zurück: Wer träumt Stadt, und wie? Jugendliche oder Berufspendler stellten zwangsläufig andere Ansprüche an die Stadt als Touristen, Letztere auf der Suche nach verblühter Bürgerlichkeit als Kulisse zum Latte Macchiato. Und Politikern fehle es erwiesenermaßen am langen Atem. Wandel-Hoefer forderte den Mut, die „Würde des Ortes“ aufzuspüren und gemeinsam respektvoll weiter zu pflegen. Extern besetzte Gestaltungsbeiräte seien dabei gewichtige, unabhängige Akteure. Aus den Niederungen kommunaler Stadtplanung berichtete Hannovers Stadtbaurat Uwe Bodemann. Seine „Arbeit an der Normalität“ bemüht sich derzeit um disparate Orte der Innenstadt. So wird etwa der verödete Klagesmarkt durch zwei Baublöcke gemischter Nutzung in seiner Dimension zurückgefahren. „Selbstverständlichkeiten“ wie eine fünf Meter hohe Erdgeschosszone oder Fassaden mit zehn Zentimeter starker Ziegeltapete müssen aber, so scheint es, den Investoren recht mühevoll abgerungen werden. Hochglanzprojekte sind so nicht zu erwarten, wie Bodemann selbst einräumt.
Der Ulmer Geschmacksbürgermeister
Ein anderes geistiges Klima herrscht wohl in Ulm, historisch keine Residenz- sondern eine freie Reichsstadt, vertraut man den Ausführungen des dortigen Baudezernenten Alexander Wetzig. Er ist gleichzeitig stellvertretender Verwaltungschef, arbeitet als „Geschmacksbürgermeister“, wie er gern bezeichnet wird, an der „Schönheit der Stadt“. Dem öffentlichen Bauen falle eine Vorbildfunktion für private Investoren zu. Durch den qua VOF zur Hilfsdisziplin degradierten Architekturwettbewerb finde aber kaum noch eine professionelle Ideenmaximierung statt. Ulm setzt auf informelle Planungen und das frühe Einbeziehen der Bürgerschaft in die Zielformulierung. Hier scheint man instrumentell für die geänderte Planungsrealität nachzurüsten, kann Standfestigkeit gegenüber Investoren zeigen.
Dass Manches im Argen liegt, betonte Rena Wandel-Hoefer in der Diskussion. Zu kritiklos würden vermeintliche Wünsche der Bürger beschworen, die potente Investoren wie die ECE dann geschickt zu bedienen wissen. Sie äußerte Unverständnis, dass sich Politik und renommierte Fachkollegen lieber in der ECE-Stiftung „Lebendige Stadt“ einbringen, statt die Stärkung kommunaler Kompetenz und Verantwortlichkeit einzufordern – zum Wohle einer Stadt, die jedem ihrer Bürger offensteht.
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