Vom Ende des visuellen Architekten
Umbaukultur-Konferenz in Gelsenkirchen
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Vom Ende des visuellen Architekten
Umbaukultur-Konferenz in Gelsenkirchen
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Umbau sei die Zukunftsaufgabe der Stadtentwicklung. Darüber herrschte Einigkeit bei der Konferenz UmBauKultur – Häuser von gestern für die Stadt von morgen, einer Veranstaltung der Landesinitiative StadtBauKultur NRW Ende Januar in Gelsenkirchen.
Doch wie ist Umbau im großen Stil praktisch zu bewältigen, wie der Bevölkerung zu vermitteln, wie lässt sich daraus baukultureller Mehrwert gewinnen? Antworten auf solche Fragen möchte die neu formierte Landesstiftung (Bauwelt 47.13) in den nächsten zehn Jahren mit Hilfe der Projekte, die sie fördert, erarbeiten. Die Konferenz war der Auftakt.
Für Kunibert Wachten von der RWTH Aachen ist NRW das Umbauland. Immer wieder müsse man sich hier mit den Hinterlassenschaften früherer Wachstumsphasen auseinandersetzen. Schon vor 25 Jahren habe die IBA Emscher Park die Debatte angestoßen und mit dem Gasometer Oberhausen und der Zeche Zollverein Ikonen des Wandels geschaffen. In unse-ren zu gut 98 Prozent fertiggebauten Städten biete nur der Umbau die Chance, auf alle Facetten des Strukturwandels zu reagieren, ob Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft oder Infrastruktur.
Immobilien, die nicht länger wirtschaftlich zu betreiben oder am Markt zu platzieren sind, nennt Guido Spars (BU Wuppertal) Schrottimmobilien. Also abreißen? Eine Alternativlösung sieht er im Rotterdamer Projekt Kluthuisen; dort überlässt man Interessenten Schrottimmobilien auf Zeit – zum Sanieren und Bewohnen. Derzeit wird mit einzelnen Häusern getestet, wie die Idee auf Gelsenkirchen übertragen werden kann. Jörg Beste vom Kölner Büro synergon referierte über die besondere Rolle von Sakralbauten in einer sich wandelnden Gesellschaft. Kirchen bildeten die Ankerpunkte ihrer Quartiere und böten hohes Potenzial für bürgerschaftliches Engagement, was einer Umnutzung entgegenkomme.
Bastler, Gärtner, Drehbuchschreiber
Vor dem Umbau steht das Umdenken: Kommunen müssen bürokratische Schranken abbauen, um auch Methoden und Ziele zuzulassen, die bislang nicht erprobt, ja vielleicht noch nicht einmal bekannt sind. Und Architekten müssen sich neu definieren. Muck Petzet, mit Reduce/Reuse/Recycle Generalkommissar des deutschen Pavillons bei der Architekturbiennale Venedig 2012, konstatierte: Den „visuellen Architekten“, wie ihn etwa Gary Cooper 1949 in The Fountainhead verkörpert hat, gibt es nicht mehr.
Doch wie läuft es nach dem Umdenken in der Praxis, wie fühlt sich die neue Rolle an? In Workshops sprachen diejenigen, die es ausprobiert haben, von ihrer Erfahrung. Bei der von Jörg Leeser (BeL Associates, Köln) moderierten Gruppe UmBauten standen neue Typen und Funktionen im Mittelpunkt: Thomas Hildebrand (Blue Architects, Zürich) berichtete, wie mit ausreichend Geld und Zeit aus einem Indus-triebau ein Tanzhaus geworden ist. Dirk Somers (Bovenbouw, Antwerpen) zeigte poetische Wohnhaussanierungen voller fürsorglich detaillierter Sonderlösungen. Stefan Rettich (Hochschule Bremen) präsentierte Studien zur Umnutzung stillgelegter Atomkraftwerke. Schöne, atmosphärische Bilder waren das. Ob diese „neue Romantik“ im Umgang mit alter Bausubstanz nicht die Gefahr der Verklärung in sich trage? Nein, fasste Jörg Leeser zusammen: Wenn wir kritisch bleiben, nicht sentimental, aber genussvoll planen und den alten Gebäuden im neuen Kontext keine „fake stories“ andichten, können wir vom Nebeneinander der Zeiten nur profitieren.
Der Workshop UmbauMaterial diskutierte über „gute“ und „böse“ Materialien – häufig eine Frage des richtigen Einsatzes – und die Möglichkeit der Wiederverwertung, wie sie die von der Bremer Architektin Ute Dechantsreiter gegründete Baustoffbörse bauteilnetz Deutschland bietet. Heute werde zu perfekt und zu teuer gebaut, es gebe zu viele stereotype Konzepte, und unkonventionelle Lösungen würden nur in unpopulären Lagen ausprobiert – das waren Thesen der UmBauwirtschaft-Gruppe. Der Workshop Stadtumbau und Stadterneuerung gab dem Erhalt des Stadtzusammenhangs die höchste Priorität im Erneuerungsprozess; wichtige Instrumente seien die Qualifizierung der Politik, öffentliche Gelder als Vorleistungen, Anreize für Qualität – und ein langer Atem. Unter dem Titel UmBauKunst ging es noch einmal um die künftige Rolle des Architekten: Ein Bastler soll er sein, ein Gärtner und ein Drehbuchschreiber, der selbst immer ein wenig überrascht wird von dem, was kommt.
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