Bauwelt

Vom fantastischen, unmöglichen und verlorenen Raum

(In)visible Cities

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

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© Annett Zinsmeister 2011

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Vom fantastischen, unmöglichen und verlorenen Raum

(In)visible Cities

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

Ob es das Interesse am Raum war, das zum Architekturstudium motiviert hat, oder die Ausbildung zum Architekten den Blick für die Raumwahrnehmung geschärft hat – in jedem Fall ist die gesteigerte Sensi­bilität für uns alltäglich umgebende Räume eine der angenehmeren Berufskrankheiten.
Dass wir diese nur mit einem Bruchteil der Bevölkerung teilen, wird  uns oft schmerzlich bewusst, sei es bei – in unseren Augen – gesichtslosen Neubaugebieten oder im Gespräch mit den sogenannten Laien. Die Kunsthistorikerin Simone Kraft hat diese Diskrepanz zum Anlass für eine Ausstellung genommen, die sie als Preisträgerin des Wolfgang-Hartmann-Preises für herausragende kuratorische Leistungen in der Gegenwartskunst nun in Ettlingen verwirklichen konnte.
Betritt man die malerisch gelegenen Räume des Kunstvereins auf der Wilhelmshöhe, wird bald klar: Hier ist der Betrachter der Bezugsmaßstab. Keine menschliche Figur verirrt sich in die Gemälde, Collagen und Raumskulpturen von Stefan Hoenerloh, Annett Zinsmeister und Karl-Heinz Bogner, die sich den „Westflügel“ der Ausstellungsräume teilen. Die verwinkelten Stadträume und Innenhöfe auf den Gemälden Hoenerlohs ziehen den Betrachter schnell in ihren Bann. Hinter dem morbiden Charme der mit großer Präzision gemalten Altbauten lässt sich einiges entdecken, versteckt der Maler doch in seinen vertraut anmutenden Phantasieräumen absichtlich so manchen „Fehler“, der sich erst auf den zwei­ten oder dritten Blick erschließt. Sind das Innen- oder Außenräume? Was sollen die Neonröhren in der luf­tigen Höhe des Innenhofs? Und wo gab es je eine Pfei­lerreihe auf einem solchen Sockel?
Während Hoenerloh seine Räume allein aus seiner künstlerischen Vorstellung heraus konstruiert, ist sein Gegenpart in der Ausstellung, Karl-Heinz Bogner, durch ein Studium architektonisch einschlägig vorbelastet. Das ist den schwarzen Modellen aus Holz, Karton und MDF durchaus anzusehen. Auf Stadtspaziergängen von Fabrikanlagen, Baustellen und Brachen inspiriert, baut Bogner räumliche Situationen aus modernen konstruktiven Elementen, die vom Ballast des Zwecks oder Maßstabs befreit sind und gerade durch diese Abstraktion ganz individuelle Assoziationen auslösen.
Die zweite Architektin der Schau, Annett Zinsmeister, arbeitet hingegen ganz direkt mit fotografischen Abbildungen realer Fassaden, die sie in Teile zerlegt (z.B. die einzelne Platte eine Plattenbaus) und neu collagiert. So bilden japanische Glasbausteine oder Berliner Fassadenelemente aus Beton eigene „Container“, die, in LED-Leuchtrahmen installiert, vor allem durch ihre technisch perfekte Illusion beeindrucken. Eigens für die Ausstellung hat Zinsmeister zudem eine Videoinstallation zusammengestellt, in der Idealstadt-Grundrisse aus 2000 Jahren das Thema „unsichtbare Stadt“ nochmals auf eine andere gedankliche Ebene heben.
Im Gegensatz zu diesen räumlichen Illusionen ist die Foto-Serie „Orte ohne Wiederkehr“ von Johannes Twielemeier, die im „Ostflügel“ gezeigt wird, rein dokumentarisch. Seine Bilder entstanden in 13 Ortschaften, die bald vollständig dem Braunkohletagebau Garzweiler gewichen sein werden. Eine Atmos­phäre des Zerfalls ist zu spüren, in der die Erinnerungen an den belebten Raum und seine Nutzer noch in der Luft zu hängen scheinen. Hier finden sich auch die einzigen Menschen der Ausstellung: Sie blicken von einem Aussichtspunkt aus auf ihren ehemaligen Heimatort. Was gäbe es für eine bessere Verbindung von sichtbarer und unsichtbarer Stadt.

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