Bauwelt

Von der Briefumschlaginnenseite in die Berlinische Galerie

„Rapport“ von Jürgen Mayer H.

Text: Tempel, Christoph, Berlin

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© J. Mayer H. Foto: Ludger Paffrath

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Von der Briefumschlaginnenseite in die Berlinische Galerie

„Rapport“ von Jürgen Mayer H.

Text: Tempel, Christoph, Berlin

„Das beste Design einer Straßenbahn wäre, wenn sie auch nachts fährt“, lautet einer der vielen einfachen Sätze von Lucius Burckhardt – dessen Wahrheitsgehalt sich nicht nur Nachtschwärmern sofort erschließt.
Doch manchmal nutzt man den öffentlichen Nahverkehr auch untertags und sieht ihn mit anderen Augen; ich erinnere mich an eine Fahrt von Berlin-Grünau nach Mitte, bei der es mir beim Einstieg in die roten Wagen der S-Bahn den Atem verschlug: Fliederfarben und hellblau waren sie ausgekleidet, und wirre Muster auf Wänden und Sitzpolstern ließen die Fahrt zur Augenqual werden.
Burckhardts Quintessenz: Design ist unsichtbar. Dieses hier war alles andere als das; es drängte sich in den Vordergrund, wollte gesehen werden. Heute weiß ich: Es handelte sich gar nicht um Gestaltung, sondern um die Verhinderung von (illegaler) Gestaltung. Die Idee stammte aus dem Hause J. Mayer H., Bauweltlesern bestens bekannt als Architekturbüro mit gestalterischem Anspruch und forschendem Sinn für neue Materialien. Datensicherungsmuster nennt Jürgen Mayer H. die wirren Muster; er hat sich ihnen seit Langem verschrieben
und sie zu unterschiedlichen Anlässen benutzt. Ihr eigentlicher Einsatzort sind die Umschläge von Lohnabrechnungen oder Kuverts mit Geheimzahlen, die, inwendig eng bedruckt, versuchen ihren Inhalt zu verbergen. Die etwas anders geartete Verwendung in der S-Bahn datiert von 1998/99; seither soll die Anti-Graffiti-Folie von Mayer H. das Interieur von 170 Berliner Wagen vor Schmierereien schützen.
Aktuell hat Jürgen Mayer H. die Wechselausstellungshalle der Berlinischen Galerie mit einem Teppich aus Datensicherungsmustern ausgeschlagen. Neben- und übereinander gedruckt und ins Gigantische vergrößert, überziehen die schwarzen Zahlenkolonnen auf weißgrauem Grund Wand und Boden in vol­ler Wucht, aber ohne erkennbaren Sinn. Den titelgebenden „Rapport“ sucht man vergebens. Und auch wenn hier etwas unsichtbar gemacht werden sollte – etwa die sich hier aufhaltende Information „Ausstellungsbesucher“ – funktioniert das wegen der geringen grafischen Dichte nur bedingt.
Eigentlich, so Jürgen Mayer H., wollte er begehbare Kuben mit fünf Metern Kantenlänge produzieren, eine dreidimensionale Umsetzung der Datensicherungsmuster, doch diese herzustellen hätte jeden Rahmen gesprengt. Jetzt finden sich fünf Modelle davon in der Treppenhalle des Museums und zwingen den Betrachter zu genauem Hinsehen, denn nur von einem Punkt sind Muster und Raum eindeu­tig zu erkennen, eröffnet sich Tiefe. Verlässt man diese Perspektive, verunklärt sich der Raum, und ein nie erwartetes räumliches Durcheinander wird sichtbar. Dieses Raumdurcheinander kletternd zu erfahren, wäre sicher ein großer Spaß gewesen. Wir hoffen auf eine Fortsetzung in 3D.
Fakten
Architekten Mayer H., Jürgen, Berlin
aus Bauwelt 48.2011
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