Von wegen trist
Die Großsiedlung Olvenstedt in Magdeburg
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Von wegen trist
Die Großsiedlung Olvenstedt in Magdeburg
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Großsiedlungen der DDR-Zeit sind eintönige Gebilde, die ohne gestalterischen Anspruch auf die Wiese geklotzt wurden. So das Vorurteil. Ein deutlich anderes Bild zeichnet die Ausstellung „Stadtentwicklung Magdeburg – Kunst am Bau bis 1989“ im IBA-Shop in Magdeburg.
Die Schau des Stadtplanungsamts belegt, dass zumindest ein Teil dieser Siedlungen mit enorm hohem Anspruch gestaltet wurde.
Im Mittelpunkt steht das Wohngebiet Olvenstedt. Das zwischen 1980 und 1994 erbaute Quartier mit rund 13.000 Wohnungen zählt zu den ambitioniertesten Städtebauprojekten der DDR. Exemplarisch sollte dort vorgeführt werden, wie ein abwechslungsreiches, identitätsstiftendes Wohngebiet aussehen könnte. Ein Experiment war die interdisziplinäre Arbeitsweise, denn nicht nur Stadtplaner und Architekten planten Olvenstedt, sondern auch Landschaftsplaner, Künstler, Formgestalter, Grafiker, Farbpsychologen und ein Schriftsteller. Das Ziel: die Verbindung aller Gestaltungsmittel zu einem „Gesamtkunstwerk Stadt“.
Die städtebauliche Struktur basierte auf kleinteiligen Höfen, in jedem Hof befand sich ein Gemeinschaftshaus. Verbunden wurden die Höfe durch ein Netz aus Fußgängerwegen. Zwar errichtete man auch in Olvenstedt Plattenbauten, doch erhielten sie nicht die üblichen Fassaden aus Splitoberflächen, anstelle dessen wurden farbige Keramiken verwandt, mit denen die Fassaden gestaltet wurden. Künstler wie Frank Borisch, Bruno Groth, Manfred Gabriel, Annedore und Wolfgang Policek schufen die Wandbilder – von expressiven Feuerdarstellungen über märchenhaft anmutende Naturmotive bis zu abstrakten Ornamenten. Das VEB Designprojekt Dresden entwickelte Straßen-, Fußweg- und Beetleuchten, Bänke, Wartehäuschen und Spielplätze. Ein Leitsystem mit Übersichtsplänen, Wegweisern, Straßenschildern und Hausnummern komplettierte die „Corporate Identity“.
Die Ausstellung porträtiert das Großprojekt mit einem Modell, einzelnen Kunstwerken, Schautafeln und Interviews mit beteiligten Künstlern. Man erfährt etwa, wie mühevoll es war, die Keramikarbeiten an die normierten Betonplatten anzupassen, aber auch, dass zumindest in den 80er Jahren die Künstler über ein erstaunliches Maß an Freiheit und materiellen Wohlstand verfügten. Heute ist der künstlerische Reichtum Olvenstedts bedroht. Magdeburg ist von Bevölkerungsrückgang, Wohnungsleerstand und Abrissen betroffen. Auch in Olvenstedt fielen etliche Gebäude und Kunstwerke der Abrissbirne zum Opfer. Umso wichtiger, auf die Qualitäten dieses Stadtteils hinzuweisen.
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