Bauwelt

Wahr? Unwahr? Trotzdem wahr?

Blauraum Architekten stiften Verwirrung

Text: Weinz, Franziska, Berlin

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Giovanni Castell / bloom images

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Wahr? Unwahr? Trotzdem wahr?

Blauraum Architekten stiften Verwirrung

Text: Weinz, Franziska, Berlin

Was ist Realität? Das, was man sehen, riechen, hören, schmecken kann? Oder das, was greifbar, messbar und nachweisbar ist? Das, was nicht verschwindet, wenn man daran glaubt? Oder einfach das, worauf sich die Mehrheit geeinigt hat?
Mit ihrer Ausstellung „wirklichwahr“ im Architekturforum Aedes in Berlin stellen Blauraum Architekten unser Verständnis von Realität auf die Probe. Das Hamburger Büro treibt den Umstand, dass Gebautes von Fiktivem in Architekturdarstellungen im­mer weniger unterscheidbar geworden ist, auf die Spitze. Die Architekten zeigen zehn ihrer Projekte auf 2 x 1,5 Meter großen Schwarz-Weiß-Fotos. Die Abbildungen, die vom Künstler Giovanni Castell und den Architekturvisualisierern bloom images „perfektioniert“ wurden, wirken allesamt realistisch. Doch fünf der zehn Projekte sind nie gebaut worden. Welche dies sind, erschließt sich selbst bei eingehender Betrachtung der etwas düsteren Bilder nicht.
Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, zwischen Rendering und Fotografie sind bis zur Unkenntlichkeit verwischt – seit Architekten mit Hilfe von Visualisierungssoftware ihre eigene detailgetreue „Wirklichkeit“ erschaffen, während Architekturfotografen gleichzeitig ihre Aufnahmen immer stär­-ker idealisieren und nachbearbeiteten. Wobei man als Betrachter von Architekturfotos seltsamerweise instinktiv immer noch von einer wirklichkeitsgetreuen Abbildung ausgeht. Ein riesengroßer ­Irrtum, wie Blauraum Architekten unmissverständlich vorführen. Immerhin geben sie dem Besucher die Möglichkeit, das Rätsel aufzulösen: Auf zehn iPads, in der Mitte des Galerieraums an einer Art Sitzinsel aufgereiht, sind alle wesentlichen Informationen zu den zehn Projekten abrufbar, bis hin zum Realisierungsstatus.
Die Frage, ob denn ein gebautes Haus überhaupt „wirklicher“, bedeutender ist als eines, das nur entworfen wurde, drängt sich auf. Zeigt doch die Architekturgeschichte, dass Fiktion Gebliebenes wie die Utopien von Archigram, Mies’ gläsernes Hochhaus an der Berliner Friedrichstraße oder Le Corbusiers Plan Voisin oft einflussreicher war als Gebautes. Unrealisierte Ideen haben ganze Architektengene­rationen geprägt und wurden so, indirekt, auf viele verschiedene Arten doch umgesetzt.
Was ist nun Realität? Selbst bei dem vermeindlich rundherum mit gelbem Backstein ausgeklei­deten Ausstellungsraum kann man sich dessen nicht sicher sein. Fußboden, Galeriebrüstung und Tür­sturz genauer unter die Lupe nehmend, bemerkt man rasch, wie wenig es braucht, sich in die Irre führen zu lassen.
Fakten
Architekten Blauraum Architekten, Hamburg
aus Bauwelt 44.2011
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