Weltruhm für Eichstätt
Zum Tod von Karljosef Schattner
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
Weltruhm für Eichstätt
Zum Tod von Karljosef Schattner
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
Er hat hohe Auszeichnungen erhalten, seine Bauten wurden weltweit publiziert, er hatte Gastprofessuren in Darmstadt und in Zürich – doch der „Ritterschlag“ zum international anerkannten Architekten war für Karljosef Schattner sein Auftritt 1991 beim 5. Alvar- Aalto-Symposium in Finnland: Seither steht er dort in einer Reihe mit prominenten Kollegen wie Steven Holl, Toyo Ito, Francis Kéré, Glenn Murcutt und Peter Zumthor.
Dabei stand Schattners Karriere ganz am Anfang auf des Messers Schneide. Wegen schlechter Schulnoten hätte er gar nicht Architektur studieren dürfen. Doch Hans Döllgast erkannte die Qualitäten des 1924 bei Magdeburg geborenen jungen Mannes und machte ihm 1949 den Weg an die Münchner Technische Hochschule frei: „Wenn einer unbedingt Architektur studieren will, dann soll er es auch“. Gern
erinnerte sich Schattner an seinen Lehrmeister, weil er ihm Entscheidendes zu verdanken habe: „Von Döllgast habe ich gelernt, dass man als Architekt vor allem Eigensinn braucht“.
erinnerte sich Schattner an seinen Lehrmeister, weil er ihm Entscheidendes zu verdanken habe: „Von Döllgast habe ich gelernt, dass man als Architekt vor allem Eigensinn braucht“.
Dieser Glücksfall verband sich mit zwei weiteren. 1957 wurde Schattner zum Diözesanbaumeister für das Bistum Eichstätt berufen, und kurz darauf beschloss die Bayerische Bischofskonferenz, in Eichstätt eine pädagogische Hochschule einzurichten, die 1980 zur Katholischen Universität erhoben wurde. Mit dem Lehrbetrieb kam endlich neues Leben in die verschlafene Residenzstadt an der Altmühl. Vor allem aber konnten nun für zahlreiche baufällige Denkmäler neue Nutzungen gefunden werden – gerade diese Chance hat Schattner mit Sensibilität und Tatkraft genutzt.
Weiterbauen an der historischen Stadt
Genau 35 Jahre lang konnte er als oberster Baubeamter der Kirche für das Ordinariat und die Hochschule wirken. So bescherte er Eichstätt nach den Baumeistern des Mittelalters und den Meisterarchitekten des Barock zum dritten Mal einen baukünstlerischen Höhepunkt. Neues Bauen in alter Umgebung wurde zu seinem Lebensthema. Am Ort nicht selten wegen seiner modernen Umbauten und Erweiterungen angefeindet, genoss Schattner schließlich einen weit reichenden Ruf. Ob in London, Helsinki oder Prag – in ganz Europa wurden seine Bauten als Vorbilder für das Weiterbauen an der historischen Stadt geschätzt.
Im Gegensatz zur üblichen Anpassungsarchitektur, die Altes wie neu und Neues wie alt aussehen lässt, arbeitete Schattner bei seinen Sanierungen nämlich mit gestalterischen Gegensätzen. Um dem authentisch Alten mit authentischer Zeitgenossenschaft zu antworten, verwendete er Stahl statt Stein, Beton und Glas statt Mauerwerk, Lochbleche statt Holz. Und den Verächtern heutiger Architektur hielt er das inzwischen geflügelte Wort entgegen: „Die Gegenwart leugnen hieße die Geschichte leugnen“.
Schattner hat in Eichstätt über zwei Dutzend Projekte ausgeführt, darunter Kirchen und Kapellen, Institutsgebäude und Bibliotheken. Dadurch hat er der Kleinstadt nicht nur seinen Stempel aufgeprägt, sondern sie weltberühmt gemacht. Was den „Schattner-Charme“ ausmacht, zeigt besonders sein letztes Bauwerk für Eichstätt, das Diözesanarchiv aus dem Jahr 1992. Im Sinne der vom Architekten gepflegten „Nahtstelle“ hält der neue Baukörper durch ein Glashaus respektvollen Abstand zum historischen Gebäude. Zwei günstige Voraussetzungen hat Schattner stets betont: seinen Bauherrn, dem es nicht um Rendite ging, sondern um eine zeitgemäße Baukultur, und Spezialbetriebe des Handwerks in der Region, mit denen selbst schwierige Aufgaben zu lösen waren.
Förderer und Juror
Schattner hat aber auch dafür gesorgt, dass gute Architektur nach Eichstätt kam, etwa durch die Universitätsbibliothek von Günter Behnisch, die Sprachheilschule von Eberhard Schunck und das Studentenwohnheim von Werner Wirsing. Auswärts machte er seinen Einfluss bei vielen Wettbewerben geltend: Zusammen mit seinem Freund Max Bächer, der im vergangenen Dezember verstarb, bildete er ein legendäres Juroren-Duo. Gegenüber Ulrich Conrads hat Schattner einmal bekannt, er sei „kein schreibender Architekt“. Tatsächlich war er kein Mann der großen Worte, auch sein Vortrag in Finnland beim Aalto-Symposium war ein nüchterner Bericht. Freundschaften waren ihm wichtig, darunter zu Luigi Snozzi und zum Fotografen Klaus Kinold. Und er blieb neugierig – schon früh hat er auf den damals noch wenig bekannten Peter Zumthor aufmerksam gemacht.
Schattner war ein moderner Architekt aus abendländischem Geist mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein. So hat er denn auch sein Bauamt als „Bauhütte“ verstanden. Aus ihr sind zahlreiche begabte Mitarbeiter hervorgegangen, die nun schon seit Jahren im ganzen bayerischen Raum weiterführen, was sie beim Diözesanbaumeister gelernt haben. Sein eigenes Werk wurde zuletzt mit einer Ausstellung zum 85. Geburtstag in der Münchner Galerie der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst geehrt. Am 10. April ist Schattner nach langer Krankheit im 87. Lebensjahr in Eichstätt gestorben. Mit ihm ist nicht nur ein großer deutscher, sondern ein großer europäischer Architekt von uns gegangen.
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