Bauwelt

„Wenn Deutschland nicht mehr tut, ist das Format demnächst gekapert“

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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„Wenn Deutschland nicht mehr tut, ist das Format demnächst gekapert“

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Die beiden IBAs in Basel und Limburg werden das Format der Internationalen Bauaustellungen umkrempeln – zum ersten Mal in ihrer 110-jährigen Geschichte werden sie wirklich international. Aber im Geburtsland Deutschland fühlt sich niemand zuständig.
Was macht ein Sportverband mit einem eigensinnigen und renitenten Leichtathleten, der immer erfolgreicher wird und plötzlich auch im Ausland mehr und mehr Medaillen abräumt? Wenn er vernünftig ist, gibt er ihm den besten Trainer an die Seite, toleriert den Eigensinn und profitiert von seinen Erfolgen.
Mit dem viel gelobten Instrument temporärer Stadterneuerung, das inzwischen auf 110 Jahre erfolgreiche Geschichte zurückblickt, der IBA, passiert gerade das Gegenteil. Während sich ihr Erfolg daran zeigt, dass mit der IBA Basel und der IBA Parkstad drei Nachbarländer das Instrument aufgreifen, fühlt sich in Deutschland – außer den direkt Beteiligten – niemand wirklich zuständig für die internationale Weiterentwicklung des Formats. Die drei magischen Buchstaben IBA, die sich längst von einer architekturbezogenen „Bauausstellung“ zu einem städtebaulichen Erneuerungsinstrument auf Zeit entwickelt haben, werden vom Bund vernachlässigt.
Momentan ist eine Art Wendepunkt in der Entwicklung absehbar: Die IBA Hamburg, die unter ihrem aktiven Geschäftsführer Uli Hellweg als eine Art Primus inter Pares aller IBAs funktionierte, schließt Ende des Jahres ihre Pforten. Wer wird dann in die Bresche springen? Wer wird die kleineren, respektive „jüngeren“ Bauausstellungen dann immer wieder zusammentrommeln, um den Erfahrungsaustausch in der „IBA meets IBA“-Reihe zu koordinieren? Der Bund hat diesen Austausch bisher gefördert, aber nur auf sehr kleiner Flamme. Es gibt eine geförderte Wander-Ausstellung zur Geschichte der IBAs, es wurden einige Studien in Auftrag gegeben, und es gibt einen Expertenrat. Zu wenig für die jetzige Internationalisierung.
Markenzeichen des aktuellen IBA-Formats ist seine Offenheit. Das gibt es im benachbarten Ausland nirgendwo. Die Kandidaten für die Eco-Cités in Frankreich und für die Floriaden in den Niederlanden etwa müssen aufwendige Bewerbungsverfahren durchlaufen, bevor sie an die natio­nalen Fördertöpfe kommen. Bei der IBA ist es anders. Niemand schreibt den potenziellen Interessenten vor, was die Ingredienzien einer IBA sind. Und niemand kontrolliert die Themen, die eine Bauausstellung zu einer „richtigen“ IBA machen. Nicht einmal die Größe und der Umfang des „Ausstellungsgebiets“ sind festgelegt – sie reichen aktuell von einer Stadt bis zu einem ganzen Bundesland. Man mag das im Detail kritisieren, aber die suchende Unsicherheit, gerade in der Anfangsphase, gehört inzwischen zum Selbstbild der IBAs. Sie erst ermöglicht den diskursiven Selbstprüfungsprozess der üb­lichen Bauroutinen, bevor es an die zukunftsweisenden Projekte und das Ausstellen geht.  Gerade hier liegt das extrem Zeitgemäße der IBAs: Sie legitimieren einen „administrativen Zweifel“, machen ihn geradezu zu einer Voraussetzung und erlauben damit die Beteiligung der Bewohner auf Augenhöhe.  Die IBA-Macher unseres Gesprächs waren sich darin einig: Ein Bewerbungsverfahren mit vorgelegten Regeln wäre der Tod der IBA. Beim Bund reagiert man defensiv auf diese Entwicklungen. Das BMVBS liebäugelt inzwischen, so ist zu hören, mit einem kleineren, rein deutschen Konkurrenz-Format. Die Rede ist von einer „Stadt-IBA“, rückwirkend installiert, mit Bewerbungsverfahren und als eine Art ministeriell beglaubigter Auszeichnung zu vergeben. Jetzt, wo die IBAs im Zuge der Beteiligung von Basel und der Parkstad zu einem tatsächlich inter-nationalen In­strument werden, herrscht in Berlin Kleinmut.
Energiestadt, Mobile Stadt, Gesteuerte Stadt, Science City, Soziale Stadt, Raumstadt und wie sie alle heißen – diese IBA-Begriffe sind grobe Chiffren, sicher. Aber an ihnen wird zurzeit in Europa die städtische Zukunft verhandelt. Dazu braucht es reale Testfelder, wie das die IBA in Hamburg-Wilhelmsburg zum Beispiel mit dem Erfolg ihres Themas „Metrozone“ gezeigt hat.
Die französische Regierung etwa hat die Notwendigkeit, über ein beispielhaftes Sonderformat städtische Innovation zu stimulieren, erkannt und fördert dies mit großem finanziellem und ideellem Einsatz. Grand Paris (Bauwelt 24.09) aber ist mit seiner Zentrumsfixierung ein schwerfälliges und eher hölzernes Konstrukt, modellhaft nur im abgehobenen Vergleich globaler Metropolen.
Nur, auch ein offenes System der Städtekonkurrenz wie das der IBAs braucht mehr eigene Mittel für die Regie. Die aber fehlen.Vier Punkte machen dies deutlich:
• Warum gibt es nicht längst jährlich stattfindende Hearings, die das Fortschreiten der IBA-Modellvorhaben im In- und Ausland miteinander vergleichen, jetzt, wo Basel und die Parkstad mit dabei sind?
• Wo bleibt die Unterstützung von deutscher Seite für das Thema grenzüberschreitender Planung, das die IBA Basel aktuell aufgreift. Warum ist die Förderung von Weil am Rhein und Lörrach im Rahmen dieser IBA so kümmerlich? Dabei sind Lösungsansätze, die hier probiert werden, auch an anderen Orten modellhaft: in Konstanz-Kreuzlingen etwa oder in Straßburg-Kehl.
•  Warum wird die Stadt Heidelberg nicht bei dem couragierten Versuch unterstützt, mit einer Öffnung der städtebaulichen Campus-Konzepte die Planungsdoktrin der sechziger Jahre zu überar­beiten und diese Areale in die Stadt zurückzuholen. In der Schweiz findet das an der ETH längst statt.
•  Warum tagt der IBA-Expertenrat nur ein bis zweimal im Jahr? Er hat ein beispielhaftes offenes Memorandum herausgegeben, das aber jetzt schon drei Jahre zurückliegt. Bisher ist unter den dreizehn Experten auch nur ein einziger ausländischer Planer, die Fran­zösin Françoise-Hélène Jourda. Das ist zu wenig.
Kaum eine Struktur böte mit so wenig Aufwand eine interna­tio-nal renommierte Plattform, die städtebaulichen Veränderungen in Europa voran zu bringen wie die neuen IBAs. Deutschland könne stolz sein auf das IBA Format, meint Peter Bertholet von der IBA Parkstad. Will man aber vielleicht gar nicht? Wenn Deutschland nicht mehr tut für den Erfahrungsaustausch ist das Format demnächst gekapert – von klugen Beratern aus Bern oder Den Haag.

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