Bauwelt

Zwangsvollstreckt – und nun?

Das MoMa fahndet nach neuen Ideen für den amerikanischen Vorstadt-Traum

Text: Schindler, Susanne, Princeton

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Modellfoto: © James Ewing 2011

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Zwangsvollstreckt – und nun?

Das MoMa fahndet nach neuen Ideen für den amerikanischen Vorstadt-Traum

Text: Schindler, Susanne, Princeton

Das Timing hätte besser nicht sein können: Die US-Regierung hat gerade mit den größten Banken, die in die Krise um faule Hypotheken verwickelt sind, ein Abkommen über die Entschädigung von Immobilienbesitzern geschlossen – gleichzeitig eröffnet die MoMA-Ausstellung „Foreclosed: Rehousing the American Dream“.
Es ist die zweite Schau der Reihe „Issues in Contemporary Architecture“, mit denen die von Barry Bergdoll geleitete Architektur- und Designabteilung des Museums Entwurfsansätze in aktuelle politische Debatten einbringen möchte. Zusammen mit Reinhold Martin, dem Direktor des Buell Center for American Architecture an der Columbia University, hat das MoMA fünf Architekturbüros beauftragt, städtebauliche Ideen für die von den Zwangsvollstreckungen der letzten Jahre über­durchschnittlich stark getroffenen suburbs zu entwickeln. Es soll um alternative Modelle des amerikanischen Traums gehen, der nach wie vor durch Einfamilienhaus und PKW symbolisiert wird: „Change the dream and you change the city“, so die These der Kuratoren. Dabei sind die nun im MoMa in New York präsentierten Ideen nicht als Lösungen zu verstehen, sondern als „Katalysatoren für die Debatte“.
Meine erster Eindruck, als ich die Ausstellung betrete: Alles schon mal da gewesen – das Plug-in-Gerüst für Wohnen und Arbeiten in Cicero, einer ehemals industriell geprägten Vorstadt von Chicago (Gang Studio, Chicago); der Hybrid aus Turm, Haus, Hof und Hügel, die verdichtete, energieautarke Erweiterung einer Einfamilienhaus-Siedlung in Keizer, Oregon (WORKac, New York); die rechtfertigungslos auf die Moderne zurückgreifende Mischung aus Zeilenbau und Teppichsiedlung für Temple Town, Florida (Visible Weather, New York). Auch der Beitrag für Rialto am Rande von Los Angeles erscheint auf den ersten Blick wie eine rein formale Überarbeitung einer suburb; der Ansatz ist jedoch insofern interessant, als die Verfasser (Zago Architecture, Los Angeles), die systemischen Probleme der typischen Vorstadtsiedlung herausarbeiten und zu lösen versuchen: Indem sie Eigentumsgrenzen verschieben und über­lagern, werden aus den üblichen Sackgassen durchgehende Straßen, wird die Einfamilienhaus-Monokultur durch Zwei- oder Mehrfamilienhäuser ersetzt.
MOS Architects aus New York sind das einzige Team, das den unumstößlichen Rahmenbedingungen einer Museumsausstellung Rechnung trägt – und einen entsprechend plakativen Entwurf beisteuert. „Thoughts on a Walking City“ heißt der Beitrag: Die Architekten füllen den größten Teil der Straßen von Orange, einer Kleinstadt westlich von New York, mit einer linearen, viergeschossigen Bebauung, einem Mix aus Wohnen, Arbeiten und Geschäften. Ein kurzer Blick auf das blaue Styrodur-Modell genügt, und im Kopf des Betrachters beginnt das von den Kuratoren intendierte Weiter-, ja vielleicht sogar Umdenken: Könnten wir tatsächlich ohne öffentlich verwaltete Infrastruktur leben? Welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn man das private Kraftfahrzeug nicht mehr als Option begreifen würde! MOS Architects liefern ein überaus einprägsames Bild. Ist es also doch möglich, dass ein Museum wie das MoMA mit Hilfe von Bildern – im erweiterten Sinne – gesellschaft­liche Diskussionen anstößt?
Die Frage, die die meisten Verfasser nur oberflächlich bearbeitet haben, ist ausgerechnet die Eigentumsfrage. Zwar macht jedes Team eine Aussage zur Trägerschaft, in der seine Ideen verwirklicht werden könnten, mit Ausnahme von Gang Studio, die ein Genossenschaftsmodell vorschlagen, scheint das jedoch die Entwürfe nicht beeinflusst zu haben. Gang Studio sind darüber hinaus die einzigen, die sich mit der Bewohnerschaft ihres Standorts auseinandersetzen und die Erkenntnisse jüngster Sozialforschung einbeziehen: Demnach ziehen Einwanderer heute nicht mehr in die Innenstädte, sondern in die Vororte. So wenig originell und praktikabel das modulare Gerüst ist, das das Team aus Chicago vorschlägt – die damit einhergehende Forderung nach Änderung der geltenden Bauvorschriften ist richtig, um die längst existierende Mischung von Wohnen und Arbeiten und das Zusammenleben erweiterter Familien unter den Immigranten zu fördern: ein grundlegender und glaubwürdiger Ansatz, wie man dem amerikanischen Traum ein neues Zuhause geben könnte.
Seltsam: Außer Gang Studio hat kein weite­res Team den Bestand, der infolge der Immobilienkrise leer gefallen ist, zur Grundlage seines Entwurfs gemacht – eigentlich die nächstliegende Strategie, wenn man an „zwangsvollstreckt“ denkt. 

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