Bauwelt

Zwischen Angst und Gier

Wohnen in München

Text: Heintze, Alexander, München

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Foto: Stefan Müller

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Visualisierung: aiP Gärtnerplatz GmbH & Co.KG

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Zwischen Angst und Gier

Wohnen in München

Text: Heintze, Alexander, München

Der Münchner Immobilienmarkt ist außer Kontrolle geraten. Die Schlagzeilen aus dem Wirtschaftsteil der Tageszeitungen weiß jeder durch Geschichten von Freunden, die es nach München verschlägt, zu ergänzen.
Die Preise für Miet- und Eigentumswohnungen sind im letzten Jahr weiter exorbitant gestiegen, und die Stadt hat, so scheint es, keine immobilienwirtschaftliche Lösung für den Boom, von einer gesellschaftlich-sozialen ganz zu schweigen. Der Wirtschaftsjournalist Alexander Heintze beschreibt die jüngste Entwicklung auf diesem Markt.

Die Krise und die Suche nach sicheren Anlagen bescherten dem Münchener Wohnimmobilienmarkt im vergangenen Jahr Rekorde beim Umsatz, Höchstpreise und schier unglaubliche Preissteigerungen. Es wird teurer, immer teurer. Eine 260-Quadratmeter-Wohnung am Bogenhausener Herzogpark für 3,9 Millionen Euro. Eine 600-Quadratmeter-Wohnung im Trendviertel Gärtnerplatz für 15 Millionen Euro. Das sind die neuen Höchstmarken am Münchener Immobilienmarkt. Quadratmeterpreise jenseits der 12.000-Euro-Marke waren bis vor ein paar Jahren nur in Ausnahmefällen zu finden. Heute sorgen 16.000, ja 25.000 Euro pro Quadratmeter kaum noch für Aufregung. Die Münchener haben sich scheinbar an solche Höchstmarken gewöhnt.

Der Preiswahnsinn spielt sich nicht nur in den oberen Regionen ab. In ganz München sind Wohnungen in nur einem Jahr durchschnittlich um rund 10 Prozent teurer geworden. Bei genauerem Hinsehen sind die Steigerungen noch dramatischer. Der Münchener Gutachterausschuss musste die Bodenrichtwerte zuletzt mit drastischen Korrekturen der Realität anpassen. Bei Eigentumswohnungen mussten die Gutachter bis zu 30 Prozent auf die bisherigen Richtwerte aufschlagen. In den besten Lagen, wie Bogenhausen, Schwabing oder der Altstadt, wurden die Einschätzungen sogar um bis zu 70 Prozent erhöht. Auch bei Baugrundstücken betragen die Aufschläge 20 Prozent und mehr. Und die nächste Anpassung ist nur eine Frage der Zeit. In den ersten Monaten dieses Jahres wurden schon Preise bezahlt, die beim Doppelten der bereits angepassten Bodenrichtwerte liegen.

Diese Entwicklung verfolgen viele mit Sorge. Helmut Thiele, Vorsitzender des Gutachterausschusses, warnt: „Momentan trifft Angst auf Gier. Das war schon immer ein ungutes Doppel.“ Käufer würden nicht mehr auf die Lage, auf das Wohngeld oder einen möglichen Instandhaltungsstau achten. „Selbst eine laute Straße ist kein Hindernis für hohe Preise“, bemerkt der oberste Herr über die Münchener Immobiliendaten. So werden für eine 80-Quadratmeter-Neubau-Wohnung im Schnitt 4450 Euro je Quadratmeter bezahlt. Vor fünf Jahren waren es noch fast 1000 Euro weniger. Preissteigerungen auch bei Doppelhaushälften: Neubauten kosten im Schnitt 625.000 Euro und damit 75.000 Euro mehr als noch ein Jahr zuvor.

Ein Ende der Preissteigerungen ist nicht in Sicht, denn München wächst. Bis zum Jahr 2030 erwarten Demoskopen einen Anstieg der Bevölkerung um 150.000 auf dann 1,54 Millionen Menschen. Um diesem Bevölkerungsansturm Herr zu werden, müssten jedes Jahr 7000 bis 9300 Wohnungen neu gebaut werden. Tatsächlich werden im frei finanzierten Wohnungsbau gerade einmal 3500 Wohneinheiten pro Jahr fertiggestellt. Die Stadt versucht, mit einem milliardenschweren Wohnungsbauprogramm dagegen zuhalten. Wo früher Siemens in Obersendling Telefone produzierte oder Paulaner in der Au sein Bier herstellte, entstehen jetzt Wohnungen. Auch leerstehende Kasernen werden für den Wohnungsbau bereitgestellt. Für die kommenden Jahre sind so über 13.000 Wohnungen im Bau oder in Planung. Diesen Markt teilen sich zumeist einheimische Bauträger. Auswärtige Baufirmen sind nur selten zu finden.

Doch auch die lokalen Unternehmen tun sich immer schwerer, freie Flächen zu finden. Stadtbaurätin Elisabeth Merk betont zwar, dass die Stadt noch Platz für 55.000 Wohnungen habe. „Das reicht bis 2020“, sagt Merk. Und danach? Noch gebe es genug Flächen am Stadtrand, die Stadt müsse sie nur als Bauland ausweisen, bemängeln Makler und Bauträger. Eine Reserve sind nicht mehr vermietbare Bürogebäude, die in Wohnungen umgebaut werden können. Im vergangenen Jahr sind auf diese Weise schon 55.000 Quadratmeter Bürofläche verschwunden. Seit Januar prüft die Stadt, ob sie ein extra Förderprogramm für die Umwandlung auflegt.

Keine Preisblase?


Eine Preisblase sehen die Bauträger verständlicherweise nicht. Dabei gab es in der Vergangenheit durchaus starke Korrekturen. Nach dem Boom in den neunziger Jahren ging es mit den Preisen teilweise um bis zu 20 Prozent nach unten. Erst nach den Anstiegen der vergangenen zwei Jahre erreichen viele Käufe von damals wieder ihr Ausgangsniveau. So mehren sich die Stimmen, dass das Preisniveau auf Dauer nicht aufrechterhalten werden kann, schon gar nicht im Luxussegment. Die Entwickler scheint das nicht zu stören. Während zu wenige Wohnungen für Normalverdiener gebaut werden, entstehen allerorten teure Palais mit Concierge-Service. Doch wenn nicht nur in traditionellen Hochpreisvierteln wie Schwabing, sondern auch in Arbeiterviertel wie Giesing Traditionskneipen und Kindertheater neuen Luxusbauten weichen müssen, formiert sich bei den Anwohnern Widerstand. Bauträger wissen um die Probleme und versehen ihre Neubauten daher ungern mit dem Prädikat „Luxus“. Sie bieten vielmehr „gehobene“ oder „Premium“-Wohnungen an. Am Preis ändert das wenig. Bei 8000 und 15.000 Euro für den Quadratmeter bleiben viele Käufer außen vor.
Wer es sich leisten kann, zieht immer seltener selber ein. Stattdessen geben sich Kapitalanleger mit Minirenditen zufrieden, wenn sie das 35-fache der Jahresmiete für eine Luxuswohnung überweisen. Hauptsache, das Geld ist sicher angelegt. Die Käufer kommen vornehmlich aus Deutschland. Die Zeiten, in denen Anleger aus dem arabischen oder russischen Raum mal eben eine 300-Quadratmeter-Wohnung per Telefon vorbestellten, sind vorbei. Stattdessen kauft der sehr gut situierte Mittelstand. Bis zu 500.000 Euro geben vor allem Singels und junge Familien aus, meist mit kräftiger finanzieller Unterstützung der Eltern. Oft sind es auch Erben, die ihr Geld auf dem Münchener Immobilienmarkt unterbringen. Ab der Millionengrenze sind es vor allem Top-Verdiener, Manager und Unternehmer. Deren Geld floss früher in Aktien und Anleihen und wird nun in Immobilien angelegt.

Für die kommenden Monate rechnen die meisten Makler und Bauherren zwar mit weiteren Preissteigerungen, die werden jedoch nicht mehr so stark ausfallen wie in der Vergangenheit. Schon jetzt verschicken Makler immer öfter Wohnungsangebote mit dem Vermerk „Preisreduzierung“. Ein klares Indiz dafür, dass auch der Münchener Markt Übertreibungen nur in gewissen Grenzen akzeptiert. Das gilt insbesondere für den Stadtrand. In Bezirken wie Aubing, Hadern oder Riem waren die Preissprünge mit kaum mehr als zehn Prozent deutlich geringer als in den innerstädtischen Lagen.

Bis zu 30 Euro pro Quadratmeter

Auch bei den Mieten scheint der absolute Plafond jetzt erreicht. Im Schnitt zahlen Mieter zwischen 12,70 und 14 Euro pro Quadratmeter – mehr als je zuvor. In Bestlagen wie dem Lehel oder in Altbogenhausen werden teilweise über 30 Euro für den Quadratmeter verlangt. Doch auch hier ging es noch teurer. Eine Drei-Zimmer-Wohnung im neuen Palais an der Oper, mit der exklusiven Adresse Maximilianstraße 4, wurde für 4604 Euro Kaltmiete angeboten. Mietpreis pro Quadratmeter: knapp 53 Euro.

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