Zwischen Park und Platte
Quartier mit Wohnturm an der Frankfurter Allee in Berlin
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Zwischen Park und Platte
Quartier mit Wohnturm an der Frankfurter Allee in Berlin
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Wo es passt, werden in Berlin Lücken gefüllt und Brachen besetzt – für mehr Wohnraum, aber auch, um alte Wunden zu schließen. Luft ist noch im Bezirk Lichtenberg, wo ein Quartier zwischen Platte, Gründerzeitbauten und Einkaufszentrum vermitteln soll.
Er wirkt schon etwas fremd in dieser Welt: Der junge durchtrainierte Mann kniet nackt auf einem Sockel und streckt einen Fisch in die Höhe. An wärmeren Ta-gen plätschert Wasser aus dem Maul des Karpfens; aber auch im Winter, wenn der Jüngling des Lichtenberger Fischerbrunnens förmlich auf dem Trockenen sitzt, trägt er seinen Teil zur skurrilen Kulisse bei. Umkreist man die Bronzeskulptur, läuft im Hintergrund die Ortsgeschichte wie im Panorama ab: Im Norden steht einsam ein Gründerzeitbau, der durch Krieg und DDR-Moderne seine Nachbarhäuser verlor. Daneben: der Rathauspark mit ein paar Bäumchen, Spielplatz und einem Denkmal für Spartakuskämpfer. Nach Südosten begleitet ein rund 400 Meter langer Plattenbau die Frankfurter Allee, die Verlängerung der Karl-Marx-Allee, und lässt „Europas letzten großen Boulevard“ (Aldo Rossi) noch unendlicher erscheinen. Und im Westen quetschen sich Passanten vorbei an Autos und Straßenbahn über eine Kreuzung, strömen zur S- und U-Bahnhof oder ins Ring Center, einer Shopping-Mall mit 45.000 Quadratmetern Verkaufsfläche.
Ideen, wie man mitten in dieses historische Potpourri Neues setzen kann, ohne die Gegend vollends zu überladen, sollte ein Städtebauwettbewerb der Berliner Wohnungsbaugesellschaft Howoge liefern. Die Aufgabe der zehn Teilnehmer: ein Quartier mit 215 Mietwohnungen und Räumen für Büros und die neue Zentrale der Howoge auf einem 1,3 Hektar großen Areal zu platzieren, das bisher eine von Trampelpfaden durchzogene Rasenfläche ist. „Da muss was hin!“, betonte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zur Eröffnung der Wettbewerbsausstellung noch mal den städtebaulichen Sinn des ganzen Bauvorhabens – schließlich stand hier ja auch mal was. Zuletzt ein 18-geschossiges Hochhaus aus den Achtzigern, das 2004 von der Howoge abgerissen wurde. Nun soll wieder Wohnraum her: Die Howoge verspricht 6000 neue Wohneinheiten bis 2018, davon allein 1000 Mietwohnungen in Lichtenberg, wo sie 2013 bereits für die Bebauung neben einer alten Klinik, dem Lindenhof, einen Wettbewerb auslobte. In dem Verfahren gewann das Berliner Büro von baumschlager.eberle. Diesmal saß Architekt Dietmar Eberle in der Jury. Dazu gesellten sich ebenso bekannte Namen: Hilde Léon, Carsten Lorenzen und aus Stuttgart Arno Lederer, der als Vorsitzender, so Howoge-Leiterin Stefanie Frensch, die Jurysitzung „schwäbisch gründlich“ durchführte. Schnell sei man sich dann bei der Vergabe des ersten Preises einig gewesen – an das Team um Hemprich Tophof Architekten.
Das Berliner Büro schlägt vor, freistehende Wohnhäuser entlang der Parkkante aufzureihen, mit Blick aufs Grün und mit Abstand zum südlichen Geschosswohnungsbau, für ausreichend Sonnenschein. Auch ruhig soll es hier sein, dank zweier Gebäude auf winkelartigem Grundriss, die den Lärm der Straße fernhalten sollen. Am auffälligsten aber ist wohl der Wohnturm, der mit 18 Geschossen an der Frankfurter Allee wieder einen Auftakt zur Innenstadt und für Lichtenberg bilden würde. In seinem Sockelbau ist Raum für ein Café, ein Restaurant und den Empfang der Howoge-Zentrale. Weiter oben und zum Innenhof bieten sich Wohnungen mit weitem Blick entlang der Magistrale an. Erstaunlich wenig Beachtung schenkten Hemprich Tophof dem Plattenbau direkt neben dem Wettbewerbsgebiet. In einem Zukunftsszenario prophezeien sie ihm sogar den Abriss.
Nicht so das Team aus Max Dudler und Hilmer & Sattler und Albrecht (ein 2. Preis), das diesen Riegel in eine Gruppe aus vier Bausteinen integriert, den Blöcken in Le Havre von Auguste Perret (Bauwelt 45.2005) nachempfunden. Mit seinem weiten Innenhof atmosphärisch sicher der spannendere Entwurf, schottet sich das Ensemble jedoch von der Umgebung ab. Die Neubauten wirkten, als würden sie die Nachbarhäuser belehren wollen, nach dem Motto „so geht Stadt“, nahm Regula Lüscher auf der Ausstellung mal die DDR-Moderne in Schutz.
Beim Entwurf von roedig.schop war es mit der Einigkeit der Jury vorbei. Diskutiert wurde über den besagten Fischerbrunnen, der durch eine Blockrandbebaung statt an der Straße in einem Hof liegen würde, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, aber auch geschützt vor dem Autolärm. Am Ende überwog der Wunsch, den Brunnen an der Kreuzung zu lassen. Immerhin setzen sich Anwohner auch jetzt schon hier hin, genießen den Blick auf Mall, S-Bahn-Trasse und Plattenbau, in dem sich die Sonne spiegelt – unbeeindruckt von dem um sie tosenden Feierabendverkehr.
Nicht-offener städtebaulicher Realisierungswettbewerb nach RPW
1. Preis Hemprich Tophof Architekten; Ing.-Büro Abraham, Berlin | ein 2. Preis roedig.schop architekten, Berlin; plancontext landschaftsarchitektur, Berlin | ein 2. Preis Max Dudler, Berlin + Hilmer & Sattler und Albrecht, München; TDB LS Architektur, Berlin
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