Das Cabrio-Haus in Rotterdam
Ein Rotterdamer Architektenpaar hat ein Dachgeschoss in der Altstadt den veränderten Familienverhältnissen
angepasst. Dreh- und Angelpunkt des Entwurfs ist ein offenes Dachgeschoss, das sich bei Wind und Wetter ganz verschließen lässt
Text: Roos, Nadine, Rotterdam; Cardinaal, Bart, Rotterdam
-
Die Dachterrasse in offenem ...
Foto: Thomas Mayer
Die Dachterrasse in offenem ...
Foto: Thomas Mayer
-
... und geschlossenem Zustand
Foto: Thomas Mayer
... und geschlossenem Zustand
Foto: Thomas Mayer
-
-
Spielzimmer, ...
Foto: Thomas Mayer
Spielzimmer, ...
Foto: Thomas Mayer
-
... Bad ...
Foto: Thomas Mayer
... Bad ...
Foto: Thomas Mayer
-
... und Treppenaufgang, den die Künstlerin Nadine Roos mit farbigen Bubbles ausgemalt hat
Foto: Thomas Mayer
... und Treppenaufgang, den die Künstlerin Nadine Roos mit farbigen Bubbles ausgemalt hat
Foto: Thomas Mayer
Die eigene Wohnung selbst entwerfen und gestalten – das ist für jeden Architekten und Designer ein spannendes Unterfangen: Es ist auch ein Vorzeigeprojekt, um die Ideen des eigenen Büros umzusetzen, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Das gilt auch für das „Cabrio-Haus“ in Rotterdam, das wir, Bart Cardinaal, Architekt und Designer, und Nadine Roos, Künstlerin und Innenraumarchitektin, entworfen haben. Mit unserem Büro HUNK-design haben wir uns zum Ziel gesetzt, urbane Umgebungen für Stadtmenschen zu entwerfen, in denen man sich wohlfühlen kann. Das galt natürlich auch für unsere eigene Wohnung. Die Stadt kann das Schönste im Menschen anregen; in einer Stadt kann man spontan anderen Menschen begegnen, sich von ihnen auf neue Gedanken bringen lassen und auf der Straße feiern. Doch kann die Stadt auch das Schlechteste im Menschen hervorbringen. Armut, Verfall und Kriminalität können sich wie ein Ölfleck ausbreiten. In diesem Spannungsfeld sind wir als Entwerfer tätig. Es geht uns darum, die negativen Aspekte der Stadt zu minimieren und die positiven Seiten hervorzuheben.
Wohnen betrifft uns
Diese Entwurfsperspektive betrifft immer auch unsere Realität; wir arbeiten und entwerfen nicht nur in der Stadt, sondern wir wohnen natürlich auch selbst mit unseren eigenen Geschichten, die jeder für sich mitgebracht hat. So haben wir, die wir beide in einer vorstädtischen Umgebung mit Niedrigbau und Häusern mit Gärten aufgewachsen sind, die Stadt wieder mit etwas anderen Augen gesehen, als wir ein Kind bekamen. Wir hatten neue Bedürfnisse. Das brachte uns dazu, unsere Wohnung, die sich in einem renovierungsbedürftigen, Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Gebäude befindet, umzubauen zu einem Familienrefugium mitten in der Stadt.
Für den Umbau ließen wir uns von zurückliegenden Reisen anregen. Wir waren mehrfach gemeinsam im Ausland, darunter ein Jahr in Tokio. Während dieser Reisen entdeckten wir Unterschiede im Blick auf die Stadt, die auch mit unserer jeweiligen Ausbildung zusammenhängen. Nadine ist viel stärker auf den Straßenraum orientiert. Ihr Augenmerk gilt vor allem der Interaktion der Menschen, der Überlappung von privatem und öffentlichem Raum. In Tokio zum Beispiel war sie angetan davon, wie die Menschen rund um ihre kleinen Häuser die Straßen mit Topfpflanzen bestücken und einrichten. Bart interessiert sich vor allem dafür, wie das städtische Umfeld strukturiert ist, wie es organisatorisch zusammenhängt. Er beschäftigt sich auch mit Baunormen und betrachtet Architektur eher von ihrer abstrakten Seite. In Tokio hat er sich genau angesehen, wie die dortige Gesetzgebung zur Verhinderung von Beschattung in der Innenstadt direkten Einfluss auf die Form der Häuser hat. Es gibt natürlich auch Gemeinsamkeiten. Wir begeistern uns für Kompositionen jedweder Art, wir lieben Farben und Muster, und wir finden es spannend, zu einem bestehenden städtischen Kontext klar Position zu beziehen und ihn mit einem frischen Blick zu betrachten und zu ergänzen.
Unsere Dachwohnung befindet sich in einem innerstädtischen Wohnviertel, einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt. Sie hat noch viele ursprüngliche Ausstattungsmerkmale, wie Fenster mit Bleiverglasung, Holzboden und Stuckdecken. Man könnte sagen, es ist eine Wohnung mit Charakter, aber auch mit einer gehörigen Anzahl von Mängeln. Sanitäranlagen und Küche waren völlig veraltet, die Räume direkt unterm Dach waren dunkel und nicht isoliert. Der größte Mangel für uns war, dass es bis auf zwei kleine Nordbalkons keinen wirklichen Bezug nach außen gab. Nachdem unsere Tochter geboren war, fiel dieser Punkt mehr ins Gewicht und wir hatten eigentlich schon beschlossen, uns auf die Suche nach einer Wohnung mit Garten zu machen. Dann ergab sich die Gelegenheit, unsere Wohnung zu kaufen, und weil die Gemeinde Rotterdam experimentellen Umbauten gegenüber offen ist, konnten wir unsere Wohnung so tiefgreifend umbauen, dass auch ein passender Freibereich entstehen würde. Unser größter Wunsch war eine besonnte Terrasse, auf der man spielen konnte. Dazu musste aber der größte Teil des alten Giebeldachs entfernt werden. Allerdings würde dadurch der oberste Stock beträchtlich kleiner, und die Frage war, ob dieser Aufwand der Mühe wert war. Die Lösung lag dann im Entwurf des „Cabrio-Dachs“ als große offene Terrasse für herrliche Sonnentage, die sich bei Regen oder kaltem Wetter mit einer verschiebbaren Glasdach und -wandkonstruktion zu einem Gartenzimmer verschließen lässt.
Um diese Terrasse realisieren zu können, musste nicht nur ein großer Teil des Daches entfernt, sondern die gesamte Wohnung neu eingeteilt werden. Die Terrasse ist jetzt dort, wo vorher das Schlafzimmer war. Das Schlafzimmer ist an die Stelle des alten Esszimmers gewandert. Der Esstisch steht jetzt dort, wo vorher die Badewanne stand. Badezimmer und Küche haben die Plätze gewechselt. Die neue Sitzecke war früher eine dunkle und kalte Dachkammer, was ursprünglich das Wohnzimmer war, ist jetzt ein großes Spielzimmer geworden und der Verbindungsraum, ein für das 19. Jahrhundert typischer Raum zwischen dem vorderen und dem hinte-ren Zimmer, ein begehbarer Schrank. Nur das Schlafzimmer unserer Tochter blieb an seinem alten Platz. Weil der Mechanismus des Cabrio-Daches so einfach und schnell zu bedienen ist, machen wir viel häufiger davon Gebrauch als ursprünglich gedacht.
Aus dem Niederländischen von Matthias Müller
x
Bauwelt Newsletter
Immer freitags erscheint der Bauwelt-Newsletter mit dem Wichtigsten der Woche: Lesen Sie, worum es in der neuen Ausgabe geht. Außerdem:
- » aktuelle Stellenangebote
- » exklusive Online-Beiträge, Interviews und Bildstrecken
- » Wettbewerbsauslobungen
- » Termine
- » Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und jederzeit wieder kündbar.
Beispiele, Hinweise: Datenschutz, Analyse, Widerruf
0 Kommentare