Bauwelt

Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel


Eine ehemalige Zahnklinik aus den dreißiger Jahren dicht am Europaparlament wurde für das Haus der Europäischen Geschichte umgebaut und erweitert. Architekten und Ausstellungsgestalter fanden nicht zusammen.


Text: Redecke, Sebastian, Berlin


  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Dem Gebäude am Parc Léopold wurden drei Ge­schosse aufgesetzt. Der Eingang befindet sich nicht mehr zentral sondern seitlich im Sockelgeschoss.
    Foto: Christian Richters

    • Social Media Items Social Media Items
    Dem Gebäude am Parc Léopold wurden drei Ge­schosse aufgesetzt. Der Eingang befindet sich nicht mehr zentral sondern seitlich im Sockelgeschoss.

    Foto: Christian Richters

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Auf dem Dach sind Austritte für die Besucher vorge­sehen. Die äußere Haut besteht aus einer reinen Glaskonstruktion.
    Foto: Christian Richters

    • Social Media Items Social Media Items
    Auf dem Dach sind Austritte für die Besucher vorge­sehen. Die äußere Haut besteht aus einer reinen Glaskonstruktion.

    Foto: Christian Richters

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Auf der Rückseite wurde das dreiflügelige Gebäude komplett geschossen. Hier tritt die Entwurfsidee der einzelnen Ausstellungsboxen in einer Glasfassade besonders her­vor.
    Foto: Didier Boy de la Tour, C. Fabris

    • Social Media Items Social Media Items
    Auf der Rückseite wurde das dreiflügelige Gebäude komplett geschossen. Hier tritt die Entwurfsidee der einzelnen Ausstellungsboxen in einer Glasfassade besonders her­vor.

    Foto: Didier Boy de la Tour, C. Fabris

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Das Sockelgeschoss mit Infotresen und Schließfächern.
    Foto: Didier Boy de la Tour, C. Fabris

    • Social Media Items Social Media Items
    Das Sockelgeschoss mit Infotresen und Schließfächern.

    Foto: Didier Boy de la Tour, C. Fabris

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die niedrigen Räume im Sockelgeschoss öffnen sich zu den Sälen der früheren Eingangsebene mit dem Warteraum der Patienten. Die alte Wandgestaltung wurde sorgsam restauriert.
    Foto: Christian Richters

    • Social Media Items Social Media Items
    Die niedrigen Räume im Sockelgeschoss öffnen sich zu den Sälen der früheren Eingangsebene mit dem Warteraum der Patienten. Die alte Wandgestaltung wurde sorgsam restauriert.

    Foto: Christian Richters

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Blick durch die frü­here Anmeldung in das Atrium.
    Foto: Didier Boy de la Tour, C. Fabris

    • Social Media Items Social Media Items
    Blick durch die frü­here Anmeldung in das Atrium.

    Foto: Didier Boy de la Tour, C. Fabris

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Atrium mit der Ziegelfassade des Altbaus. Die zentrale Treppe ist mit Stahlseilen verspannt und konnte dadurch leichter ausfallen. Vom raumbildenden Kunstwerk erfuhren die Architekten erst sehr spät.
    Foto: Didier Boy de la Tour

    • Social Media Items Social Media Items
    Atrium mit der Ziegelfassade des Altbaus. Die zentrale Treppe ist mit Stahlseilen verspannt und konnte dadurch leichter ausfallen. Vom raumbildenden Kunstwerk erfuhren die Architekten erst sehr spät.

    Foto: Didier Boy de la Tour

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die Dauerausstellung wurde für fensterlose Räume geplant.
    Foto: Europäisches Par­lament

    • Social Media Items Social Media Items
    Die Dauerausstellung wurde für fensterlose Räume geplant.

    Foto: Europäisches Par­lament

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Dies wiederspricht dem Gebäudekonzept.
    Foto: Europäisches Par­lament

    • Social Media Items Social Media Items
    Dies wiederspricht dem Gebäudekonzept.

    Foto: Europäisches Par­lament

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Europa im Ersten Weltkrieg und die 1951 gegründete Montanunion als „stählerne Skulptur“ mit großen Köpfen der Zeit wie Robert Schuman.
    Foto: Europäisches Par­lament

    • Social Media Items Social Media Items
    Europa im Ersten Weltkrieg und die 1951 gegründete Montanunion als „stählerne Skulptur“ mit großen Köpfen der Zeit wie Robert Schuman.

    Foto: Europäisches Par­lament

Am 7. Mai hat Emmanuel Macron die französische Präsidentschaftswahl sicher gewonnen und Europa sieht wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Die große europäische Idee stand lange Jahre nicht im Fokus. In Brüssel und Straßburg beschäftigte man sich eigentlich nur noch mit Geld und der Verteilung des Geldes. Jetzt, vor allem durch den überraschenden Brexit bedingt, steht diese Idee wieder im Vordergrund, und man sorgt sich, dass die EU zerbricht. Passend zur aktuellen Lage eröffnete am 4. Mai in Brüssel das Haus der Europäischen Geschichte.
Es gehört im Europaviertel nicht zu den Bauten am Place Schuman, dort wäre kein Platz gewesen. Doch gleich nebenan, etwas unterhalb der lärmenden fünfspurigen Einbahnstraße Rue Belliard, steht im schönen Rahmen des Parc Léopold die ehemalige Zahnklinik George Eastman. Die Europäische Union konnte das 1935 errich­tete Gebäude des schweizer Architekten Michel Polak schon vor längerer Zeit übernehmen und lobte 2009 einen Wettbewerb für das Haus der Europäischen Geschichte aus, den das Pariser Büro Chaix & Morel in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Büro JSWD gewann.

Ohne Transparenz

George Eastman war ein erfolgreicher amerikanischer Unternehmer, der die Firmen Kodak und Eastman Chemical gründete. Als Philanthrop engagierte er sich für die medizinische Versorgung sozial benachteiligter Kinder und finanzierte Zahnkliniken in Rochester, Brüssel, Stockholm, Paris und Rom. In Brüssel entstand zudem ein „zahnärztliches Modellinstitut“. Am Dachgesims der originalgetreu sanierten Fassade ist auch heute noch die Inschrift „Institut Dentaire George Eastman“ zu lesen. Die Architekten ergänzten das U-förmige Gebäude, bestehend aus einem Zentralgebäude und zwei versetzten Seitenflügeln, zu einem Block und sattelten im mittleren Teil drei Geschosse oben drauf. Sie hatten dabei die Entwurfsidee, dem kompakten Altbau eine leichte, in weiten Teilen transparente Struktur aus Glas mit asymmetrisch angeordneten, in den Fassaden durch Opakglas ablesbaren Ausstellungsboxen hinzuzufügen.
Diese ursprüngliche Idee tritt leider nach Fertigstellung nicht deutlich hervor. Auch das Gebäude als Ganzes erklärt sich nicht als Ausstellungshaus. Die leichte gläserne Struktur ist zwar präsent, aber von Transparenz ist wenig zu spüren. Dies wird damit begründet, dass die Ausstellungsgestalter aus Sevilla anscheinend von einem Gebäude mit fensterlosen Räumen aus­gingen, die frei bespielbar sind. Die Architekten hingegen wollten eine transparente Konstruk­tion, ganz oben sogar offen nach allen Seiten, in der die geschlossenen floating boxes für die Ausstellung eingefügt sind. So mussten zwei konträre Vorstellungen zueinander finden, und jede Seite war gezwungen, Kompromisse einzugehen, die nicht zum Vorteil für die Architektur und die Organisation des Gebäudes ausfallen.

Leere Glasvitrinen

Betreten wird das Haus nicht über die Freitreppe und das eindrucksvolle Originalportal von Polak, sondern im Sockelgeschoss, das hierfür auf beiden Seiten Eingangstüren erhielt. Im Gebäude begrüßen den Gast zusätzliche Sicherheitsschranken, die nach den Terroranschlägen in Paris und Brüssel verlangt wurden. Erst danach steht man in einem kleineren Raum, rechterhand schließen Garderobe, Shop und Café an. Chaix & Morel reagierten auf das Problem der niedrigen Geschosshöhe des Sockels, indem sie in Raummitte runde Öffnungen mit gläsernen Brüstungen einfügten. Die Besucher können durch diese Öffnungen in die frühere Eingangsebene blicken, vor allem in den alten Wartesaal der Zahnklinik mit restaurierten Wandmalereien – bunte Tierdarstellungen aus den Fabeln von Jean de la Fontaine, die die Kinder vor der Zahnbehandlung ablenken sollten. Außerdem soll es hier eine Volie-re mit exotischen Vögeln gegeben haben. Neben der oberen, mit Steinplatten ausgekleideten Eingangshalle ohne erkennbare neue Nutzung und einem aus kongolesischem Edelholz verkleideten Besprechungssaal ist der Wartesaal der einzige Innenraum, der vom Gebäude erhalten blieb. Der Rest wurde komplett entkernt.
Was ist zu sehen? In der Dauerausstellung möchte man den Kern der gesamten europäischen Geschichte erfassen und dabei nicht jedes Land mit seiner Bindung zu Europa vorstellen, sondern der Frage nachgehen, wie aus der gemeinsamen Geschichte „ein kulturelles Gedächtnis aller Europäer erwachsen ist und auf welche Weise es unser Leben bestimmt“. Die Ausstellung gliedert sich in die Themenbereiche „Was ist Europa?“ im zweiten Obergeschoss, es folgt darüber die „Weltmacht Europa“ und das „Trümmerfeld Europa“. Dann im vierten Obergeschoss „Wiederaufbau eines geteilten Kontinents“ und in den obersten Geschossen das Thema „Erschütterte Gewissheiten“ und der ziemlich magere Bereich „Lob und Kritik“ mit ringförmiger Bank. Zum Nachdenken über das Gesehene kommt man nicht, denn man schaut nach oben in einen Himmel als flache Haube mit rasend schnell ineinander fließender Raumimpressionen aus Europa.
Das Gesamtkonzept hatte sechs Jahre lang ein wissenschaftlicher Sachverständigenausschuss unter Leitung des Historikers Wlodzimierz Borodziej von der Universität Warschau erdacht. Als „Aktives Museum“ besteht es aus einer Mischung von zusammengetragenen Exponaten, die für Europa stehen, und audiovisuellen Stationen, interaktiven oder auf Leinwänden stark flimmernden Installationen der schnellen Bilder. Ich muss gestehen, dass ich gesättigt bin von Museen und Ausstellungen mit multimedialen Gags, bei dem sich das tägliche Bildschirm-Starren im Großen fortsetzt, nur noch effektvoller. Ich sehne mich nach dieser Inszenierung in den Räumen der alten Zahnklinik zurück zur Einfachheit und damit zur Eindeutigkeit allein mit Ausstellungsstücken voller thematischer Prägnanz und Symbolik, die die Phantasie anregen.



Fakten
Architekten Chaix & Morel et Associés, Paris; JSWD Architekten, Köln
Adresse Rue Belliard 135, 1000 Bruxelles, Belgien


aus Bauwelt 11.2017
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x

24.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.