Bauwelt

Wohnhaus in Berlin


Daniel Verhülsdonk entwirft ein städtisches, siebengeschossiges Wohnhaus. Beim Ausbau hatte er die räumlichen Qualitäten eines Berliner Altbaus sowie Materialität und Farbigkeit Mexikos im Kopf


Text: Verhülsdonk, Daniel, Berlin


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    Ansicht von Norden mit dem privaten Garten. Die flächenbündigen Fenster sind festverglast und haben nur schmale Öffnungsflügel aus eloxierten Aluminiumpaneelen.
    Foto: Marcus Ebener

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    Ansicht von Norden mit dem privaten Garten. Die flächenbündigen Fenster sind festverglast und haben nur schmale Öffnungsflügel aus eloxierten Aluminiumpaneelen.

    Foto: Marcus Ebener

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    Hausbreite Balkone nach Süden, seitlich führt ein Fußweg entlang. 
    Foto: Marcus Ebener

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    Hausbreite Balkone nach Süden, seitlich führt ein Fußweg entlang. 

    Foto: Marcus Ebener

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    Eine minimalistische Treppe führt vom Arbeitszimmer zur oberen Wohnetage, sie erinnert an das Treppen-faltwerk in der Casa Barragán
    Foto: Marcus Ebener

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    Eine minimalistische Treppe führt vom Arbeitszimmer zur oberen Wohnetage, sie erinnert an das Treppen-faltwerk in der Casa Barragán

    Foto: Marcus Ebener

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    Zwischen Innen und Außen: Die Wohnküche ist Mittelpunkt der Wohnung
    Foto: Marcus Ebener

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    Zwischen Innen und Außen: Die Wohnküche ist Mittelpunkt der Wohnung

    Foto: Marcus Ebener

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    Kompakte körperhafte Einbauten sind mit einer Schattenfuge vom Rohbau abgesetzt
    Foto: Marcus Ebener

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    Kompakte körperhafte Einbauten sind mit einer Schattenfuge vom Rohbau abgesetzt

    Foto: Marcus Ebener

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    Die halbgeschossige Raumstaffelung schafft Groß­zügigkeit und verschiedene Grade von Privatheit
    Foto: Marcus Ebener

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    Die halbgeschossige Raumstaffelung schafft Groß­zügigkeit und verschiedene Grade von Privatheit

    Foto: Marcus Ebener

Nach langer Suche konnten wir 2012 zusammen mit meinem Bruder ein kleines Baugrundstück auf der Roten Insel in Berlin-Schöneberg erwerben. Auf einer bebaubaren Grundfläche von nur 9 mal 13 Metern war es eine Herausforderung, ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen zu planen. Aber die Möglichkeit einer dreiseitigen Belichtung und die Aussicht auf einen privaten Garten machten den Reiz des Projektes aus. Die entwurfliche Annäherung fand unter der Prämisse statt, dass sich die räumlichen Qualitäten der erdgeschossigen Neubauwohnung an der Groß-zügigkeit unserer Kreuzberger Beletage-Altbauwohnung orientieren sollten.
Schließlich waren es die örtlichen und finanziellen Zwänge sowie die funktionalen Anfor-derungen, die zu der räumlichen Qualität geführt haben. Das Wohnungslayout mit der Split-Level-Lösung entstand primär aus der Enge des Baugrundstücks und der Anforderung nach einer maximalen Ausnutzung. Raumhöhen von nur 2,60 Metern in Schlafzimmern und Küche und 4,10 Metern in dem zentralen verbindenden Wohnraum ermöglichten erst die 7-geschossige Bebauung und erzeugen gleichzeitig die gewünschte räumliche Großzügigkeit. Während das Wohnzimmer im Hochparterre dem Wunsch nach Distanz zur Straße gerecht wird, orientiert sich die Wohnküche im Erdgeschoss zum privaten Garten. Der Flur als Verbindung der Schlafzimmer im Obergeschoss bietet als offene Galerie einen kleinen Arbeitsplatz. Das erdgeschossige Arbeitszimmer ist erst im Laufe der Planung der Wohnung zugeschlagen worden und ist mit einer minimalen, nicht notwendigen Treppe von nur 60 Zentimeter Breite angebunden. Trotz anderer Treppengeometrie mit viertelgewendeltem Antritt ist das Vorbild der filigranen Faltwerktreppe der Casa Luis Barragán erkennbar.

Die Treppe als Interaktionsfläche

Die Treppe zwischen Küche und Wohnraum sollte nicht nur  Verkehrsfläche, sondern auch Spiel- und Sitzfläche sein. Bei dem Wunsch nach räumlicher Verbindung der beiden Bereiche spielten Bilder belebter Treppenstufen  wie die der Universität von Guanajuato oder dem Juárez Theater eine Rolle. Wenn auch in einem anderen Maßstab sind hier Treppenstufen im öffentlich Raum stets belebter Treffpunkt, die sogar für Kino- und Konzertveranstaltungen genutzt werden. Die starre Anordnung von Sitz- und Trittstufen ist erst im Bauverlauf zugunsten einer etwas verspielten Stufenanordnung aufgegeben worden. Die Ausformulierung der Treppe ist vor Ort durch ein 1:1-Modell mit auf dem Bau vorgefundenen Dämmplatten entstanden.  Neben den Kindern, die sie gerne als Spielfläche nutzen, ist die Treppe vor allem bei Feiern und beim Kochen ein beliebter Kommunikationsort – fast wie bei den Vorbildern.

Bilder aus Mexiko

Die Materialauswahl der Wohnung entstand aus dem Wunsch nach einem klaren Materialkonzept einerseits und dem Bedürfnis nach atmosphärischen Räumen anderseits. Es sollte kein minimales Wohnmuseum entstehen, sondern gut nutzbare Räume, robust genug für den alltäglichen Gebrauch. Bei der Ausformulierung von Materialität  und Stimmung sind vor allem Bilder aus meiner Zeit in Mexiko eingeflossen. Die Sinnlichkeit der handwerklich gefügten Materialien wie Ziegel, Lehm, Stein und Putz haben mich beeindruckt. So sind Beton und Holz, als authentische Materialien mit materialspezifischer Textur, kombiniert mit warmen Farbtönen. Die Farbauswahl der Ausbauwände ist angelehnt an die Farben der Häuser in der mexikanischen Heimat meiner Frau. Die roh belassenen Wände und Decken aus Beton zeigen Spuren des Herstellungsprozesses. Die Ausbauten sind über eine Schattenfuge vom Rohbau abgesetzt – ein kleines aber wichtiges Detail, welches den Beton wie ein Ausstellungselement rahmt und dem ganzen bei al-ler Robustheit eine gewisse Präzision gibt. Als Bodenbelag im gesamten Wohnbereich ist ein Holzpflaster aus Eiche verwendet. Die kleinteiligen Stirnholzklötze geben dem Boden eine teppichartige Textur.  Sie wurden mit einem weiß pigmentierten Bodenöl leicht aufgehellt. Das gleiche Öl wurde auch für alle anderen Oberflächen aus Eiche verwendet, so dass sie wie unbehandelt wirken. Die Möbel in Wohnraum und Küche sind als durchgehendes Einbaumöbel entworfen. Das Regal im Wohnzimmer ist wie ein großer Setzkasten und dient nicht nur als Stauraum für Bücher, sondern gibt den gesammelten kunsthandwerklichen Objekten einen Rahmen.  Das lange Küchenregal mit Gewürzen und Flaschen ist eine Reminiszenz an unsere alte Küche.

Zusammenspiel von Innen und Außen

Für einen Wohnungsbau ungewöhnlich sind die großen Festverglasungen mit den opaken Öffnungsflügeln aus  eloxierten Aluminiumpaneelen. Sie sind aus dem Wunsch entstanden, der Fassade ein eigenständiges Bild zu geben und einen gerahmten, ungestörten Blick nach außen zu haben. Wichtig bei der Anordnung der Fenster war mir zum einen,  dass die Körperhaftigkeit des Gebäudes durch massive Wandflächen erhalten bleibt und zum anderen die Fenster innen sinnvoll gesetzt sind. So ist die Position des östlichen Panoramafensters im Wohnzimmer entsprechend dem Sonnenverlauf so optimiert, dass die tief stehende Herbst- und Wintersonne die nur von Norden belichtete Küche erreicht.
Die Strukturierung der Fassade sollte die monotone Flächigkeit eines WDVS-Putzes auflösen und im Kontrast zu den glatten eloxierten Alufenstern stehen. Unter anderem hatte ich dabei Bilder von expressiven Rauputzen im Kopf. Im Buch „Über Putz: Oberflächen entwickeln und ausführen“ von Annette Spiro (Gta Verlag, Zürich 2013, a.d.R.) habe ich die entscheidenden Anregungen für die alte handwerkliche, einfach auszuführende Besenstrichtechnik bekommen. Nach Bemusterungen auf der Baustelle brachte die Verwendung eines Strohbesens bei einem sehr feinkörnigen mineralischen Putz die gewünschte Unschärfe der Oberfläche.

Garten als Wohnraumerweiterung

Der Entwurf von Terrasse und Garten war geprägt vom Wunsch, einen abstrakten Körper aus Holz zu entwickeln. Struktur und Profilgröße wurden im 1:1-Versuch entwickelt und das Profil in einem bayerischen Sägewerk auf Maß gefertigt. Die große Terrasse dient als Erweiterung der Wohnküche in den Garten, wobei das Stufenthema wieder auftaucht. Eine umlaufende Sitzstufe fasst den Höhenunterschied zwischen Terrasse und ansteigendem Gelände. Das Hochbeet und der Sandkasten neben der Terrasse dienen als weitere Sitzstufe und zugleich als Rückenlehne.

Tiefe Laibungen

Nach ein paar Wochen des Einwohnens fühlt sich die Wohnung als selbstverständlicher Teil unseres Lebens an. Sie vereint unsere unterschiedlichen Einflüsse in ihrer besonderen Eigenart. Wie erwartet ist die großzügige Wohnküche als Eingang und Bindeglied zwischen Garten und Treppe der familiäre Lebensmittelpunkt. Die Stufenlandschaft und die tiefen Fensterlaibungen sind die Lieblingsorte der Kinder und der robuste Holzboden verträgt auch Fahrten mit Bobbycar und Dreirad. Die halbgeschossige Raumstaffelung schafft im täglichen Leben eine gut funktionierende Abstufung von Privatheit und bietet auch Raum für unterschiedliche Rückzugsorte.



Fakten
Architekten eva.eckstein verhülsdonk architekten, Berlin
aus Bauwelt 1-2.2016
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