Bauwelt

Kunstmuseum Basel


Der Erweiterungsbau von Christ & Gantenbein liegt dem Altbau gegenüber und hat etwas Strenges, Verschlossenes. Doch der mächtige Block brilliert durch viele Feinheiten, die sich im Inneren fortsetzen


Text: Adam, Hubertus, Zürich


  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der blockhafte Baukörper zeigt sich an der Kreu­­zung mit einem einspringenden Knick. So entsteht eine platzartige Aufwertung. Rechts der Altbau
    Foto: Walter Mair

    • Social Media Items Social Media Items
    Der blockhafte Baukörper zeigt sich an der Kreu­­zung mit einem einspringenden Knick. So entsteht eine platzartige Aufwertung. Rechts der Altbau

    Foto: Walter Mair

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der Neubau ist nur sparsam von Öffnungen durchbrochen. Die Architekten haben es aber vermocht, die Hülle mit vor- und zurückspringenden Ziegelschichten zu rhythmisieren. In die Rillen der Fries-Steine wurden LED-Bän­der eingelegt. Die Fassade entstand mit dem Backstein-Kontor Köln und der Ziegelei Petersen.
    Foto: Stefano Graziani

    • Social Media Items Social Media Items
    Der Neubau ist nur sparsam von Öffnungen durchbrochen. Die Architekten haben es aber vermocht, die Hülle mit vor- und zurückspringenden Ziegelschichten zu rhythmisieren. In die Rillen der Fries-Steine wurden LED-Bän­der eingelegt. Die Fassade entstand mit dem Backstein-Kontor Köln und der Ziegelei Petersen.

    Foto: Stefano Graziani

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Monumentale Treppenanlage mit breiten geschlossen Brüstungen im Herzen des Neubaus.
    Foto: Stefano Graziani

    • Social Media Items Social Media Items
    Monumentale Treppenanlage mit breiten geschlossen Brüstungen im Herzen des Neubaus.

    Foto: Stefano Graziani

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die Decken der Säle bestehen aus präfabrizierten und gesandstrahlten Betonelementen.
    Foto: Stefano Graziani

    • Social Media Items Social Media Items
    Die Decken der Säle bestehen aus präfabrizierten und gesandstrahlten Betonelementen.

    Foto: Stefano Graziani

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Foyer und Treppe wurden mit kostbarem grauem Carrara-Marmor ausgestat­­tet.
    Foto: Stefano Graziani

    • Social Media Items Social Media Items
    Foyer und Treppe wurden mit kostbarem grauem Carrara-Marmor ausgestat­­tet.

    Foto: Stefano Graziani

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Für die Böden der Säle wählte man eine neue Interpreta­tion des Industrieparketts, bei dem Eichenbretter mit Holzzementmörtel verfugt wurden.
    Foto: Stefano Graziani

    • Social Media Items Social Media Items
    Für die Böden der Säle wählte man eine neue Interpreta­tion des Industrieparketts, bei dem Eichenbretter mit Holzzementmörtel verfugt wurden.

    Foto: Stefano Graziani

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die grau verputzten Betonwände der Konstruktion bleiben bei den Fenster­lai­bungen und Saaldurch­gängen sichtbar
    Foto: Stefano Graziani

    • Social Media Items Social Media Items
    Die grau verputzten Betonwände der Konstruktion bleiben bei den Fenster­lai­bungen und Saaldurch­gängen sichtbar

    Foto: Stefano Graziani

„Die Tragödie einer großen Bauaufgabe“, betitelte der Architekturkritiker Peter Meyer seinen Beitrag, der anlässlich der Entscheidung des Basler Grossen Rats, das neue Kunstmuseum nach den Plänen von Rudolf Christ und Paul Bonatz zu errichten, 1932 in der Zeitschrift „Werk“ erschien. Meyer, selbst kein Anwalt der radikalen Avantgarde, sondern Wortführer einer moderaten Moderne, brachte gegen das Projekt von Christ und Bonatz mehrere Argumente ins Feld. Die streng axialsymmetrische Komposition der um zwei Höfe gruppierten Gesamtanlage ignoriere mit ihrer formalen Rigidität die städtebaulichen Gegebenheiten, ein Palast mit Bogenhalle und Mittelachse sei nachträglich an die Bedürfnisse des Museums angepasst worden. Und dann war da noch die pikante Tatsache, dass Paul Bonatz beim Wettbewerb 1928 in der Jury gesessen hatte und beim Ausführungsprojekt als Mitverfasser neben Christ auftauchte, der übrigens im Stuttgarter Büro von Bonatz gearbeitet hatte.
Die Kritik war nicht verstummt, als der Neubau 1936 eröffnet wurde. Peter Meyer, der seine Argumente nicht entkräftet sah, musste aber konzedieren, dass hinter den repräsentativen Fassaden gut nutzbare und wohlproportionierte Säle für die Kunst entstanden waren, die dem bürgerlichen Geist der Kunstsammlung entsprachen. Aus dem Abstand von 80 Jahren sind die alten Debatten ohnehin verblasst. Das Kunstmuseum besticht nicht nur durch seine Ausstellungssäle, sondern auch durch den grandiosen Hof, einen der schönsten öffentlichen Orte in Basel, und durch seine exquisite Materialisierung mit neun Kalkstein- und sieben Granitsorten aus allen Regionen der Schweiz. Es ist ein Meisterwerk.
Der Kunstbestand des Museums ist herausragend, und in Basel spricht man gerne von der ältesten öffentlichen Kunstsammlung der Welt. Als Gründungsdatum gilt das Jahr 1661. Zu den Schwerpunkten zählen die oberdeutsche Malerei um 1500, Böcklin und Hodler, französischer Impressionismus und Postimpressionismus, deutscher Expressionismus, der abstrakte Expressionismus der Zeit nach 1945 sowie die Entwicklung der modernen Kunst bis zur Gegenwart. Um der Raumnot zu begegnen wurde 1980 das im St.Alban-Tal gelegene Museum für Gegenwartskunst eröffnet; 2004 folgte die Auslagerung der Bibliothek, der Verwaltung und des Kunsthistorischen Seminars in den benachbarten Laurenzbau, den früheren Sitz der Nationalbank.
Angesichts der Tatsache, dass das Kunstmuseum Basel keine abgeschlossene histo­rische Sammlung besitzt, sondern sich gleichermaßen der Gegenwart verpflichtet weiß, war es ledig­­lich eine Frage der Zeit, wann der Ruf nach einer neuerlichen baulichen Erweiterung laut werden würde. Den Neubau, der angesichts tatsächlicher Platzprobleme im Bestandsbau mehr Berechtigung hat als andere derzeitige Erweiterungsprojekte für Museen, hat die Roche-Erbin Maja Oeri mit ihrer Laurenz-Stiftung möglich gemacht. Sie erwarb die dem Museum gegenüberliegende Parzelle des „Burghofs“ als Standort des Erweiterungsbaus und steuerte die Hälfte der Baukosten von insgesamt 100 Millionen Franken bei. Im Projektwettbewerb von 2009 konnten Christ
& Gantenbein sowie Diener & Diener die internationale Konkurrenz von OMA, Zaha Hadid oder SANAA ausstechen; nach der Überarbeitung fiel die Entscheidung für das Projekt von Christ & Gantenbein. Ausschlaggebend war primär die urbanistische Haltung, die sich in einem kontextuellen Solitär artikulierte: Die Architekten entwarfen einen blockhaften polygonalen Baukörper, der sich hinsichtlich der Höhe am Altbau orientiert und – auch wenn er Abstand zur Nachbarbebauung wahrt, um Zufahrten zu dem rückwärtigen, vertieften Hof zu ermöglichen – die Baulinien der Dufourstraße im Westen und der St.Alban-Vorstadt im Norden aufgreift. Zur Ecke hin zeigt die Fassade einen einspringenden Knick, durch den die Kreuzungssituation eine subtile platzartige Aufweitung erfährt. Der Be­zug zum Museum auf der anderen Seite der Dufourstraße wird hergestellt, zudem tritt das Gebäude, nicht zuletzt von der Wettsteinbrücke aus gesehen, markant in den Stadtraum und verbindet sich mit dem Hauptbau zu einem visuellen Ensemble. Dazu trägt auch die – schon beim Wettbewerbs­entwurf an Zumthors Kölner Kolumba-Museum erinnernde – Fassade aus grauen Ziegelsteinen bei, die gut mit der Natursteinverkleidung des Baus von Christ und Bo­natz harmoniert. Auch wenn der neue Baukörper nur sparsam von Öffnungen durchbrochen ist, haben Christ & Gantenbein es vermocht, die mural geprägte und selbsttragende Hülle zu rhyth­misieren: Vor- und zurückspringende Ziegelschichten betonen die Horizontalität und erzeugen eine Reliefstruktur, die durch den Wechsel von einem dunkleren zu einem helleren Farbton der Backsteine nach oben hin leichter wirkt. Ein spezielles Element ist der Fries in der Höhe: In die Rillen der Steine wurden LED-Bänder ein­gelegt, welche die Hohlkehlen der Steine beleuchten. Dadurch lässt sich der Bereich als „Medienfassade“ nutzen, die allerdings hier nicht in Hightech-Ästhetik daher kommt, sondern eine archaisch anmutende Ziegelsteinfassade aktiviert. Mit Fries, Sockel und Wand gelingt eine nachgerade klassische, die Geschoss­einteilung verwischende Gliederung der Fassade.

Grau aus Carrara

Die Öffnungen im Erdgeschoss waren von pragmatischen Überlegungen geprägt: Ein kleiner Eingang für die Besucher befindet sich an der Ecke, an der Dufourstraße eine breite Lastwageneinfahrt. Geschlossen werden die Öffnungen durch Stahlrahmen, die streifenweise mit verzinkten Stahlbändern beplankt sind. Derlei Elemente finden sich auch im Inneren, wo sie als Türflügel die Ausstellungsräume von den Erschließungsbereichen trennen.
Innerhalb des Volumens sind die eigentlichen Ausstellungsräume in zwei orthogonalen Gevierten organisiert. Das eine orientiert sich zur Dufourstraße, das andere zur St.Alban-Vorstadt. Die Flächen dazwischen, in denen sich die komplizierte Geometrie des Hauses abzeichnet, nutzen die Architekten zur Inszenierung eines überwältigenden Treppenkatarakts, das von oben durch eine runde Öffnung belichtet wird – ein Zitat aus dem Altbau. Die teilweise organisch ausgebildeten Formen treten hier so wuchtig und monumental auf, dass die eigentlich nicht bescheiden dimensionierten Ausstellungsräume fast klein erscheinen; die Balance zwischen Erschließung und Museumsbereichen stellt sich nicht recht ein. Dieser Effekt mag durch die Materialwahl noch verstärkt werden, trifft doch in den Erschließungsbereichen grauer Carrara-Marmor auf grauen Beton auf grauen Kratzputz – letzterer ebenfalls ein Verweis auf Wandgestaltungen im Bestandsbau. Anders dagegen die Materialisierung in den Ausstellungssälen: Weiße Gipswände bilden den neutralen Hintergrund für die Exponate, die grau verputzten Betonwände der Konstruktion bleiben in den Fensterlaibungen und in den Saaldurchgängen sichtbar. Die Decken bestehen aus präfabrizierten und gesandstrahlten Betonelementen, die im obersten Geschoss als Oberlichte ausgebildet sind, für die Böden entwickelten die Architekten eine neue Interpretation des Industrieparketts, bei dem Eichenbretter mit Holzzementmörtel verfugt wurden. Dieses wirkt allerdings recht aufdringlich und ist etwa für Stahlplatten von Carl André, In­stallationen von Joseph Beuys oder Werke von Richard Long, die in der – mit eigenen Werken bestückten – Eröffnungsausstellung „Sculptures on the Move“ zu sehen sind, kein geeigneter Untergrund.

Kein Tunnel

Auf Empfehlung der Jury überarbeiteten Christ & Gantenbein ihr Innenraumkonzept nach dem Wettbewerb von 2009. Damals hatten sie zwei Kerne vorgesehen, um die sich die aufgrund der Geometrie des Gebäudes zum Teil polygonal ausgebildeten Räume gruppierten. In der Ausführung sind die Grundrisse mit den zwei Raum­gevierten und dem monumentalen Treppenraum dazwischen klarer geworden, aber auch etwas braver. Die Ausstellungssäle mag man klassisch nennen, vielleicht auch etwas konventionell. Im ersten und zweiten Obergeschoss gliedern sich die beiden Ausstellungsgevierte in jeweils vier Säle unterschiedlichen Zuschnitts, wobei der große Saal im Erdgeschoss und die Räume im zweiten Obergeschoss Wechselausstellungen vorbehalten sind. In den zum Teil durch Fenster belichteten Sälen im ersten Obergeschoss sind Positionen der Nachkriegsmoderne aus der eigenen Sammlung ausgestellt.
Besonders problematisch ist die unterirdische Verbindung der beiden Bauten. Auch wenn der Neubau einen eigenen Eingang besitzt, nutzen die meisten Besucher den Weg über den Altbau, in dessen Ostflügel eine neu installierte Treppe in den Keller hinabführt. Christ & Gantenbein haben versucht, aus der unterirdischen Erschließung das Beste zu machen: Sie stellt sich nicht als Tunnel dar, sondern als Abfolge aus Museumsräumen, und durch den vertieften Hof fällt sogar hinten noch ein wenig Licht in das Untergeschoss. Die Kelleratmosphäre aber bleibt; nicht ohne Grund hatte Roger Diener seinerzeit vorgeschlagen, Alt- und Neubau mit einer Brücke aus Sälen auf Höhe des ersten Obergeschosses zu verbinden. Da die Räume im Untergeschoss auch als „Event Space“ dienen sollen, findet sich hier ebenfalls geschliffener Marmor als Bodenbelag, der aber heute dank inflationärer Verwendung weniger an einen italienischen Palazzo als an Flughäfen und Shopping-Malls denken lässt. Etwas mehr Rauheit hätte hier gut getan – wie mancherorts im Gebäude. Mag aber auch sein, dass die Verantwortlichen mehr an Mut dem bürgerlichen Basler Publikum nicht zutrauen.



Fakten
Architekten Christ & Gantenbein, Basel
Adresse St. Alban-Graben 20 CH-4010 Basel


aus Bauwelt 30.2016
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x

26.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.