MuséoParc
„Alesia? Ich kenne kein Alesia!“
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Bei Asterix spricht man nicht über Alesia. Schließlich hat hier vor 2064 Jahren der Gallier Vercingetorix nach langer Belagerung die Schlacht gegen die Römer verloren. Damit viel mehr Besucher den für die Geschichte Frankreichs wichtigen Ort aufsuchen, eröffnete im März der „MuséoParc“ mit einem Besucherzentrum von Bernard Tschumi.
Für die Franzosen ist Vercingetorix eine wichtige historische Persönlichkeit. Er war der Anführer der Gallier bei der Entscheidungsschlacht gegen die Römer, die 52 v. Chr. dramatisch verloren ging. 45.000 Gallier und 7800 Römer ließen ihr Leben. Vercingetorix stand Julius Caesar gegenüber, der hier einen seiner größten Triumphe feierte. Zunächst wurden die Gallier ca. zweieinhalb Monate umzingelt und belagert. Eine weitere von Vercingetorix’ berühmten Reitern herbeigerufene Armee belagerte wiederum die Römer. Schließlich kam es zur Schlacht. Nach ihrem Sieg hatten die Römer viele Jahrhunderte lang die Vorherrschaft in Gallien.
Wo aber fand die Schlacht statt? Die Forscher sind sich nicht einig. Doch nachdem Archäologen kleine Speerspitzen, Münzen, Reste von Helmen, Zelten und anderes mehr gefunden haben und sich auch die Hügel ganz gut den Beschreibungen der Schlacht zuordnen lassen, hat man sich für Alise-Sainte-Reine, das frühere Oppidum Alesia, in der Region Côte-d’Or von Burgund entschieden. Es liegt rund sechzig Kilometer nordwestlich von Dijon. Mit Côte-d’Or ist keine „Goldküste“ gemeint, sondern die im herbstlichen Sonnenlicht goldfarben leuchtende Blätterpracht auf den Weinbergen. Es gibt jedoch schon seit langem noch einen anderen Ort, Chaux-des-Crotenay im Jura, von dem hartnäckig behauptet wird, die Schlacht habe dort stattgefunden.
Napoleon III.
Vercingetorix, der tapfere, bis zuletzt Größe zeigende Verlierer der Gallier, der sechs Jahre später als Gefangener in Rom erdrosselt wurde, ist im Laufe der Zeit in Frankreich zum Mythos geworden, besonders unter Napoleon III. im 19. Jahrhundert. Er war es, der erste Forschungen zur Schlacht beauftragte und 1855 eine 6,60 Meter hohe Bronzestatue gießen und auf einem Sockel von Viollet-le-Duc oberhalb von Alise-Sainte-Reine aufstellen ließ. Die Ähnlichkeit der heroischen Statue mit dem jungen Napoleon ist unverkennbar und versetzte die Bevölkerung in Erstaunen.
Wie man es schon seit Längerem aus Frankreich kennt, wurde auch hier, im Burgund, von Politikern der Region mit viel Einfluss in der Hauptstadt und deshalb mit staatlichen Mitteln, ein Bauprojekt für eine relativ einsame Gegend gestartet. Thema ist die Schlacht unter besonderer Betrachtung des Helden Vercingetorix. Die hügelige Landschaft mit einigen wenigen Hinweisen und die Statue reichen in unserer multimedialen Zeit nicht mehr aus, eine Vorstellung von den damaligen Geschehnissen zu vermitteln. So wurde vor allem zur kommerziellen Belebung der „MuséoParc Alesia“ ins Leben gerufen – man rechnet mit jährlich 150.000 Besuchern.
Die Verantwortlichen entschieden sich für ein Besucherzentrum – das den Namen Interpretationszentrum erhielt – und für ein archäologisches Museum. In einem Verhandlungsverfahren mit drei Teilnehmern wurde den Planern freigestellt, wo sie auf dem sehr großen Areal – es gab ja trotz der archäologischen Funde keine konkreten Anhaltspunkte – das Zentrum und das Museum platzierten. Bernhard Tschumi erhielt den Auftrag. Die zwei Bauten stehen bei ihm in einem gewissen Abstand zueinander, das Besucherzentrum inmitten der Felder und das Museum oben auf dem Hügel Auxois, wo sich Vercingetorix verschanzt haben soll. Das Museum ist noch in Planung, da die Regionalregierung im letzten Jahr Gelder für andere Zwecke zur Verfügung stellen musste. Das Besucherzentrum eröffnete Ende März.
Eingebettet
Schon mit der Wahl der Gebäudeform, es ist homogen und kreisrund, vermeidet der Architekt jeden Verweis auf einen konkreten Ort. Zugleich wollte er die Einkesselung der Gallier symbolisieren. Die Rotunde mit einem Durchmesser von 52 Metern weist jedoch zwei Öffnungen auf, den Haupteingang und diesem gegenüber eine Treppenanlage, die auf die Wiese hinunterführt. Dort beginnt ein schmaler hölzerner Weg zu einem hundert Meter langen Stück nachempfundenem römischen Erdwäll mit Wachtürmen, Gräben, Fallen, dem ebenfalls von Weitem bereits sichtbaren zweiten Teil des Besucherzentrums.
Das Besucherzentrum selbst ist mit einer Hülle aus mächtigen Lärchenholz-Balken verkleidet. Man will sich damit nicht allzu sehr in Szene setzen und in die Landschaft einfügen. Diesen Eindruck vermittelt die gesamte Anlage. Der Parkplatz mit weichem Boden aus Rindenholz ist in einen Birkenhain eingebettet, geplant von Michel Desvigne, dem renommiertesten Grünplaner des Landes. Auch die Dachterrasse des Gebäudes mit einem Kranz von gut angewachsenen Birken und Eichen, 165 an der Zahl, wurde von ihm gestaltet. Beim Rundgang auf dem Belvedere können die Besucher in einem 360-Grad-Panorama die verschiedenen Standorte der römischen und gallischen Lager während der Doppelbelagerung und der Schlacht ausmachen. Kleine Schilder liefern Informationen. Zu sehen ist aber außer der Landschaft, den Erdwällen, dem am Hang liegenden Alise-Sainte-Reine und verstreut liegenden Einzelbauten nichts – man muss sich also zuvor im Besucherzentrum ein Bild von der Belagerung und vom Ablauf der Schlacht machen.
Die Rotunde ist zweischalig ausgebildet, innen eine schwarz verkleidete, in Teilen gläserne Fassade, außen, in deutlichem Abstand die Holzkonstruktion, die mit großer Lebendigkeit und einer eigenständigen markanten Struktur das Rund hervortreten lässt. Auch wegen dieser „Naturverbundenheit“ fiel die Wahl auf das Projekt. Es entsprach den sehr strengen Vorgaben der Behörden für den Landschaftschutz. Das Gebäude ist wohl proportioniert und gut in die Landschaft eingebettet.
Der Eingang ist eher unscheinbar. Es wurde einfach ein Stück der Holzkonstruktion ausgespart. Im Inneren ist der Eindruck dann ein ganz anderer: Den Gast empfängt eine große zentrale Halle in auffallend präzis ausgeführtem Sichtbeton. Sie ist leer. Bei meinem Besuch stehen zwei „römische Soldaten“ etwas verloren herum und geben den Besuchern Hinweise. Rechter Hand liegt der Empfang, auf der linken Seite der Shop und dem Eingang gegenüber das Restaurant mit Terrasse. In der Halle beeindruckt eine Reihe von geneigten Rundstützen, die ohne klare Zuordnung sind, und eine Treppenrampe, die im großen Bogen nach oben zu einem offenen Umgang führt. Licht fällt oberhalb der Umgänge in den Raum.
Kettenpanzer
Der eigentliche Rundgang durch das Besucherzentrum beginnt nach der Rampe im ersten Obergeschoss. Dort taucht man ein in die relativ bescheidene Multimedia-Präsentation über die Römer und die Gallier und natürlich über die Schlacht. Der 300 Meter lange Weg im ringförmige Saal ist mit Installationen, Touchscreens, interaktiven Reliefkarten und Schaukästen bestückt. Am Ende des Rundgangs liegt ein Filmsaal, aus dem heraus es in regelmäßigen Abständen dröhnt. In den Schaukästen sind nachempfundene oder rekonstruierte Kettenpanzer, Helme, Schilder, Schwerter und Wurfspeere ausgestellt, die die technische Überlegenheit der Römer verdeutlichen. Sehr angenehm ist, dass dieser Bereich sich nicht nach außen abschließt, wie es oft bei solchen inszenierten Ausstellungen der Fall ist. So bleibt durch die Fassadenstruktur hindurch der Ort des Geschehens immer präsent. Die Rampe führt auf eine Dachebene mit einem weiteren, zur Halle offenen Umgang. Von dort erreicht man das ebenfalls runde, bisher noch wenig genutzte Auditorium über der Halle. Erst dieser Saal erklärt die vielen Rundstützen in der Eingangshalle.
Der MuséoParc Alesia ist mit den Besucherzahlen der ersten Monate sehr zufrieden. Schon ist von einem neuen Projekt die Rede. In Montereau-Fault-Yonne, eine Autostunde südöstlich von Paris, soll ein Themen- und Erlebnispark rund um die Person Napoleon Bonaparte entstehen.
Fakten
Architekten
Tschumi, Bernard, New York/Paris; Descharrières, Véronique, New York/Paris
Adresse
Route des trois ormeaux 21150 Alise-Sainte-Reine, France
aus
Bauwelt 23.2012
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